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„Na, wo willst du denn hin?"
Mitten in der Bewegung das Haus zu verlassen erstarrte ich. Dann drehte ich mich betont langsam um und setzte das unschuldigste Lächeln der Weltgeschichte auf. Aufgereiht wie die Hühner auf einer Stange standen sie da... Meine vier Stiefbrüder/Ex-Albträume. Ihre Gesichter waren ausdruckslos, die Arme vor der Brust verschränkt, sahen sie mich alle mit erwartungsvoll hochgezogenen Augenbrauen an. Ich brauchte eine Sekunde – gut, es waren eher zehn Sekunden, während ich mit aller Macht versuchte, mein Pokerface aufzuschrauben. Aber seien wir mal ehrlich: ich versagte hier auf ganzer Linie, gab auf und schließlich brach ich in schallendes Gelächter aus. Alex machte einen Schritt nach vorne und hielt mir seine Kaffeetasse hin.
„Bevor du dich in deinen Palast der Sünde ins Land der Schokolade verziehst, möchtest du vielleicht nicht doch noch einen Schluck zum wach werden?" Ich schüttelte den Kopf, mittlerweile liefen mir Tränen übers Gesicht vor allem, weil Luke jetzt ebenfalls vortrat.
Verdammt... Ich hatte wirklich gute Arbeit geleistet. Obwohl er duschen gewesen war, wiesen seine Haare nach wie vor ein Hauch von Pink auf und auch der wasserlösliche Stift schien nur bedingt wasserlöslich gewesen zu sein, denn einige Herzchen, Sternchen und vor allem allem der große Schmetterling, direkt zwischen seinen Augen waren noch deutlich zu erkennen.
Aus der Kaffeetasse, die mir mein Soldat hinhielt, stieg ein sehr würziges, cremiges kräutriges Aroma auf, vermischt mit dem Duft von frisch gemahlenen Kaffee.. Es roch ziemlich gewöhnungsbedürftig und ich war mir ziemlich sicher, es schmeckte auch so! Alex musste sich mit aller Macht ebenfalls ein Grinsen verbeißen und lies seinem jüngeren Bruder den Vortritt, der mich jetzt sehr kumpelhaft einen Arm um die Schulter legte und mich zu Malik und Leander hinüberführte. Zu behaupten, dass Leander unausgeschlafen aussah, wäre kolossal untertrieben gewesen. Er hatte Augenringe, die bis nach Texas reichten, sein Haar war nicht wie sonst sorgfältig frisiert, sondern stand in alle Himmelsrichtungen ab, als hätte er in eine Steckdose gepinkelt. Seine dunklen Augen funkelten und die extrem starre Haltung inklusive der geballte Fäuste gab mir einen sanften Hinweis auf seinen, vermutlich leicht angesäuerten Gemütszustand...
Der jüngste der Hanson Brüder griff hinter sich und nahm die sehr vergrünte Tastatur von der Kommode hinter sich um sie mir unter die Nase zu halten.
„Weißt du irgendetwas darüber?" fragte er, während in seinen Mundwinkeln ein Lächeln zuckte. Ich hob die Hand und zeichnete ein Heiligenschein über mir in die Luft. „Ich war das nicht!" flötete ich und bemühte mich, wie die Unschuld vom Lande dreinzuschauen. „Hmmm... und die achtundvierzig Wecker, die wir in Leanders Zimmer gefunden haben, weißt du vermutlich auch nichts, oder? Und wie sieht das mit Lukas neuer Haarfarbe aus? Und der Körperverzierung?"
Ja, richtig gehört... Becca und ich hatten sage und schreibe achtundvierzig Wecker im Zimmer von Bob dem Baumeister versteckt... gut versteckt! Und die waren so eingestellt, dass alle fünfzehn Minuten einer von ihnen los gebimmelt hatte... Daher ging ich davon aus, dass mein herzallerliebstes Stiefbrüderlein höchstens zehn Minuten Schlaf bekommen hatte.
Obwohl... trotz allem war er verhältnismäßig gelassen. Wenn man bedachte wie er ausgeflippt war, als ich sein Auto mit ein bis zwei, okay okay... ein-, bis zweitausend Post it's zu geklebt hatte, machten wir gerade echt Fortschritte!
Und zu meiner großen Verwunderung war es Leander, der sagte:
„Ich denke, es ist an der Zeit, dass wir uns mal hinsetzen und in Ruhe über darüber reden, was alles so passiert ist."
Der Rest der Hanson Brüder nickte unisono und Luke dirigierte mich in Richtung der Sofalandschaft. Als ich Platz genommen hatte, setzte er sich auf den Couchtisch direkt vor mich hin und beugte sich nach vorne.
Ich sah keine Wut in ihm... Sondern ein leichtes Lächeln schimmerte in seinen Augen und umspielte seine Lippen, als er nach meinen Händen griff. Dann zog er mich an sich heran, drehte den Kopf und küsste mich auf die Wange.
„Danke," sagte er leise. Verwirrt blinzelte ich... Damit hatte ich jetzt nicht gerechnet!
„Wofür bedankst du dich? Wolltest du immer schon mal pinke Haare haben?" Luke grinste und zog den Ausschnitt seines T-Shirts nach unten, so dass ich das Herz mit Beccs Namen darin deutlich sehen konnte.
„Ich verstehe das irgendwie so, als würdest du mir deinen Segen geben..." Ich streckte die Hand aus und fuhr über die Linien des Herzens. Dann hob ich den Blick und sah in seine blauen Augen.
„Tu ihr nicht weh," sagte ich leise.
Der zweitälteste Hanson Bruder lehnte sich zurück und ließ sein T-Shirt wieder los. Dann sagte er schlicht: „Niemals."
Kurz danach wurde es voll im Wohnzimmer. Die anderen drei gesellten sich zu uns, und Luke stand vom Couchtisch auf, um sich in einen der Sessel zu fletzen.
Wir würden ungestört sein. Mama und Jason waren nach wie vor mit dem zusammenflicken der Karambolage-Opfer zu Gange und Becc traf sich heute morgen mit ihrem Onkel, dem Richter - nicht dem Hippie - um das weitere Vorgehen in ihrem Fall, den grabschenden Ex-Boss angehend zu besprechen.
Wortlos stellte Alex einen Becher heißer Schokolade vor mir hin, den ich sofort misstrauisch beäugte. Er grinste, als er meinen Blick sah, dann hob er die flüssige Sünde an die Lippen und trank einen großen Schluck. Dann zwinkerte er mir zu und nahm neben mir Platz. Eine Zeit lang herrschte Stille und ich begann nervös mit dem rechten Bein zu wackeln.
Eine große warme Hand legte sich auf mein Knie und zwang mich, die Bewegung einzustellen. Um einen weiteren Moment Zeit zu schinden, griff ich nach der Tasse und trank die cremige Köstlichkeit voller Genuss aus. Dann seufzte ich leise, griff nach einem Kissen und schlang die Arme darum.
Leander faltete die Hände und lehnte sich nach vorne. Seine dunklen Augen suchten meine, dann räusperte er sich und sagte: „Es tut mir leid."
Ok, warte... WAS?
Ich musste noch schlafen... und träumen!
Leander Hanson hatte sich entschuldigt... er hatte sich ENTSCHULDIGT! Bei mir!
Ich holte mein Handy aus der hinteren Hosentasche und suchte die Diktierfunktion.
„Kannst du das wiederholen? Ich hab es akustisch nicht so ganz mitbekommen."
Bob grinste frech und antwortete: „Mein liebstes, kleines Prinzesschen... es tut mir leid!"
Ich schmunzelte und legte das Telefon auf den Couchtisch.
„Also..." Alex drehte sich leicht und zog ein Bein an, so dass er nun mir zu gewandt saß.
„Erklärst du uns, was dieser kleine Spaß Serie sollte? Ich dachte, wir wären mittlerweile auf einem recht guten Weg."
Ich lächelte und sagte: „Das sind wir. Diese Spaß Serie war quasi meine Abschiedstour. Als ich hier ankam und festgestellt habe, wer für den Rest meines Lebens zu meiner Familie gehören wird, wollte ich euch ein bisschen von der Medizin zu schlucken geben, die ich von euch in der Highschool bekommen hab. Und.. naja... diese vier Streiche waren irgendwie noch übrig. Und es war doch schade drum, wenn wenn ich sie euch nicht gespielt hätte." Ich wandte mich Malik zu und sagte: „Das ist nicht deine richtige Tastatur. Die ist in meinem Zimmer unterm Bett."
Der jüngste der Viererbande grinste und sagte: „Hab ich mir irgendwie schon gedacht...  mein Computer hat eine schwarze Tastatur und diese hier ist eindeutig weiß. Die Idee war aber echt gut! Tessa hat sich heute Morgen halb schief gelacht..."
Na, wenigstens war die Quietschkugel somit gut in den Tag gestartet.
„Es war ein ziemlicher Schock für mich, dass ihr auf einmal wieder in meinem Leben wart. Ich hatte eine Zeit lang echt gehofft, euch nie wiederzusehen. Und dann... dann hat Alex mir die Tür geöffnet und... meine ganze Welt hat sich auf den Kopf gestellt. Ich habe euch viele Jahre lang abgrundtief gehasst. Ich hätte nie gedacht, das ist einen Weg davon zurückgibt... Aber ich möchte nicht mehr mit diesen Hassgefühlen leben. Es ist eine Sache, ein paar Streiche zu spielen oder ein paar dumme Scherze von sich zu geben, aber ich möchte nicht mehr hassen - ich möchte EUCH nicht mehr hassen. Also denke ich, wenn ihr auch dazu bereit seid... und ich denke das seid ihr, lassen wir die Highschool jetzt einfach hinter uns und schließen mit der Vergangenheit ab."
Die vier Männer waren still. Genauer gesagt war das ganze Haus so still, dass ich eine Stecknadel im dritten Stock hätte fallen hören können. Und dann sagte Luke: „Nicht nur Leander tut es leid, Juni. Wir waren allesamt dämliche, großkotzige und schwanzgesteuerte, junge Vollidioten. Nicht dass wir jetzt nicht mehr schwanzgesteuert sind... aber jetzt sind wir erwachsen. Und wir haben bereits bevor Dad deine Mutter kennengelernt hat, angefangen unser Verhalten von früher zu reflektieren. Was wir dir angetan haben war schlichtweg grausam und ich schwöre, wir werden es von nun an besser machen als deine Brüder."
Alex grunzte leise und sagte: „Ich werde es nicht als dein Bruder besser machen. Juna... ich will mehr sein! Mehr von dir haben..."
Leander hob fragend eine Augenbraue: „Verdammt... was habe ich nicht mitbekommen?" Wir anderen vier schüttelten ungläubig die Köpfe.
„Echt jetzt? Bist du eigentlich blind? Schlägt das Alter schon bei dir an? Brauchst du eine Brille?" Malik rieb sich die Schläfen und setzte hinzu: „Die beiden sind in einander verknallt! Aus Juni, unserem Stiefschwesterchen wird vielleicht bald Juni, unsere kleine Schwägerin!"
Leanders Augen wurden groß, dann begann er zu grinsen. „Nee, echt jetzt? Wie geil ist da denn bitte?" Alex schmunzelte, zog mich auf seinen Schoß und flüsterte mir ins Ohr: „Ja, wie geil ist das denn bitte?"
Dann senkte er den Kopf und presste seine Lippen auf meine und die Welt stand still, während er mit die Seele aus dem Leib küsste...

Meine vier Stiefbrüder und ichWo Geschichten leben. Entdecke jetzt