Kapitel 31

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ALL DIE ERLEBNISSE, die er bereits auf der Welt verbracht hatte, schienen an Schimmerfrost vorbeizuziehen. Die Tage, an denen er mit seinem Vater Fuchsangriff gespielt hatte, oder der Tag wo Glanzfeder erkannt hatte, dass es ihr Traum war, Heilerin zu werden. Seine erste Nacht als Schüler. Die Tage, die er gemeinsam mit Weidenfunke verbringen durfte. Als er ihm auf dem Rückweg einer Versammlung nähergekommen war. Die wunderbaren Stunden mit Blattflug, aber auch der Tag, an dem sie ging, waren in seinem Gedächtnis. Auch der Zeitpunkt seiner Kriegerzeremonie war besonders in seinem Kopf. Elsternstern würde er nie vergessen. Sie hatte immer alles gegeben, damit es ihrem Clan gut ging. „Und eines Tages wirst du einer sein.", ihre letzten Worte an Schimmerfrost, auf seinen Satz, dass sie eine großartige Anführerin gewesen sei. Nach ihrem Tod hatte er nicht viel darüber nachgedacht, was sie damit meinte, oder ob es wirklich von Bedeutung sei, was sie sagte, aber jetzt schien es wahr zu werden.

„I-ich?", stotterte Schimmerfrost verwirrt. Er hatte noch nicht einmal seine Schülerin Federpfote ganz fertig ausgebildet. Das konnte nicht sein! „Ja, du, mein Sohn. Auch wenn deine Clangefährten nichts von deinem bedeutenden Schicksal wissen, eines Tages werden sie das. Glaub mir eins – du wirst für immer in der Geschichte der Clans stehen. Ich frage dich noch einmal: Nimmst du das Amt an? Du wirst den Clan besser führen als ich, da bin ich mir sicher. Ich bin zufrieden, wenn ich überhaupt noch der Kriegerstellung würdig bin." „Schimmerfrost, ich denke es ist Zeit, „Ja", zu sagen.", flüsterte ihm seine Gefährtin liebevoll ins Ohr, dass es ihm fast das Herz brach. Sie hatte Tannenweide gemocht und er war wie ein Vater für sie gewesen. Schimmerfrost schloss die Augen und nickte. 

„Ich werde mich der Rolle des Anführers fügen." Dieser Satz schien in seinem Leben wie ein neuer Abschnitt. Er würde sein jetziges Leben aufgeben und neun neue leben. Sein Vater kam zu ihm und berührte kurz mit seiner Nase die von Schimmerfrost. Dann trat Birkenstern einen Schritt zurück und wand sich seinem Clan zu. „Ich möchte, dass ihr Schimmerfrost als euren neuen Anführer willkommen heißt und euch meinem Wunsch fügt, das Amt des Anführers an meinen Sohn weiterzugeben, weil ich mich nicht mehr bereit fühle, diesen Clan zu führen." Der NebelClan wusste zuerst nicht, was er tun solle, bis einige Katzen begannen, den Namen von Tannenweide, Birkenstern und schließlich auch Schimmerfrost zu rufen. „Tannenweide, Birkenstern, Schimmerfrost, Tannenweide, Birkenstern, Schimmerfrost!"

 Schimmerfrost glaubte kurzzeitig zu träumen. Niemals hätte er geglaubt Anführer zu werden. Wie sollt er das überhaupt tun? Die Rolle eines Anführers war so groß und einschüchternd... so fern für Schimmerfrost. Und doch war es für ihn an der Zeit, den Clan zu führen. Tannenweide war einen schrecklichen Tod gestorben, den keine Katze verdient hatte. Schimmerfrost wusste, welche Schuldgefühle nun sein Vater in seinem Herzen tragen musste, das war ebenso schrecklich. Er würde ihm aber verzeihen, dass schwor sich Schimmerfrost. Vielleicht nicht jetzt sofort, aber bald genug. Die Katzen verstummten und die Rufe verklangen. Keiner wusste, was er noch sagen konnte. Die ungesagten Worte schienen alles von selbst zu klären. „Du wirst dem Clan ein guter Anführer werden. Noch Blattwechsel nach deinem Tod wird man über dich erzählen.", murmelte Blütental mit so viel Liebe in ihrer Stimme, wie es Schimmerfrost nur von ihr kannte. Er vergrub seine Schnauze tief in ihrem Fell. 

Er konnte einfach nicht realisieren, was hier passierte. So viele Ereignisse stürzten gerade über ihn ein. Ein Wirbelsturm schien seine Gedanken durcheinander zu bringen und sie schienen fast unmöglich zu sortieren. „Du kannst das.", flüsterte eine vertraute Stimme in sein Ohr. Schneeherz! Sie vertraute ihm und stand auf seiner Seite.

„Schimmerfrost! Geh nicht morgen mit Birkenstern und Glanzfeder zur Grenze! Zapfennacht wird angreifen! Er hat bösartige Katzen, die ihm und dem HimmelClan helfen, sie sind mehr als du dir denken kannst! Sie wollen heute auf der Versammlung angreifen, bitte bereite deine Katzen für einen Kampf vor, sie zählen auf dich und womöglich werden sie auch das Lager angreifen, es ist zu riskant, wenn du erst kurz vor der Versammlung zurückkommst, vertrau mir!", Schimmerfrost glaubte, Schneeherz Stimme noch nie so eindringlich gehört zu haben. Schimmerfrost sah sich um. Er befand sich auf der Lichtung im SternenClan, wo er das erste Mal geträumt hatte. „Das heißt, die Prophezeiung erfüllt sich...?", fragte er mit einem Stich im Herzen. Er hatte gehofft, dass es nie so weit kommen würde. „Ja, aber wie, das kann ich dir leider nicht beantworten, weil es der SternenClan genauso wenig weiß. Eins ist aber wichtig – hör auf dein Herz und du wirst im richtigen Moment wissen, was passiert. Der LaubClan und der BaumClan wissen Bescheid. Schattenhelle hat ihren Heilern eine Botschaft zukommen lassen. Glaub mir. Vergiss für einen Moment die Sorgen um alles andere. Sie – „, Schneeherz deutete in die Ferne, auf zwei Katzen. Die Schwänze ineinander verschlungen liefen sie einen Hügel hinauf. Tannenweide und Moosfeder. Ihnen geht es gut. „Konzentriere dich auf die Zukunft, aber noch wichtiger ist das „jetzt", vergiss das nie." Schimmerfrost wollte schon nachhacken, was sie genau meinte, aber sie löste sich im nächsten Moment auf. Schimmerfrost nahm gerade noch ein leises „Bitte" von ihr wahr, bis sie verschwand, sowie die Welt um ihn herum.

„Schimmerfrost, wir müssen los!", Glanzfeder weckte ihn energisch. Schimmerfrost öffnete blinzelnd die Augen und erinnerte sich an seinen Traum und schüttelte den Kopf. „Ich habe etwas zu verkünden." Ohne ihr weiter Beachtung zu schenken, lief er aus dem Bau und sprang auf den Hochfelsen. Zum ersten Mal sah er von oben auf die Lichtung herab und nicht umgekehrt. „Alle Katzen die alt genug sind, um Beute zu jagen und die, die es bald können werden, mögen sich hier zu versammeln!", sein Ruf schallte über die Lichtung und die Katzen kamen aus ihren Bauen. Tannenweide lag noch in der Mitte der Lichtung. Er würde später begraben werden.

 „Uns stehen harte Zeiten bevor.", begann er seine Rede und musste seine eigene Angst verbergen. „Ich habe eine Botschaft des SternenClans erhalten. Der HimmelClan wird heute bei der Großen Versammlung angreifen. Sie haben Katzen erworben, die ihnen helfen und sie werden ohne dem Gesetz der Krieger kämpfen. Es gibt in diesem Clan ein Vermächtnis und es wird heute aus den Schatten springen. Ein Kater – ihr Zweiter Anführer ist das pure Böse und will alle Macht an sich reißen. Vielleicht gelingt ihm das auch heute." Er machte eine kurze Pause und entsetzen brach auf der Lichtung aus. Jeder war geschockt und schüttelte den Kopf, andere fuhren wütend ihre Krallen aus und vergruben sie im sandigen Lagerboden. „Wir müssen vorbereitet sein. Ich weiß, dass gestern Tannenweide von uns gegangen ist, aber ihm geht es gut und wir werden nicht schwach sein dürfen – sonst gehen wir da nicht leben wieder aus dem Kampf. Spürt dort all die Wut, alles an Rache, dass ihr je empfunden habt und kämpft! Kämpft, wie ihr es noch nie getan habt!" Sein Ruf war laut und der Clan gab ihm Beifall. „Diese räudigen Krähenfraßfresser! Was bilden die sich ein!"

 „Wir müssen kämpfen – das werden wir!" „Der NebelClan wird Stärke zeigen wie nie!" Schimmerfrost beobachtete den Clan voller Stolz. Das war ein starker Clan. Federpfotes und Moospfotes Augen leuchteten besonders hell und willensstark. Die beiden wollten wohl ihren Vater rächen. „Der BaumClan und der LaubClan wissen Bescheid. Vom Rest weiß ich und der SternenClan selbst auch nicht. Seit auf alles vorbereitet – das wird ein Kampf werden, in dem es um Leben und Tod geht! Das Lager wird von ein paar Katzen bewacht, aber den größten Teil brauche ich zum Kämpfen." Schimmersterns Blick wanderte über die Menge. „Tauhimmel und Mondkralle werden das Lager bewachen. Ansonsten bleibt natürlich Igelfell, Funkenfell und Honigstreif im Lager!" 

Er hatte bemerkt, dass die Kätzin Junge erwartete und wollte sie nicht gefährden. „Alle anderen dürfen in den Kampf ziehen!" „Ja!" „Denen zeigen wir es!" Noch lange war der Clan damit beschäftigt sich zu motivieren und zu stärken. Funkenfell saß neben Igelfell. Die Heilerin war gebrechlich geworden und Schimmerfrost zog es vor, wenn nur Glanzfeder sich in der Nähe des Versammlungsortes mit Kräutern aufhielt, weil diese sich in Not verteidigen konnte. Funkenfell selbst sah ein, dass sie zu alt dafür war. Schimmerfrost sprang vom Hochfelsen. Jetzt war es an der Zeit zu warten.

Schimmersterns Schicksal ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt