Kapitel 28

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SCHIMMERFROST GENOSS DIE letzten Sonnenstrahlen auf seinem Fell. Neben ihm lag Blütental an ihn geschmiegt. Mittlerweile wusste der Clan davon, dass sie seine Gefährtin war. Der Schlangenangriff lag nun fast einen Mond zurück, aber Birkenstern hatte trotzdem beschlossen, dass es besser sei, dass vorerst die Rattenfelsen gemieden wurden. Wenn es dort mehr Schlangen gab, konnte das vermutlich zu tödlichen Unfällen führen. „Holt schnell Glanzfeder und Funkenfell! Grauohr geht es gar nicht gut!" Igelfell kam keuchend aus dem Ältestenbau gestürmt. 

Glanzfeder und Funkenfell wollten sich gerade auf zum Mondsee machen, weil es Halbmond und somit Zeit für ein Heilertreffen war. „Ich komme, hol du Kräuter!", rief Funkenfell ihrer Schülerin zu. Eine Spur grauer Haare war auf der Schnauze der alten Heilerin zu sehen und das versetzte Schimmerfrost einen Stich. Grauohr machte ihm aber momentan mehr Sorgen. Der alte Kater war liebevoll und kümmerte sich immer herzig um die Jungen. Er war die größte Hilfe für die Königinnen in der Kinderstube. Sie durften ihn nicht verlieren. Glanzfell kam mit Kräutern zurück und schlüpfte zu ihrer Mentorin in den Bau. 

Schimmerfrosts Schnurrhaare zuckten, er würde so gerne wissen, wie es dem Kater ging. Die Stimmung wurde bedrückter, als aus dem Bau ein Husten drang und dann Stille. „Grauohr! Nein!" Igelfells Heulen war zu hören und Schimmerfrost versetzte es einen Stich in die Brust. Er wusste, dass es für Grauohr keine Chancen mehr gab. Es war vorbei. Schimmerfrost sprang auf und sah zu Glanzfell und Funkenfell, die aus dem Heilerbau traten. „Lebt er?", fragte Tauhimmel mit hoffnungsvoller Stimme. Grauohr war ihr Vater. Funkenfell schüttelte kaum merklich den Kopf. 

„Nein! Nicht er! Erst Lärchenherz und dann mein Vater! SternenClan, warum?" Sie brach zusammen. Schimmerfrost Sicht verschwamm für einen Augenblick und er glaubte zu ertrinken. Welches Leid diese Kätzin erleben musste. Das war nicht gerecht! Aus der Miene seiner Gefährtin war ebenfalls jede Freude gewichen. Birkenstern sprang gerade auf den Hochfelsen, als ein paar Katzen Tauhimmel aufhalfen, die noch immer komplett in ihren Gedanken und des Schocks gefangen war. Auch Minznase schien es nicht sonderlich gut zu gehen. Der Kater war allgemein nicht mehr so, wie er einmal als Junges und als junger Schüler war. Früher war er ein aufgeweckter Kater, der oft tollpatschig war. Gerne half er den Kriegern und bewunderte sie mit staunen. In dieser Zeit jedoch, waren all diese Dinge, die ihn einmal ausmachten, verschwunden. Er war in sich gekehrt und sprach selten. Meist verbrachte er die Zeit allein im Wald beim Jagen. 

Traurig stand er nun neben seiner Mutter. Bestimmt denkt er an seinen verstorbenen Bruder und seine Schwester im HimmelClan. Die beiden müssen ihm unheimlich fehlen. Schimmerfrost dachte dran, wie schrecklich sein Leben wohl ohne Glanzfeder sein würde. „Bitte beruhigt euch!", rief Birkenstern mit fester Stimme den Katzen vom Felsen herunter. Die Katzen verstummten und sahen mit leeren Blicken zu ihrem Anführer. Unter dem Hochfelsen stand Tannenweide, der zweite Anführer.

 Er hatte sich seiner neuen Rolle perfekt gefügt und war endlich wieder der Alte. „Grauohr ist von uns gegangen, es geht ihm im SternenClan aber gut. Er wird einen Platz zum Schlafen haben und etwas zu Fressen. Danken wir ihm, für seine Treue dem NebelClan gegenüber!" Die Katzen auf der Lichtung nickten und gemeinsam riefen sie den Namen des Katers in den untergehenden Himmel hinein. 

„Grauohr, Grauohr, Grauohr!" Schimmerfrost blickte in den Wolkenlosen Himmel und sammelte all seine Hoffnung. Dunkle Zweiten standen bevor und so musste er die Hellen noch genießen. Sein Vater sprang vom Felsen und flüsterte etwas in Tannenweides Ohr. Der braune Kater nickte und gemeinsam gingen sie in den Bau des Anführers. Schimmerfrost wollte wissen, was die zwei besprachen, hielt sich aber zurück. „Komm, lass uns ein bisschen Spazieren gehen. Frische Luft wird unsere Gedanken sortieren.", wies seine Gefährtin ihn auf. Stumm und noch immer mit Schmerzen in der Brust, folgte Schimmerfrost Blütental. Eine Weile liefen die beiden schweigend nebeneinander. Niemand von ihnen sagte ein Wort, die Stille sagte alles zwischen ihnen. „Weißt du, dass manche Katzen von diesem Ort hier gehen müssen, um anderen den Platz zu bieten?" Blütentals leises Überlegen brach die Stille. Schimmerfrost hielt inne. „Wie meinst du das?" Blütental setzte über einen umgefallenen Baum hinweg und Schimmerfrost folgte ihr. „Ich meine damit, dass niemand ewig leben kann, allein schon deswegen, weil es sonst irgendwann überfüllt von Katzen wäre. Die Welt würde untergehen. Niemand lebt ewig, aber jeder lebt. Auch wenn er irgendwann seinen Platz für jemand anders hergeben muss."

 Jetzt verstand Schimmerfrost, was seine Gefährtin sagen wollte, und er nickte. „Du meinst also, dass irgendwo gerade eine Katze geboren ist, auf dem Platz von Grauohr?" „So ungefähr. Es muss nicht jetzt genau jemand geboren sein, aber Grauohr hat Platz für andere Katzen geschaffen." Schimmerfrost blieb stehen. „Du hast recht. So habe ich noch nie über den Tod nachgedacht." Der weiße Kater blickte in den Himmel, der zwischen den Nadelbäumen hindurch lugte. „Es geht ihm bestimmt gut dort oben.", flüsterte er. Blütental schmiegte ihren Kopf an seinen. „Bestimmt. Lass uns zur Blumenlichtung gehen und schauen ob wir ein bisschen Beute finden." Schimmerfrost nickte und begann zu laufen. „Wer zuletzt dort ist, ist ein lahmer Igel!" Blütental kniff die Augen spielerisch zusammen und preschte ihm voller Energie nach.

„Das war schön.", flüsterte Blütental in sein Ohr, als Schimmerfrost und sie mit zwei Mäusen ins Lager schlüpften. Die Sonne war längst untergegangen und es war ruhig auf der Lichtung. Schimmerfrost leckte ihr kurz übers Ohr, bevor sie im Kriegerbau verschwand. Er wollte selbst noch schnell zum Schmutzplatz, doch eine Stimme hielt ihn auf. „He, Schimmerfrost, ich habe geträumt!", Palmenmond tappte aufgewühlt zu ihm. Er musste gerade den Kriegerbau verlassen haben. Erstaunt spitzte Schimmerfrost die Ohren. „Was genau?" „Ich habe von einem Kampf geträumt! Er war brutaler als ein Kampf sein dürfte. Außerdem habe ich einen Fluss gesehen... er war rot." 

Schimmerfrost schluckte und schloss für einen Moment die Augen. Jetzt träumte auch schon Palmenmond von der Prophezeiung. „Nein. Das, was du gesehen hast, ist die ungefähre Zukunft. Ich nehme an, du hast auch einen Kater gesehen?" Palmenmond nickte zur Bestätigung. Leicht verängstig flüsterte er: „Ist das Zapfennacht?" Schimmerfrost sah zu Boden und zuckte mit den Ohren. „Ja. Ich mache mir Sorgen um Blattflug. Sie lebt jetzt ja im HimmelClan und Spinnenpelz ist ihr Gefährte. Sie wird bestimmt auch viel mit Zapfennacht zu tun haben, weil er der Bruder von Spinnenpelz ist." Palmenmond legte den Kopf schief. „Vielleicht könnten wir genau das zu unserem Vorteil nutzen. Blattflug könnte für uns spionieren." 

Etwas überrascht kniff Schimmerfrost die Augen zusammen. „Ich weiß nicht. Wir könnten morgen zur Grenze und abwarten, ob wir sie alleine erwischen. Ich hoffe nur, dass das nicht rauskommt..." Palmenmond nickte und ging in den Bau, um weiter zu schlafen. Schimmerfrost machte sich auf zum Schmutzplatz und kam einen Augenblick später wieder auf die Lichtung. Dort standen nun eine völlig verängstigte Blütental und ein verwirrter Weidenfunke. „Schimmerfrost, wir haben geträumt!", empfing ihn Weidenfunke. Oh nein, nicht auch noch die beiden!

Schimmersterns Schicksal ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt