Kapitel 7: Sonst passiert was!

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Wir sitzen keine drei Minuten im Auto und Roxas Gesicht klebt schon schlafend an der Fensterscheibe. Heute habe ich sogar etwas mit ihnen geredet, wenn man es so nennen kann. Zufrieden sehe ich aus dem Fenster. 'Sind wir Freunde?'
Meine erste Worte ohne Stotterei, welche ich je zu jemand außerfamiliären gesagt habe. Zum ersten mal habe ich auch nicht darüber nachgedacht, was andere über mich denken könnten.
Das ist wirklich ein Grund stolz auf mich selbst zu sein! Und Roxas ist es auch. Immer tätschelt er mir wie einem Hund über den Kopf, aber das ist okay. Ich mag es.

Auch mir legt die Müdigkeit die Arme schwer um meine Schultern und umarmt mich, doch ich will hier im Auto eigentlich nicht einschlafen. Der Himmel hat bereits das Rot des Abends erreicht und Jayden scheint der einzige zu sein, der von uns nicht gleich dem Tiefschlaf verfällt. Mir fallen nach und nach die Augen zu, ich träume mich einfach in meine heutigen Erinnerungen zurück. Wie wir am Tisch saßen und die beiden sich mit Sprudelwasser bekippt haben. Auch ich musste daran glauben, als würde ich dazu gehören. Zu den beiden ... Ich bin ihnen so dankbar, das habe ich mir schon so lange gewünscht ... Einfach mal nicht der Außenseiter zu sein ...

Ich öffne meine Augen, als das Auto zum stehen kommt und hebe langsam den Kopf an. Ich habe mich wohl an Roxas Schulter gelehnt, ohne es bemerkt zu haben. Der Junge schläft noch immer fest und friedlich an der Fensterscheibe. "Weck ihn", sagt Jay zu mir und öffnet den Kofferraum. "Er wohnt hier." Wach werdend sehe ich mich um und bemerke, dass wir uns außerhalb der Stadt befinden. Hier scheint ein kleines Dorf zu sein. Für die Stadt ist hier zu viel Grün und die Häuser sehen einfach anders aus. Ich berühre sanft Roxas Finger, will ihn irgendwie nicht wecken, wenn er so schläft. "Mhm", mache ich verneinend und sehe aus den Augenwinkeln zu Jay. "Na dann", murmelt er und schwingt sich Roxys Rucksack über den Rücken. Er geht zu einem kleinen, weißen Haus mit zwei Stufen vor der Haustür und klingelt. Ein Mann, etwa fuenfzig, öffnet ihm. Sie besprechen irgendetwas miteinander, bevor Jay den Rucksack vor die Tür stellt und der Mann - ich vermute Roxys Daddy - mit zum Auto kommt. Der Beifahrersitz wird nach vorne geschoben und der Mann schnallt Roxas vorsichtig ab, bevor er ihn von der vorderen Tür aus behutsam in die Arme nimmt. "Mh?", murrt Roxy kurz und öffnet ein müdes Auge, doch schließt es sofort wieder, als er in das Gesicht seines Papas schaut. Er legt die Arme um den Hals des Mannes und lässt sich aus dem Auto heben. "Tschüss", sagt der Mann im freundlichen Ton und trägt Roxy zur Tür, wo er auch mit dem Fuß noch den Rucksack nach innen schiebt, bevor er die Tür schließt. So ein liebevoller Vater ...
"Jetzt zu dir - wo wohnst du?", fragt Jay, während er sich wieder auf den Fahrersitz kehrt und den Motor anlässt. Ich nenne ihn meine Adresse mit meinen typischen Schwierigkeiten und bekomme ein wohliges Gefühl an den Gedanken zum heutigen Tag.

Grünköpfchen setzt mich vor meinen Haus ab und ich bedanke mich stotternd für den wunderbaren Tag. Er hat mich wirklich glücklich gemacht. "Kein Prob", sagt er gelassen und fährt anschließend davon.
Zufrieden und müde tapse ich in die Wohnung und werfe meine Tasche wie gewohnt wieder in die Ecke. Ich bleibe neben ihr stehen und sehe von der Seite auf sie herab. Heute bin ich sogar so gut gelaunt, dass ich sie nehme und für meine Mum auf den Stuhl lege ...

Auf den Weg in mein Zinmer treffe ich wieder das 12-jährige Monster. "Wo warst du?" Das Gelaber von kleinen Geschwistern - wie das Winseln eines verreckenden Tieres in den Ohren der älteren. Ich sehe auf mein Handgelenk, als ob ich auf eine Armbanduhr sehen würde und murre: "Solltest du nicht schon lange schlafen?" Mum schickt Caillou immer ziemlich früh in das Bett, weil er sehr lange zum Einschlafen braucht. Ich muss ihm nicht antworten. Meine Mum wusste per SMS wo ich war, er ist unwichtig. "Wieder bei deiner Freundin gewesen?"
Ich öffne weit die Arme und versuche möglichst gut das Gesicht einer fiesen Kreatur anzunehmen. "Pass auf was du sagst, sonst passiert was!"
Lachend stößt er mich kurz an, bevor er an mir vorbei rennt - meinetwegen, hauptsache er lässt mich in Ruhe.
Kaum bin ich aber im Zimmer verschwunden, steckt er wieder den Kopf zu mir herein. "Reza ist verliebt!"
"Raus!"

Ich schlendere zum ersten Mal mit Vorfreude im Herzen zur Schule. Vorfreude auf Roxy und auch auf Jayden.
Zu meiner Überraschung wartet der junge Mann schon am Eingang der Schule auf mich und hebt zum Winken seinen mit Lederbändern bedeckten Arm. Ein wohliges Kribbeln in meinen Bauch wird entfacht und er zaubert mir mir einem einfachen Arm-Herumgeschüttel ein Lachen auf die Lippen. Jede Pause wird Ligretto gespielt und endlich werden die Lustigmacher meiner Klassenkameraden egal, weil ich einen Platz gefunden habe, bei dem ich sein kann. Bei der Schülerhilfe! Manchmal kommen andere Schüler und suchen nach Unterstützung, doch Jay kümmert sich um sie. Der Emoboy ist auch öfters da, jedoch immer viel zu kurz.
"Hey, Reza", lächelt Roxy mir zu. "Magst du heute mit zu mir?"
Ja, verdammt!

Als es zum Schulschluss klingelt und ich mir die Tasche über die Schulter schwinge, um zu Roxas zu schlendern, stellt sich mir ein Junge namens Zachary in den Weg. Er und sein Freund gehören zu denen, die ich am meisten hasse. "N-n-n-na?", grinst er mich respektlos an und hat dieses freche Leuchten in seinen Augen, wegen welchen ich oft Angst hatte, in die Schule zu kommen. Ich sage einfach nichts und will an ihm vorbei, doch er geht einen Schritt zur Seite, so dass er mir den Weg versperrt. Nun gut, nehme ich die andere Seite der Tür, doch das Spielchen wiederholt sich. Böse starre ich den Wichser an. "K-k-k-könntest d-d-d-du ... b-bitte-e?", zische ich fast und bin erstaunt über meinen Ton. Zachary stellt sich mitten in die Tür und lehnt links und rechts seinen Arm gegen den Rahmen, um mir jegliches Durchkommen zu erschweren. Ich stehe als letztes in der Klasse, alle anderen lässt er durch.
"G-geh jetzt!" Er soll sich verpissen ... Mir ist nicht wohl, wenn er so etwas tut.
"Wo geht es denn nach der Schule wieder hin, R-r-r-r-reza? Hockst dich wieder zur Schwuchtel in den Wagen?" Er lacht und ich lausche auf, als er anfängt, von Roxas zu sprechen...

Loveletters (BoyxBoy, Yaoi)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt