Kapitel 34: Meer im Himmel

1.8K 186 33
                                    

Ist das jetzt völliger ernst? "Ich hoffe du hast Hunger, dich erwarten einige Gänge von unserem ganz privaten Koch!" Ich fass es nicht. Ich wusste gar nicht, dass man so etwas überhaupt machen kann. "Nehmt Platz", sagt der Koch und ich wundere mich kurz, dass er unsere Sprache kann. Verdutzt setze ich mich. Die haben hier extra hinter einer Wand eine Küche!? Roxas sieht mich verliebt an. "Gefällt es dir nicht?"
"Doch, aber ... es ist ... Es ist wie ein Traum, weißt du? Es gibt nichts auf der Welt, was ich mir noch wünschen könnte. Es ist so perfekt, dass es mir fast nicht wie die Realität erscheint, ich-..." Er legt den Zeigefinger auf meine Lippen und beugt sich über den Tisch. Roxy macht wie damals einen Fischmund und Knutschgeräusche. Ich muss grinsen und gebe ihm ein kurzes Küsschen, da setzt er sich wieder und streicht sich die Haare hinter das Ohr, die ihm sonst immer halb im Gesicht hängen. "Das hier ist die Realität."
Wir bekommen das erste Gericht und das Rad beginnt sich zu drehen. Langsam, sehr langsam, fährt es nach oben. Wir sind bei der Hauptspeise, als wie ganz oben angelangt sind und die Lichterstadt vom höchsten Punkt aus betrachten können. Roxy schiebt mir hinter dem Schein der Kerze eine Kette herüber. Ich nehme das Silber und schaue mir den Anhänger an. Er ist oval und Fragmente sind in ihm eingestanzt. "Mach' mal auf", sagt Roxas ganz stolz. Ich tue was er will und sehe ein gemeinsames Foto von uns in der rechten Hälfte. Im Deckel ist ein "Ich liebe dich für immer - Roxas" eingestanzt. Ich sehe zu ihm auf und fange an zu weinen. Mitten beim Essen auf dem höchsten Punkt der Insel. "Ist alles okay?", fragt mein Freund erschrocken und ich stehe auf, gehe mit feuchten Wangen um den Tisch und umarme den Jungen. Er erwidert, fragt jedoch gekränkt: "Warum weinst du? Hab ich was falsch gemacht?"
Ich schüttle den Kopf.
"Ich weine vor Glück."

Roxas drückt mich kurz von sich weg und sieht in meine grünen Augen. Er beginnt zu lächeln, es sagt: "Du bist das Beste, was mir je passiert ist."
Auch seine Augen verwandeln sich in Glas und die warmen Tränen rollen von seinen schmalen Wangen. "Und warum weinst du?", frage ich mit meinem schönsten Lächeln.
"Ich weine auch vor Glück!"

Er legt mir die Kette um den Hals und den Rest des Essens verbringen wir beide lachend und weinend gleichzeitig. Das ich so etwas erleben darf ... Ich, der Junge, der nie sprechen konnte, der immer dachte, er bräuchte niemanden.
Ich, der sich nicht einmal ein Eis bestellen konnte.
Ich, einfach ich.

Als wir auch die süße Nachspeise hinter uns haben, mit der wir uns eher dir ganze Zeit gegenseitig fütterten, gehen wir mit eingehakten Armen zurück zum Hotel. Wir fahren ganz nach oben und steigen am Dachgarten aus. Niemand von und sagt etwas, denn unsere Blicke sprechen für uns. Lautlose Glückseligkeit.
Das Dach hat einen 150 Meter langen Pool, der von Palmen umschwärmt wird. Er sieht aus wie ein Meer im Himmel. Man erkennt die Absperrung nicht, es sieht aus, als würde er einfach adrupt enden. Von hier oben kann man das Riesenrad sehen, von dem wir gekommen sind und auch andere Teile der Stadt.
Ich weiß nicht mehr, was es heißt, Unglück zu empfinden.
Morgen geht es los - irgendwo anders hin auf diese Welt. In das nächste, unvergessliche Erlebnis.

Nach einer Nacht meiner zweiten Liebe mit Roxas und einen wirklich königlichen Frühstück sitzen wir wieder im Flieger und winken der Insel meiner Träume. "Wohin geht es als nächstes?", frage ich grinsend.
Die Antworr ist Japan. Wir verbringen überall nur wenige Tage, doch das ist nicht schlimm. Wir lernen andere Kulturen kennen und die vollen U-Bahnen. Roxas macht seine Liste wahr und zieht mich in ein japanisches Cafe, wo eine süße Kellnerin mit weißer Spitzenschürze zu uns kommt und sich auf Englisch mit uns verständigt. Wir setzen uns und bekommen einen Milchshake, doch hier geht es nicht um das Essen oder Trinken, sondern um Katzen streicheln! Gefühlte hundert Miezen schnurren um unsere Beine und andere Besucher legen sich vor die Kratzbäume, um all die süßen Kätzchen zu streicheln. Wir gehen durch Einkaufshäuser mit künstlichen Sternenhimmeln, Roxas zieht mir nicht selten das Blatt einer Kirschblüte aus dem Haar.

"Ist das Leben nicht schön?", flüstert Roxy mir im Heißluftballon über den weiten Landschaften zu. Ich nicke, war noch nie so glücklich. "Schau dir die Welt an", gibt er zurück und sieht verträumt auf die Blumenfelder unter uns. "Jede Blume, jedes Tier ... Alles wunderschön. Auch Spinnen oder andere Tiere! Sie machen die Welt perfekt und zu dem, was sie ist." Er seufzt entspannt und schließt die Augen im sanften Wind. "Ich wünschte, ich könnte ewig mit dir hier durch die Welt reisen und wirklich alles tun, was ich will."
"Tust du nicht schon mehr, als es verständlich ist?"
"Ja."

In Amerika im 4D-Kino mit Luft und Wasser angespritzt und vom Schwan im Schloss zerfleischt werden, einen Krabbenburger essen, eine Kuchenschlacht hinter sich bringen und am Ende das süße Zeug vom Gesicht des jeweils anderen lecken.
Paint-Ball mit hohen Niveau, ein Porträt des jeweils anderen malen unf verkacken ... Ich habe Roxy übrigens einen Schnauzer gegeben, hehe ...
Das alles und so viele weitere Sachen.
Die besten Ferien, die ich je hatte.

"Wir haben fast alles", flüstert Roxas mir zu, während wir ein bisschen Hand in Hand durch den Wald wandern. "Die Ferien sind auch fast vorbei. Bist du traurig deswegen?"
Er nickt. "Aber so schlimm ist es nicht. Das waren die schönsten Wochen, die ich je hatte." Ich lächle ihm zu. "Obwohl du schon wieder geheult hast", necke ich ihn und er schnippt mir sanft an den Kopf. "Du auch."
Ich setze mich auf das Moos an einer der Bäume und ziehe Roxas neben mich. Ich lächle ihn an. "Du sagst so oft, dass das Leben schön ist", bemerke ich und schließe entspannt die Augen, während ich die frische Luft genieße. "Ist es auch."
"Hast du eigentlich Angst vor dem Tod? Denkst du zu sterben zu weh?"
Roxas schweigt kurz und lehnt sich gegen mich. "...Ja", flüstert er mir zurück. "Ich denke zu sterben tut sehr weh, je nachdem, wie man stirbt. Und ich habe ... große Angst davor. Ich weiß nicht, was danach ist, verstehst du? Ist da das Nichts, ist da neues Leben? Ist man im Paradies oder gibt es wirklich eine Hölle? Ich ... ich habe Angst, dass es das Nichts ist. Dass man weder glücklich, noch traurig sein kann. Dass man nichts mehr fühlt, weil man nicht mehr lebt, nichts mehr sieht ... und nichts mehr hört."
Ich verziehe die Mundwinkel und sehe zu Roxy. Tränen laufen über seine Wangen, doch dieses mal sieht er nicht glücklich aus. "Hey", flüstere ich und halte seine Hand. "Nicht weinen, bis dahin ist doch noch eine ganz lange Zeit."
Roxas sieht mich traurig an und weint still weiter. Mir kommt es vor, als wären meine Worte nur wie ein Messer gewesen. "Hey, alles ist gut." Ich stecke seinen Kopf unter meinen Hals und streichle über das weiche Haar. "Ich will nicht sterben." - "Du stirbst auch so schnell nicht, Kleiner."
Wir verweilen so eine kurze Weile, bis er sich wieder von mir löst und mich anlächelt. "Stimmt... Ich habe nur so große Angst vor Unfällen oder ähnliches ..." - "Dir passiert das nicht. Keinem von uns beiden."
"Ich würde gerne etwas hinterlassen, wenn ich irgendwann sterbe", erzählt er dann weiter und trocknet seine Tränen. Langsam kommen sie mir wieder selbst. Ich hasse es, ihn so zu sehen. "Ich will, dass jemand da ist, dem ich geholfen habe. Ich will Menschen zu meinen Lebzeiten glücklich machen und ich will, dass man sich an mich erinnert. Ich will, dass es jemanden gibt, der sagt: 'Und du wirst für immer ein Teil von mir sein.'" Ich umarme ihn kurz und gebe ihm einen sanften Kuss.
"Dann hast du ja schon mich."

Loveletters (BoyxBoy, Yaoi)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt