Kapitel 8: "K-kopf hoch"

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Wäre ich nicht so ein Außenseiter, dann hätte ich Roxas schon vor der Schülerhilfe gekannt. Anscheinend kennen ihn dafür Zachary und die anderen, wenn sie von seiner sexuellen Neigung wissen. Schwuchtel, was für ein beschissenes Wort aus dem Maul einer beschissenen Person. Diese Fehlgeburt soll jetzt einfach Platz machen und mich durch lassen, statt große Reden über Roxas zu schwingen. "Mh!", stoße ich wütend heraus und will Zachary am Arm von der Tür wegziehen, um der Situation so schnell wie möglich zu entkommen, doch plötzlich schubst er mich nach hinten. Wütend starre ich ihn an. Dieser Spast. "Weißt du, R-r-r-r-reza, ich habe dich ja schon immer für eine minderwertige Kreatur gehalten, aber dass selbst du dich mit so einer Person abgibst, dass ist wirklich ... Ach, ich finde keine Worte." Schön, dann halt dein Maul, du Volldepp. Wärst du nicht so ein mitleidigender Wurm und ich viel zu nett zu den Leuten, dann hättest du schon längst mehrere Schläge in deine hässliche Visage bekommen, Hurensohn. Ich verschränke die Arme und weiß genau, dass ich ihn niemals schlagen würde. Manchmal habe ich meine Peiniger schon am Kragen gehabt, doch als sich die Angst in ihren Augen wiederspiegelte habe ich immer wieder los gelassen, ohne ihnen weh zu tun. Die Folge war, dass sie mir keine zehn Sekunden später an das Bein getreten haben, diese Wichser. Eigentlich müsste ich jeden intoleranten Wesen auf dieser Welt mit hundert Kilometer pro Stunde in ihre Gesichter fassen. "Kannst du Mister Arschfick berichten, dass ich seine Mutter gefickt habe?"

Es reicht langsam, Mister Dumm-Dumm. Wie war das noch einmal in so einem Lied? Deine B.I.R.N.E ist total H.O.H.L! Lass mich jetzt in Ruhe!

Ich sage nichts zu dem sinnlosen Gelaber meines Peinigers. Es ist schon komisch, dass ich ihn einfach nur hasse, statt wie sonst Angst zu haben. Doch umso besser, so mache ich mir wenigstens keine Gedanken darum, ob er mir weh tun könnte oder nicht. "Oh mann, du bist so langweilig. Wenn ich du wäre, würde ich mir Sorgen machen."

Und wenn ich du wäre, wäre ich gerne wieder ich, du Bordstein-Schlampe.

Er denkt wohl er ist der King, aber das ist er nicht. Wieso labert er das überhaupt? Seine Freunde, oder wie auch immer man sie nennen kann, sind gar nicht zum imponieren da. "So macht es echt keinen Spaß eine Unterhaltung mit dir zu versuchen ... Stotti."

Wir schweigen und starren uns eine Zeit lang an, bis er sich einfach weg dreht. "Na ja, auf mich warten wichtigere Dinge, R-r-r-rezalein." Er winkt mir übertrieben, als wäre ich blind, und verschwindet aus der Tür.

Richtig unnötige Aktion mal wieder, Kackvogel-Zachary.

Ich muss zugeben, dieser Wichser hat bei mir einen bitteren Beigeschmack hinterlassen. Mit der roten Karotasche wandere ich die leeren Flure der Schule hinunter und treffe Roxy am Ausgang. "Hey", begrüßt er mich fröhlich und schenkt mir eine seiner Umarmungen. Roxy streicht mir dabei sanft über die Schulter und die Berührungen machen mir gar nichts mehr aus, im Gegenteil. Ich verstecke für die kurze Sekunde der Umschlossenheit mein Gesicht in seiner Halsgrube und halte mich an seiner Schulter fest. "H-hey", erwidere ich schüchtern und lasse meine Hände an Roxas Schultern, obwohl er mich bereits wieder los lässt. Ohne etwas zu sagen verharren wir kurz und ich begreife kurzzeitig gar nicht, wie ich Roxas eigentlich angrabsche. "T-t-tut m-mir Leid..", flüstere ich und gleite mit den Händen über seine Brust und die Lederbänder, um sie herunter zu nehmen. Bei der Umarmung hatte ich einfach das Gefühl von Vertrautheit, so dass ich es gar nicht gemerkt habe ... Aber ihn zu berühren hat meinen Händen das Gefühl von Zuhause gegeben. "Was tut dir Leid?", grinst er mich an und zieht mich am Arm zur Bushaltestelle. "Ich freu mich schon so, dir zu zeigen wie ich lebe." Roxas strahlt wirklich und steckt mich mit dem Glück an. Ich schließe kurz meine Augen und atme tief durch. Ich kann es noch immer kaum fassen, endlich einen echten Freund gefunden zu haben!
Und dann auch noch so einen coolen!
Ich sehe wieder glücklich lächelnd zu Roxy, doch plötzlich ist all die Freude aus seinem Gesicht gewischen. Sein Blick schaut mit in Schmerz getauchten Augen an den Eingang der Schule, wo die letzten Schüler den Ort des Lernens verlassen. Was sieht er denn? Ich sehe nichts besonderes. Ein paar Mädchen, welche nicht schwer zu erkennen aus der Kunst-AG kommen, da sie große Leinwände herumschleppen, zwei Jungen, die beim jeweils anderen eingehakt den Weg die Straße herunter gehen und einige Schüler, welche schon fast beim Gehen einnicken. Halt, warte ... Die beiden Jungen ...
Ich sehe wieder zu Roxy, doch er starrt die beiden noch immer, wie in einer anderen Welt gefangen, an. "R-rox..-as?"
Er reagiert nicht auf mich. Er tut es erst, als die beiden um die nächste Ecke verschwunden sind. "Mh?", summt er leise und sieht kurz zu Boden. Ich berühre seine Schulter kurz mit meiner, wie damals schon.
"L-lächeln!"

Roxas lächelt daraufhin wirklich, doch ich sehe, dass es erzwungen ist. Dann lass es doch lieber, Roxy. Es ist okay, auch mal traurig zu sein. Das war sicher dein Ex-Freund, mh? Alles wird gut werden, immer das Köpfchen oben halten.
Der Bus kommt und Roxas lässt wirklich jeden vor. Kleinere, ältere, mich und steigt als letzter ein. "Magst du am Fenster sitzen?"
Ich nicke, setze mich und wieder kribbelt es angenehm, als seine Beine meine berühren. Ich liebe das Gefühl von Freundschaft hier bei ihm. Ich mache mir auch immer weniger Gedanken darüber, was Roxy von mir denken könnte. Er ist anders als alle anderen, vom Aussehen und dem Herzen her. Er denkt schon nicht schlecht über mich.

Während der Fahrt sehe ich aus dem Fenster, auf die Felder und die Wiesen, welche zu seinem Wohnort führen. Kühe grasen glücklich auf ihren Weiden und Bauern auf Traktoren kümmern sich um ihr Land.
Immer wenn ich aus den Augenwinkel zu Roxy sehe, sieht er so nachdenklich aus. Ich will nicht, dass er traurig ist... Mein Blick fällt auf seine Hand, wie immer auf dem Schoß. Er ist schwul, also sollte es ihn doch nicht stören, wenn ich tröstend seine Hand nehme, oder? Es ist ja auch nicht, weil ich ihn liebe oder wir zusammen sind, sondern nur um ihm das Gefühl zu geben, dass auch ich für ihn da bin. Doch dennoch kämpfe ich mehrere Minuten mit mir, ob es ich nun tun soll oder nicht. Greife ich nach seiner Hand? Sollte ich es lieber lassen? Wird er etwas falsches denken oder sie gar wegziehen? ... Egal!
Ich darf nicht darüber nachdenken ...
Einfach machen, Reza!

Meine zierliche Hand wandert zu seiner über und legt sich auf diese. Ich umklammere vorsichtig seine Handfläche und drücke sie tröstend. Roxy sieht zu mir auf und ich spüre die Röte in meinem Gesicht. "K-kopf  hoch... R-roxas..." Nein, ich schäme mich ... Ich löse mit dem unguten Gefühl von Reue meine Hand, doch Roxas schnappt sie sich einfach wieder. Mit schief gelegten Kopf sieht er zu mir. "Ich danke dir", flüstert er mit glasigen Augen und legt beide Hände um meine.

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