Gefährliche Blicke | Warrior Cats FF

Kapitel 12 - Raivi

"Wer ist Raivi?" 

Hirschblut seufzte langsam, atmete tief durch und lies den Blick über die Schüler schweifen. Sicherlich fragte er sich, warum er derjenige war, der mit Schülern plante den Clan zu verlassen. Und Flusspfote fand diese Fragestellung definitiv berechtigt. Warum er, warum sein Bruder?

Warum nicht Sandpfote? 

Warum nicht Schattengeist?

Wieso ausgerechnet ein junger, unqualifizierter Schüler, der es sich zur Aufgabe machte seinem Clan zu dienen und die Schattenkatze zu bezwingen? 

Konnte nicht ein anderes Mitglied des Clans ebenso viel daran setzen alles Unheil zu beenden?

Wo blieb der SternenClan in diesen Zeiten?

Hatten die Ahnen sie verlassen - hatten sie womöglich den Untergang der Clans unter Raivis Herrschaft vorhergesehen und waren geflohen? 

Und wer war überhaupt diese Raivi? Natürlich konnte Flusspfote sich ableiten, dass es sich um die Schattenkatze handelte. Womöglich war dies ihr Name gewesen, bevor die Schatten sie anfingen zu kontrollieren oder was auch immer mit ihr geschehen war. So genau wusste das schließlich niemand. 

"Raivi ist die Schattenkatze", bestätigte Hirschblut Flusspfotes Vermutungen, "zumindest ist sie ein Teil davon. Der Teil, der auch schon vor ihrem Tod und ihrer Widerkehr gewesen ist. Vielleicht auch der wiederkehrt wenn wir es schaffen, die Schatten zu vernichten."

Blitzpfote zögerte kurz, ehe er antwortete: "Das klingt...kompliziert. Wie sollen wir die Schatten besiegen? Sie haben Rostwind vollkommen entstellt. Sie haben eine komplette Katze unter ihre Kontrolle gebracht, unzählige weitere getötet. Wie sollen wir so eine Macht besiegen?" 

Stachelpfote nickte zustimmend und sah Hirschblut an. Wusste der Mentor darauf eine Antwort? Immerhin war er der einzige Kater, dem sie wirklich vertrauen konnten. Er war der Einzige, der ihnen half. Der die Clans beschützen wollte. Oder? 

Oder wollte er sie doch nicht unterstützen. Wollte er die Clans nur verlassen um Flusspfote und seine beiden Freunde weg von der Wahrheit zu führen? War vielleicht er der Verräter? Er, der ihnen die ganze Zeit erzählte, dass er sie unterstützte. 

Flusspfote begann zu zittern. Ein eisiger Schauer kroch ihm den Rücken hinab, fraß sich in sein Herz und zog es an einem Stück aus seinem Körper. Bis es schließlich zerschmettert vor ihm lag. 

Sein Mentor ein Verräter? Der, dem er vertraute? 

"Ich weiß es nicht", holte Hirschbluts geknickte Stimme ihn in die Wirklichkeit zurück. 

"Du weißt es nicht?", widerholte Stachelpfote. Das Fell seines Bruders sträubte sich, der zerzauste graue Pelz stellte sich auf, bis er doppelt so groß erschien, als er eigentlich war. Seine Zähne bleckten sich und ein verächtliches Schnauben entwich aus seiner Kehle. Darauf folgte ein Knurren. 

"Wir wissen nichts! Wir sind auf uns allein gestellt. Wir haben keine einzige Information. Nicht mal mit Schattengeist konnten wir reden. Haben wir überhaupt etwas nützliches herausgefunden? Nein! Haben wir nicht. Nur das Wissen über einen Verräter haben wir. Wer der Verräter ist? Keine Ahnung! Woher sollen wir es auch wissen? Mit uns redet niemand. Wir stehen wie die dummen Jungen da, die glauben sie können etwas verändern. Du redest es uns permanent ein, Hirschblut. Aber woher wissen wir, dass du nicht der Verräter bist? Woher? Sag es mir!" 

Der rote Kater wich einen Schritt nach hinten aus und atmete tief durch. 

"Ich würde den Clan nicht verraten", erklärte er schließlich, "ich weiß das du das glaubst oder hoffst ich würde es sein, damit wir endlich einen Anhaltspunkt finden. Aber ich schwöre beim SternenClan" 

Stachelpfote murrte nur verächtlich und wandte den Blick ab. 

Vielleicht war Hirschblut nicht der Verräter. Er hatte keinen Grund den Clan zu verraten - zumindest keinen bekannten. 

Flusspfote wurde übel. Die Zeit lief davon und sie mussten endlich handeln. 

"Wir sollten den Clan verlassen", meinte Blitzpfote nach einiger Zeit des Schweigens, "der Clan wendet sich von uns ab. Sie wissen, dass wir forschen und wissen, dass wir uns ungewöhnlich verhalten. Bernsteinstern denkt bestimmt wir wären die Verräter. Aber der Clan bricht auseinander. Sie reden über uns, wenn wir nicht in der Nähe sind. Sie flüstern Gerüchte, wer von uns als erstes verschwindet um der Schattenkatze beizustehen. Sie flüstern welche Katze wir als erstes töten und Rostwind vor ihren Augen sterben lassen...Ohne uns werden sie ihren Frieden bekommen. Sie werden im Reinen damit sein, weil sie denken sie wussten die ganze Zeit dass wir sie verraten würden. Das wird ihren Frust bestimmt etwas mildern" 

Hirschblut nickte zustimmend und auch Flusspfote stimmte stumm zu. Schlussendlich blieben alle Augen auf Stachelpfote ruhen. 

Auch dieser nickte widerwillig. "Bevor wir gehen möchte ich das Symbol, dass Wespensturz mir gezeigt hat untersuchen. Und Windbeere zur Rede stellen" 

*** 

Wenige Tage waren seit dem letzten Gespräch zwischen Blitz-, Stachel-, und Flusspfote sowie Hirschblut vergangen. Seit dem ging jeder seinen Weg und ging seinen Aufgaben nach. Um so normal wie möglich zu wirken. Dabei verfolgten sie alle denselben Plan. Und es war an der Zeit ihn umzusetzen. 

Es war Halbmond, sprich der Tag bevor sie die Clans verlassen würden. Ob mit oder ohne Informationen würde sich bald zeigen. 

Unruhig verließen Hirschblut und Flusspfote das Lager, um Windbeere auf ihrem Rückweg abzufangen. Glücklicherweise hielt Flusspfotes Mentor diese Nacht Wache, sodass die beiden Kater ohne Ärgernisse hinausschleichen konnten. Blitzpfote und Stachelpfote waren bereits vorgelaufen. 

Mit zügigen Schritten liefen die beiden den Weg entlang, den Windbeere auf ihrem Hinweg ebenfalls beschritten hatte. 

Kurz vor dem Wald blieben beide stehen und prüften die Luft auf Anzeichen anderer Katzen. 

Außer Blitzpfotes Duft vernahmen die beiden jedoch nichts. Stachelpfote hatte sich in Farn gewälzt um sich zu tarnen, da er Windbeere von hinten angreifen sollte, sodass sie nicht mehr fliehen konnte. Sollte etwas schiefgehen konnten die Katzen immer noch früher fliehen, sollte das nötig sein. 

Flusspfote atmete tief durch. Gleich würden sie der besten Heilerin und Freundin die man sich vorstellen konnte von hinten in den Rücken fallen.