Kapitel 20 - Rostwind

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"Habe ich ihn gerade getötet?", fragte Flusspfote entsetzt und blickte seinen Bruder hilflos an. 
Dieser trat einige Schritte auf den reglosen Körper zu und stupste ihn sachte mit der Pfote an. Dann wanderte sein Blick zurück zu Flusspfote. 

"Sieht so aus", begann er zögernd, "aber wir haben ihm damit nur einen Gefallen getan. Raivi hat seinen Körper mit den Schatten bestimmt am Leben halten können - nur deswegen hat er diese Wunden überlebt. Und wenn er jetzt endlich in Frieden bei seinen Ahnen wandeln kann..."

Er beendete den Satz nicht sondern zuckte nur mit den Schultern, wie als wolle er sagen: Dann sollte er uns dankbar sein, dass wir ihn erlöst haben. 

Das setzte jedoch voraus, dass Rostwind tatsächlich von den Schatten übernommen wurden war. Und wenn es nicht stimmte, dann hatte Flusspfote gerade seinen ehemaligen Mentoren kaltblütig umgebracht. 

Wobei auch das vermutlich eine Erlösung für seinen entstellten Körper gewesen sein musste. So wie für seine gebrochene Seele. 

"Wie dem auch sei", fuhr Stachelpfote fort, "müssen wir unseren Clan da rausholen"

Er deutete mit zuckenden Ohren auf die schwarze Kuppel, die den Lagereingang umschloss. 

Flusspfote schluckte schwer. Er spürte, wie seine Glieder langsam vom Schock lahmgelegt wurden. Warum war das nur seine Schwäche? 

"Flusspfote?", fragte Stachelpfote besorgt nach, "du musst dich wehren! Bitte Flusspfote. Sonst sind wir beide tot!"

Was meinte er? Was würde ihn umbringen? Und wieso? 

Doch seine Gedanken schweiften ab. Er merkte gar nicht mehr, wie Stachelpfote versuchte ihn mit der Pfote anzustupsen oder ihm ins Ohr brüllte, dass er sich dringend bewegen sollte. 

Er dachte nur daran, wie er seinen ehemaligen Mentoren, seinen Freund getötet hatte. Was, wenn die Schatten ihn nicht kontrolliert hatten? War er nun ein Mörder? Würde der SternenClan ihm jemals verzeihen? 

Schatten krochen langsam in seine Gedanken, vernebelten die Erinnerungen und füllten seinen Kopf mit grauenvollen Gedanken und dunklen Stimmen. 

"Flusspfote!", der verzweifelte Schrei seines Bruders holte ihn in die Realität zurück. 

Er blinzelte die Schatten weg und seine Augen erblickten seinen Bruder, zusammengekauert auf dem Boden liegen. Blut strömte über sein zerzaustes Fell und seine Augen zeigten deutlich Panik und Angst. 

Über ihn gebeugt befand sich...Rostwind. 

Wie hat er überlebt?, fragte sich Flusspfote entsetzt. Denn der rostfarbene Kater sah alles andere als tot aus. Seine Augen funkelten. In ihnen konnte man deutlich Hass erkennen. Aber auch Verachtung und...Reue? 

Warum sollte er gleichzeitig zwei so verschiedene Emotionen besitzen? Wie konnte er einen Angriff auf Stachelpfote bereuen und den Schüler gleichzeitig so verachten und attackieren? 

Die Gedanken wirbelten durch Flusspfotes Kopf aber er fand keine Antwort auf die Fragen. Er hatte jetzt aber auch Wichtigeres zu tun. 

Fauchend warf er sich auf den Angreifer und schlug die Pfoten in den Rücken des rostroten Katers. Dieser schüttelte den Schüler ohne Mühe von sich und holte mit der Tatze zum nächsten Schlag aus, dem Flusspfote knapp ausweichen konnte. 

Rostwind sprang vom Boden ab und landete elegant vor seinem ehemaligen Schüler. Er knurrte bedrohlich und leckte sich das Blut von der Schnauze. Einige Tropfen rannen dennoch auf die harte Erde hinab und färbten das Gras rot. 

Flusspfote schluckte, als Rostwind das Maul öffnete und seine spitzen, blutgefärbten Zähne zeigte. Er machte einen weiteren Schritt nach vorne und bohrte seine Krallen dabei in das Fleisch des Schülers. 

Panisch schrie dieser lauthals auf und versuchte einige Schmerzenstränen zu verbergen, was ihm trotz aller Mühe nicht gelang. Doch Rostwind kümmerte das ohnehin nicht. Er bleckte ein letztes Mal die Zähne, bereit sie in Flusspfotes Nacken zu vergraben und sein Leben auszulöschen. 

Er spürte bereits den warmen Atem auf seiner Haut und schloss die Augen. Die Schmerzen vernebelten weiter seine Gedanken und kurz war Flusspfote dafür dankbar. Er würde einen schnellen Tod sterben und dabei nichts weiter empfinden, als die Schmerzen die er sowieso schon hatte. 

Hätte er sich einen Tod aussuchen könne, wäre es sicher nicht dieser gewesen aber er konnte an der Situation nichts mehr ändern und musste das Beste daraus machen. 

Doch bevor Rostwind die Zähne in seinen Nacken schlug krümmte der Kater sich und wand sich auf dem Boden. 

Verdattert öffnete Flusspfote die Augen und sah Stachelpfote, der verbissen versuchte einige Schatten auf Rostwind zu lenken. An jeder Stelle, an dem sie den Krieger streiften zuckte er schmerzvoll zusammen. 

"Flusspfote - zieh die Schatten aus ihm heraus!", befahl sein Bruder barsch. 

Nur wie? Aber Flusspfotes Körper hatte längste damit begonnen die Prozedur zu starten. Es waren Schatten, die aus seinen Pfoten geschossen kamen und sich langsam ihren Weg zu Rostwind bahnten. Als sie zu ihm gelangten drangen sie durch sein Fell in seinen Körper ein und zogen Schatten aus ihm heraus. Sobald diese den Körper des Kriegers verließen lösten sie sich auf. 

Zurück blieb ein regloser Rostwind. 

"Er ist tot", stellte Stachelpfote fest.

"Wir dachten schon mal, er wäre es", flüsterte Flusspfote zurück. 

"Ich schätze, nun bin ich es wirklich", sagte eine blasse Gestalt über Rostwinds Leiche. Es war Rostwind, "danke, Flusspfote. Und dir natürlich auch, Stachelpfote. Ihr habt mich von den Schatten befreit. Es tut mir so unendlich leid, was geschehen ist. Ich wünschte, ich hätte euch warnen können. Euch sagen können, dass die Schatten meinen Körper kontrollierten, aber sie waren zu stark"

Flusspfote nickte nur, unfähig etwas zu sagen. 

"Geht und gewinnt den Kampf. Gebt Raivi das, was sie verdient hat!" 

Damit verschwand er. Für immer. 


Gefährliche Blicke | Warrior Cats FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt