Kapitel 1

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Zwei Wochen noch, dann hatte ich es geschafft. Es war nicht so, dass die Schule besonders schwer für mich war, doch je näher die Sommerferien kamen, desto schwieriger wurde es, morgens aufzustehen. Das Wetter lies momentan noch zu wünschen übrig, doch der Nachrichtensprecher hatte heute morgen versichert, dass es spätestens zum Wochenende aufhören würde, zu regnen. Warme Temperaturen von 23 Grad hatten wir sowieso. Einem langen, freien Sommer konnte also nichts mehr im Wege stehen. Abgesehen von den Klausuren, die in den letzten Wochen sattfanden. Doch die schlimmste davon wartete noch auf mich: Mathe. Vielleicht sollte ich, statt aus dem Fenster zu starren, meinem Mathelehrer zuhören, der an der Tafel irgendwas über Kurvendiskussionen redete. Die Regentropfen prasselten gegen das Fenster, da der Wind zugenommen hatte. Das war weitaus spannender als Mr. Banks mit seiner quietschenden Kreide.

Ich ließ meinen Blick durch den Raum schweifen und sah, dass es meiner Freundin Jasmine nicht anders ging. Während andere schliefen oder Französischhausaufgaben machten, kritzelte sie Käsekästchen auf ihr Papier. Violet, die neben ihr saß, verzierte das Ganze mit Kringeln und wartete darauf, dass das Gerüst stand. Da die beiden zu weit weg saßen, konnte ich nicht sehen, wer wo einen Strich setzte. Deswegen glitt mein Blick weiter zu Michael, der neben mir saß. Ich unterdrückte den Impuls, die Augen zu verdrehen. Als Jahrgangsbester malte er natürlich keine Comic Figuren auf seinen Block, sondern schrieb fleißig mit. Zugegeben, wenn wir anderen alle ein bisschen mehr aufpassen würden, würde sich unser Notendurchschnitt wahrscheinlich um so einiges verbessern. Aber wenn man in Mathe einmal den Faden verloren hatte, war es hoffnungslos.

Nach zwanzig Minuten ertönte endlich das lang ersehnte Klingeln, das uns alle in die Mittagspause entließ. Ich fing Jasmines Blick auf und nickte ihr lächelnd zu.

„Hey, kommst du mit in die Mensa?", richtete ich das Wort an Michael und räumte meine Tasche ein.

„Ja, warum nicht", gab er zurück und schwang sich den Gurt seines Rucksacks über die Schulter. Zusammen trafen wir Violet und Jasmine im Flur und vereinbarten, uns in zehn Minuten an unserem Stammtisch in der Mensa zu treffen. Michaels und mein Spind lagen nebeneinander, so hatten wir uns in den ersten Tagen an der Schule auch richtig kennen gelernt. Natürlich kannten wir uns schon aus der Middle School, da wir im gleichen Wohnviertel lebten, aber damals waren Jungs ja noch furchtbar. Mittlerweile war er ein groß gewachsener, dunkelhaariger junger Mann geworden, der ein sympathisches Lächeln hatte. Seltsamerweise musste ich zugeben, dass er ziemlich gut aussah. Es war komisch, das über jemanden zu denken, den man als kleinen moppeligen Nerd kannte.

„Haaallo Leute!", lenkte eine mir bekannte Stimme mich ab und schon spürte ich, wir mir jemand unsanft den Arm um die Schultern schmiss. James lief nun zwischen uns und war bester Laune, wie man seinem Lachen entnahm.

„Wow, da ist aber jemand gut drauf. Hast du vergessen, wo wir sind?", lachte ich und schubste seinen Arm runter, der langsam schwer wurde. Michael ließ sich von der körperlichen Nähe zu James nicht stören und lachte.

„War klar, dass dich der Laden hier nicht stört", sagte James mit einem gespielt abfälligen Blick auf Michael und räusperte sich dann. „Neeein, aber ich habe heiße News für euch!", sagte er und baute eine „Spannungspause" ein, wie er sie gerne nannte.

„Und die wären?", Michael klang nicht besonders beeindruckt und räumte seine Bücher in den Spind. Ich tat es ihm gleich und checkte noch schnell mein Aussehen in dem kleinen Spiegel, der in meiner Spindtür hing.

„Luke Harding aus der Zwölften, den kennt ihr doch!"

„Der mit den Parties?", fragte Michael verwirrt.

„Jep, genau der! Er ist in meinem Soccer Team und hat mir gesagt, ich soll mal ein paar Leute mitbringen", James schaute uns erwartungsvoll und strahlend an.

Sarah & HayleyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt