Kapitel 15

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Nachdem ich für Sarah und mich Tee gemacht hatte, saßen wir nebeneinander auf der Veranda. Ich rührte andächtig in meiner Tasse und setzte zu einem Schluck an, realisierte dann aber, dass der Tee ja noch viel zu heiß war.

"Nervös?", fragte Sarah und ich konnte das Schmunzeln in ihrer Stimme hören.

"Vielleicht", verriet ich und sah sie an. "Ich...", ich wusste nicht so recht, wie ich es erklären sollte. Ich fühlte mich wie in einem Buch, das nach dem Ende irgendwie noch weiterging. Das Mädchen hatte den Prinzen - oder in diesem Fall die Prinzessin - schlussendlich erobert und sie küssten sich zum Happy End. So endeten doch die meisten Geschichten und ich war damit überfordert, dass meine Story noch weiterging.

"Das brauchst du nicht sein, Hayley", sagte nun Sarah, da von mir offensichtlich nichts mehr kommen würde. Sie nahm meine freie Hand in ihre und verschränkte unsere Finger. "Egal, was als nächstes kommt, ich werde dich zu nichts drängen", sie lächelte mich sanft an.

Oh. Meinte sie damit etwa...? Sarah lachte bei meinem wohl schockierten Anblick. Ich spürte die Hitze in meine Wangen schießen.

"D... Das, das war nicht das, weswegen ich... also", stammelte ich und versuchte, ihr meine Hand zu entziehen und peinlich berührt mein Gesicht zu verdecken.

Sarah lachte und zog mich in ihre Arme. Ich spürte einen Kuss auf meinem Kopf und blickte peinlich berührt zu ihr hoch. Wieso war ich eigentlich so verklemmt? Ich war schließlich sechzehn Jahre alt und nicht zwölf. Aber Sarah machte mich einfach so nervös mit ihren wasserblauen Augen und dem leicht verschmitzten Lächeln, das so viel mehr zu wissen schien, als sie preisgab.

"Dann sag mir, was dich so nervös macht", forderte sie nun und richtete mich wieder auf, sodass wir uns richtig anschauen konnten.

"Nun, ich", ich seufzte. "Ich weiß nicht, wie das hier", ich wedelte zwischen uns hin und her, "jetzt weitergehen soll."

"M-hm", machte Sarah und nickte. "Ich weiß, was du meinst", sie lehnte sich auf ihren Armen nach hinten und verschränkte die Beine übereinander.

"Ich habe darüber heute auch schon nachgedacht", erklärte sie nach einer kurzen nachdenklichen Pause. "Mir ist klar, dass das für dich total viel ist. Ob du's glaubst oder nicht - ich hatte auch mal den einen Moment, in dem ich das erste Mal etwas für ein Mädchen gefühlt habe."

Ich schwieg. Darüber hatte ich irgendwie nie nachgedacht. Dass auch Sarah irgendwann realisiert haben musste, dass sie nicht "normal" war. Ich fragte mich unwillkürlich, wer dieses Mädchen wohl gewesen war. Etwa Jane, ihre "beste Freundin"? Ich runzelte die Stirn bei dem Stich, der mich dabei durchfuhr. Das würde mir absolut gar nicht gefallen.

"Jedenfalls", sprach Sarah weiter, "möchte ich, dass du weißt, dass ich dir Zeit lassen will. Dass ich dich zu nichts drängen will. Sei es jetzt irgendeine Art des Coming Outs oder... naja, andere Dinge", sie schaute mich an und ein Grinsen huschte über ihre schönen Lippen. Selbstverständlich wurde ich direkt wieder rot wie eine Ampel.

"Okay...", murmelte ich also und stützte meinen Kopf auf meine Hände. Ein Coming Out... puh. Da war er wieder: der Gedanke daran, dass ich es irgendwann meiner Mutter würde sagen müssen. Und Maya. Und Michael. Ich bekam eine Gänsehaut, aber keine angenehme.

"Am allerwichtigsten: Ich will nicht wieder auf dich verzichten müssen!", unterbrach Sarah mich und rückte ein Stück näher an mich heran.

"Wie ich dir schon gesagt habe...", raunte sie und ich konnte ihren Atem auf meiner Wange spüren. "Ich mag dich, Hayley. Ich mag dich sehr". Diesmal war die Gänsehaut, die sich auf meinen Armen ausbreitete, mehr als angenehm.

Sarah & HayleyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt