Kapitel 25

85 5 0
                                    

Die folgenden Wochen vergingen ohne große Vorkommnisse. Michael saß jetzt nicht mehr bei uns am Tisch in der Mittagspause. Er hatte den anderen erklärt, dass er sich im letzten Schuljahr mehr auf die Lerninhalte konzentrieren wollte.

Ich war mir nicht sicher, ob sie ihm das abnahmen. Aber Maya meinte, ich sollte es einfach auf sich beruhen lassen. "Der beruhigt sich schon wieder", meinte sie jedes Mal, wenn ich wieder davon anfing.

Aber was, wenn nicht? Ich fühlte mich mies, weil ein einstiger guter Freund - genau genommen ja sogar einstiger fester Freund - so schlecht von mir dachte. Egal, wie oft mir Maya, Luke oder Sarah bestätigten, dass er ein kompletter Idiot war, ich bekam immer ein Gefühl der Übelkeit, wenn ich ihn sah.

Als ich an einem Montagabend Mitte November gerade an meinem Schreibtisch saß und ein Paper für den Geschichtsunterricht schrieb, klingelte es. Ich schaute auf die Uhr, es war kurz nach fünf und meine Mutter würde in einer Stunde hier sein. Normalerweise würde Sarah nicht so spät noch vorbeikommen.

Ich hatte mich nach wie vor noch nicht getraut, meiner Mutter von ihr zu erzählen. Ich fühlte mich deswegen nicht gerade gut, aber Sarah hatte mir versichert, dass sie sich nicht an der Geheimniskrämerei störte. Zumindest noch nicht.

Trotz der Zeitknappheit öffnete ich freudestrahlend die Tür - und mein Grinsen gefror.

"Hey", sagte Michael, die Hände wegen der feuchten Kälte in die Hosentaschen gesteckt.

Ein zickiges was willst du hier? war das erste, was mir in den Kopf kam, aber ich verwarf es wieder.

"Darf ich reinkommen?", fragte er und ich konnte sehen, dass er mir nicht direkt in die Augen schaute, sondern auf meine Stirn. Uns wurde mal im Unterricht versichert, dass es dem Gegenüber nicht auffallen würde, wenn man ihm oder ihr nicht wirklich in die Augen schaute. Es stellte sich heraus, dass diese Theorie kompletter Müll war.

Ich öffnete die Tür ein Stückchen mehr und ließ Michael eintreten. Gut erzogen, wie er war, trat er sich die Schuhe ab und ging dann zögerlich in die Küche.

"Ist deine Mom da?", fragte er und schielte hinüber ins Wohnzimmer, das im Dunkeln lag.

"Nein", antwortete ich und ging zum Schrank, um ein Glas heraus zu nehmen. Ich brauchte irgendetwas zu tun. "Möchtest du etwas trinken?", fragte ich ihn, während ich bereits Wasser einfüllte.

Michael bedankte sich und trank einen Schluck.

"Also?", fragte ich, da er auch nach mehreren Momenten der Stille noch nichts sagte. Vermutlich waren es nur ein paar Sekunden, doch sie fühlten sich an wie Stunden.

"Ich wollte mich bei dir entschuldigen", sagte er und starrte dabei auf seine Füße, wie ein kleiner Junge.

Ich hingegen schaute ihn an und wartete darauf, dass er noch mehr sagte. Nach den verletzenden Worten und den Wochen voller Ignoranz von seiner Seite erwartete ich ein wenig mehr als diesen einen Satz.

 "Also...", er räusperte sich und verlagerte sein Gewicht von einem Bein auf das andere. "Also was ich da damals zu dir gesagt habe... Ich war echt ein Arschloch. Mein Herz war gebrochen und als ich euch gesehen habe... Ich weiß nicht", jetzt schaute Michael endlich hoch und diesmal traute er sich auch, direkt in meine Augen zu blicken.

"Ich schätze, ich habe mich verarscht gefühlt und wollte in dem Moment einfach verbal um mich schlagen", gab er zu und obwohl es mich im ersten Moment sauer machte, dass er quasi mir die Schuld gab, konnte ich ihn verstehen.

Ich hatte schließlich wirklich was mit Sarah angefangen, obwohl ich offiziell mit Michael zusammen gewesen war. Daran konnte man einfach nichts schön reden.

Sarah & HayleyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt