Kapitel 16

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Der erste Schultag im Senior Year kam leider viel zu schnell. Frustriert versuchte ich, mit geschlossenen Augen meinen Wecker zum Schlummern zu bringen, doch er wollte einfach nicht aufhören, zu klingeln.

Seufzend gab ich mich geschlagen, öffnete die Augen und stellte fest, dass ich schon viel zu oft auf Schlummern gedrückt hatte. Schnell sprang ich aus dem Bett, schnappte mir die Klamotten, die ich gestern schon rausgelegt hatte, und ging ins Bad.

Eine Dusche, ein wenig Make-up und eine Müslischüssel später schwang ich mich aufs Rad in Richtung Schule. Wie immer traf ich nach ein paar hundert Metern auf Michael, der gemütlich auf seinem Mountainbike saß.

Ich holte tief Luft. "Guten Morgen", grüßte ich ihn betont fröhlich, als ich zu ihm aufgeholt hatte.

"Oh, Hayley, guten Morgen!", entgegnete er mit einem furchtbar liebevollen Lächeln. "Geht es dir besser?", fragte er, was mir direkt ein schlechtes Gewissen machte.

Ich hatte es einfach nicht über mich bringen können, mich ihm zu stellen. So hatte ich ihm gestern vormittag geschrieben, ich hätte furchtbare Kopfschmerzen und könne mich deshalb nicht mit ihm treffen. Gutgläubig, wie er war, kaufte er mir die Ausrede direkt ab und wünschte mir eine gute Besserung.

"Ja", sagte ich und nickte dabei zur Bestätigung. "War bestimmt nur die Aufregung! Wird ein stressiges Jahr werden. Ich hab ja sonst nie sonderlich fleißig gelernt, das sollte ich vielleicht ändern", brabbelte ich und lachte, was vielleicht ein wenig irre klang.

"Ach, das schaffst du doch mit links! Und wenn nicht, helfe ich dir gern", meinte Michael.

Wir waren an der Schule angekommen und stellten unsere Fahrräder in den dafür vorgesehenen Fahrradstand, als auch schon James und Violet zu uns kamen. 

"Hayley, man, du hast echt was verpasst am Freitag", James nahm mich direkt in Beschlag und rettete mich so vor weiterer Konversation mit Michael.

"So?", fragte ich nach und forderte ihn so zum Erzählen auf. Scheinbar war die Ende-des-Sommers Party total eskaliert mit Polizei und allem drum und dran. Es war wohl sogar ein Glastisch zerbrochen worden.

"Oh Gott, Luke hat bestimmt totalen Ärger mit seinen Eltern, oder?", fragte ich erschrocken, aber James machte eine abwinkende Handbewegung.

"Ach, die sind total cool, was das angeht", erklärte er und erzählte weiter. Ich konnte mich aber nicht darauf konzentrieren, was er zu irgendwelchen neuen romantischen Verwicklungen erzählte. Meine Gedanken kreisten darum, wie unfair die Hardings sich verhielten. Luke baute totalen Mist und es gingen sogar - vermutlich ziemlich teure - Gegenstände kaputt und sie waren total cool. Währenddessen versauerte Sarah in einer Ein-Zimmer-Wohnung und konnte nicht mal aufs College gehen.

"Erde an Hayley", plötzlich wedelte eine Hand vor mir herum. Michael sah mich fragend an und ich realisierte, dass James schon zu Jasmine weitergezogen war, um sie über den blonden Typen auszufragen, mit dem sie wohl auf der Party rumgemacht hatte.

Als ich nicht auf ihn reagierte, schüttelte Michael lachend den Kopf. "Ich hab dich gefragt, ob du jetzt auch Naturwissenschaften hast", wiederholte er seine Frage und ich kramte meinen Stundenplan hervor. "Nein", ich schüttelte den Kopf und versuchte, meine Erleichterung zu verbergen, "ich habe jetzt Englisch".

"Oh, ich auch!", rief Jase dazwischen und hakte sich bei mir unter. "Lass uns gehen, bevor wir gleich am ersten Tag zu spät kommen", meinte sie und zog mich mit sich. Michael hatte gerade noch so die Gelegenheit, mir einen Kuss auf die Wange zu geben, bevor wir hinter der nächsten Ecke verschwunden waren.

Ich hatte den ganzen restlichen Tag das Gefühl, diesen feuchten, unangenehmen Fleck auf meiner Wange nicht loszuwerden. Erst, als ich in der Mittagspause die Gelegenheit hatte, allein auf die Toilette zu gehen, konnte ich mein Gesicht waschen und fühlte mich erleichtert.

Sarah & HayleyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt