Kapitel 18

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Die Woche verging unfassbar schnell. Wie ich es erwartet hatte, würde in diesem Jahr eine ganze Menge an Lernstoff auf uns zukommen. An die Abschlussklausuren und die College Bewerbungen wollte ich gar nicht erst denken.

Obwohl ich es noch zwei Mal schaffte, Sarah zu sehen, reichte es mir bei weitem nicht. Sobald ich ihre Wohnung verließ oder sie unser Haus, begann ich schon, sie zu vermissen. Und das, obwohl sie mir mehrmals am Tag eine Nachricht schrieb.

Ich hatte es immer noch nicht geschafft, mit Michael zu reden, als das Wochenende vor der Tür stand. Klar, wir verbrachten viel Zeit miteinander in der Schule, aber das war doch nicht der richtige Ort für so ein Gespräch, oder? Und da wir mit Hausaufgaben (und ich mit Sarah) zeitlich ziemlich ausgelastet waren, hatten wir uns nicht zu zweit allein gesehen.

Um ehrlich zu sein wusste ich auch noch nicht, was genau ich ihm sagen wollte. Dass ich Schluss machte, klar. Aber wenn er nach dem Grund fragte, was würde ich ihm dann sagen? Dass es jemand anderen gab? Ich hatte Angst, dass das bereits zu viel verraten würde. Dass ich nicht dasselbe fühlte? Bessere Idee. Oh Gott, ich hatte noch nie so ein furchtbar schwieriges Gespräch führen müssen.

Als ich die Haustür hinter mir in's Schloss und den Rucksack auf den Boden fallen lies, hörte ich schon ein fröhliches "Hallo mein Schatz", aus der Küche.

Mit gerunzelter Stirn folgte ich der Stimme meiner Mutter und sah sie mit einer Kaffeetasse in der Hand und ihrer Lesebrille auf der Nase an der Kücheninsel stehen und Prospekte durch blättern.

"Du bist aber früh hier", sagte ich und setzte mich auf einen der Barhocker.

"Ja, ich dachte mir, ich gehe zur Feier des Tages mal eher und gönne mir ein bisschen Freizeit", sagte meine Mutter und lächelte zufrieden. Zur Feier des Tages? Hatte ich irgendein Fest verpasst?

Ich musste sie sehr irritiert angeschaut haben, denn sie lachte.

"Ich fahre doch mit den Mädels zum Wellness", erklärte sie und deutete auf den großen Kalender, der über dem Küchentisch an der Wand hing. Ich warf einen Blick darauf und las in ihrer perfekten Handschrift Wellness Wochenende, quer über Freitag, Samstag und Sonntag geschrieben.

"Du hattest es vergessen, richtig?", fragte sie mich scherzhaft tadelnd und ich grinste ertappt.

"Sorry, Mum", sagte ich schulterzuckend, denn so wichtig war mir ihre Freizeitplanung nun auch nicht. "Wann geht's denn los?"

Meine Mutter schaute schnell auf ihre Armbanduhr.

"Oh, so in einer Stunde werde ich abgeholt. Ich sollte mich also langsam fertigmachen", erklärte sie, warf die Prospekte in den Mülleimer und verschwand dann nach oben.

Hm, sturmfreie Bude das ganze Wochenende über! Sofort überlegte ich, ob ich Sarah nicht einladen und bekochen könnte. Im Gegensatz zu ihr konnte ich mehr als ein Gericht und es wäre eine schöne Vorstellung, das ganze Haus für sich zu haben. Als meine Gedanken dieses Szenario weiter dachten, wurde mir ganz warm und ich konnte schwören, dass ich rot wurde.

Bevor ich allerdings zu weit in meine Tagträume abdriften konnte, klingelte mein Handy.

"James", sagte ich, als ich abnahm.

"Hayley, meine liebste, allerbeste Freundin", säuselte James theatralisch am andern Ende des Telefons und ich verdrehte lachend meine Augen.

"Was brauchst du? Geld? Eine Niere?"

"Nee, eigentlich wollte ich nur wissen, was du so vorhast am Wochenende. Ich hab Mike auch schon gefragt, aber der will mal wieder lernen - Überraschung", ich konnte hören, wie er die Augen verdrehte.

Sarah & HayleyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt