Der nächste Tag, der alle mit einer wunderschönen, weißen Winterlandschaft aus frischem Schnee begrüßte, war von vielen Schülerinnen und Schülern der Schule sehnsüchtig erwartet worden.
Nur von einem wurde er gefürchtet.
Es war ein Hogsmeade-Samstag und zugleich Vollmond.
Während nahezu alle Jugendlichen ab der dritten Klasse sich schon früh in der Eingangshalle des Schlosses tummelten, um mit ihren Freunden oder Verabredungen in das Dorf zu spazieren, lag Remus müde und geschwächt in seinem Bett. Die restlichen Rumtreiber hatten bei ihm bleiben wollen, doch er hatte sie abgewiesen. Ihre Anwesenheit hatte ihn zwar nicht gestört, doch er wollte ihnen nicht den Spaß an einem so schönen Wintertag nehmen.
Und er freute sich, dass James sich dadurch doch noch mit seiner Lily treffen konnte und Peter spontan Hestia Jones, eine Hufflepuff aus der sechsten Klasse, auf ein Butterbier eingeladen hatte. Nur Sirius war, zur Überraschung aller, nicht verabredet und würde nach einem ausgiebigen Frühstück wieder in den Schlafsaal zurückkehren.Doch auch Harry und Hermine verbrachten diesen Morgen bei heißer Schokolade in ihrem warmen Wohnzimmer.
Das hatte auch einen Grund: dies war der große Tag, an dem sie mit dem Animagus-Ritual beginnen wollten.
So hatte Sirius ihnen schon direkt nach dem Aufstehen je ein Alraunenblatt in die Hände gedrückt und sie hatten es, nach einiger Überredungskunst seitens des Erwachsenen, dass ja alles nur halb so schlimm sei, schließlich unter ihrer Zunge platziert. Nun fiel ihnen beiden das Reden etwas schwerer und sie mussten sich erst einmal an dieses neue Gefühl gewöhnen.
"Ich schätze, so ähnlich fühlt sich eine Zahnspange an, oder?", fragte Harry seine beste Freundin.
Hermine zuckte mit den Schultern.
"Keine Ahnung. Meine Eltern sind zwar Zahnärzte, aber ich musste noch nie eine Zahnspange tragen. Und selbst wenn, wäre dafür ja eher der Kieferorthopäde zuständig", nuschelte sie als Antwort, als Sirius den Raum gerade wieder betrat.
"Was ist denn eine Zahnspange?", fragte er stirnrunzelnd, während er sich die dicken Winterstiefel auszog.
Grinsend tauschten die Schüler einen Blick, ehe Harry versuchte, möglichst deutlich zu erklären: "Zahnspangen sind Geräte, die den Kindern zwischen die Zähne geklemmt werden und den Mund somit geschlossen halten. Das ist eine bewährte Erziehungsmethode bei Muggeln, wenn die Kinder zu viel reden."
"Und damit man das Gebiss der Kinder nicht zerstört, muss man diese Spangen vorher von einem Fachmann anpassen lassen. Sonst kann es auch passieren, dass die Spangen zu fest sitzen und man beim Lösen die Zähne mit herauszieht."
Geschockt blickte der Hundeanimagus die beiden an. Sein Mund öffnete sich als wolle er etwas sagen, doch dann schloss er ihn kopfschüttelnd wieder.
Nun konnte weder Hermine noch Harry das Lachen zurückhalten. Als Sirius realisierte, dass seine Schützlinge ihn auf den Arm genommen hatten, zog er ein Gesicht, was wohl ein Schmollmund sein sollte, jedoch zuckten seine Mundwinkel, sodass es eher einer scheußlichen Grimasse ähnelte. Somit lachten die Jugendlichen nur noch herzhafter und hielten sich die Bäuche.
"Wartet nur ab. Ihr werdet schon noch sehen, was ihr davon habt", sagte der Ältere gespielt entrüstet, bevor auch er seine Heiterkeit offen zeigte.
"Ich fordere euch zu einer Schneeballschlacht heraus. Es liegt draußen herrlicher Pappschnee."
Begeistert nahmen Harry und Hermine diesen Vorschlag auf.
"Dann können wir Seidenschnabel auch mal wieder besuchen", fügte der Gryffindor hinzu.
"Was heißt denn hier 'mal wieder'? Ich war eben erst bei ihm!"
"Ja, Sirius, du besuchst ihn oft, aber ich meinte mehr Hermine und mich. Wir haben ihn seit bestimmt zwei Wochen nicht mehr gesehen. Und ganz ehrlich, so ein kleiner Rundflug über das verschneite Hogwarts reizt mich schon."
"Pass nur auf, dass er nicht beleidigt ist, weil ihr so lange nicht bei ihm wart, und dich deshalb nicht fliegen lässt. Er kann ganz schön stur sein", grinste Sirius und wackelte mit den Augenbrauen.
Unzufrieden vor sich hinmurmelnd, weil Sirius mit seiner Äußerung nicht ganz falsch lag, zog Harry seine Wintersachen an, während Hermine noch ihre Tasse leerte und es ihm danach gleich tat.
Wenige Minuten später gingen die drei über die Ländereien in Richtung Hagrids Hütte.
Der frische, unberührte Schnee glitzerte im Sonnenlicht und verwandelte das Gelände in eine Märchenlandschaft. Wie verwunschen lag das Schloss auf der Anhöhe und trohnte über allem. Es herrschte eine herrliche Ruhe und nur das Knirschen im Schnee bei jedem Schritt war zu hören.
Es war wundervoll.
Doch Harry bekam nicht viel davon mit.
Gedankenverloren stapfte er vorneweg. Das Gespräch des vorherigen Abends beschäftigte ihn sehr. Auch wenn er nun wusste, dass Marlene gerettet werden würde, bedauerte er ihren Tod sehr. Außerdem war er betrübt darüber, dass nie jemand ihm gegenüber ein Wort bezüglich seiner Patentante hatte fallen lassen.
Natürlich mussten Sirius' Schmerzen bei jedem Gedanken an sie immens sein, doch jetzt, nachdem der Potter die Geschichte kannte, wusste er, wie oft Sirius an seine tote Freundin dachte - immer dann, wenn er mit merkwürdig leeren Augen in die Luft starrte.
Harry hatte automatisch mehr Verständnis für Sirius' Verhalten, seine Traurigkeit und seine Albträume. Und er fühlte Mitleid gegenüber diesem Mann, der in seinem Leben schon so viel verloren hatte, so viel hatte durchmachen müssen.
Vielleicht, dachte Harry, war es genau das, was Sirius nie wollte. Mitleid.
So wie Harry selbst.
Von etwas Kaltem am Nacken getroffen wurde er aus seinen Gedanken gerissen.
Überrascht drehte er sich nach hinten um und blickte direkt in das grinsende Gesicht des Objekts seiner Gedanken.
"Sirius! Man greift doch nicht von hinten an!", rief er, ebenfalls lachend, ehe er zur Rache ansetzte.
"So? Das tut mir aber leid, das muss mir irgendwie entfallen sein", gab Sirius, noch immer mit einem breiten Lächeln auf den Lippen, zurück, bevor er sich unter Harry Schneeball duckte, der daraufhin Hermine mitten ins Gesicht traf.
Diese ließ es sich natürlich nicht nehmen, die Jungs ebenfalls mit dem kühlen Weiß zu bewerfen und nach einigen Minuten lagen die drei lachend und mit geröteten Wangen nebeneinander im Schnee.
"Das tat gut", seufzte Hermine und sah in den blauen Himmel hinauf, der hier und da von Wolken verziert wurde.
Sie überprüfte, ob das Alraunenblatt auch ja nicht verrutscht war und war begeistert, als es tatsächlich noch unter ihrer Zunge lag. Das glich schon fast einem Wunder.
Irgendwann erhoben sich die drei und gingen den restlichen Weg zu Seidenschnabel, der bei Hagrid lebte.
Nachdem sie von dem gemütlichen Halbriesen jeder eine Tasse heißen Tee, die wirklich gut tat, sowie seine steinharten Felsenkekse bekommen hatten, begrüßten sie den Hippogreif schließlich jeweils mit einer Verbeugung.
Nachdem das edle Tier vor jedem seiner Besucher seinen Kopf geneigt hatte, stiegen Harry und Sirius auf dessen Rücken. Hermine wollte lieber am Boden bleiben und ging Hagrid zur Hand, während Seidenschnabel seine großen Flügel ausbreitete, Anlauf nahm und mit den Füßen von der Erde abhob.
Zwar war es ziemlich kalt dort oben und der eisige Wind, der aufgekommen war, verbesserte diese Umstände nicht gerade, aber Harry und Sirius genossen den Flug trotz allem.
Sie drehten eine große Runde über das Schloss, den Schwarzen See, die Ländereien und flogen sogar bis nach Hogsmeade. Viele Schüler blickten zunächst überrascht nach oben, um dem durch die Lüfte fliegenden Hippogreif und seinen Reitern zuzusehen und nicht selten verwandelte sich die Überraschung in Bewunderung. Das war wahrlich kein alltäglicher Anblick.
Als schließlich selbst Seidenschnabel trotz seines dicken Federkleides anfing, zu frieren, landeten die drei wieder sicher vor Hagrids Hütte.
Nach einem erneuten Tee und der Verabschiedung von ihrem tierischen Begleiter machten sich die drei Zeitreisenden wieder auf den Rückweg ins Schloss.
Mittlerweile war es schon Nachmittag geworden und auch in Hogsmeade herrschte eine Aufbruchsstimmung.
"Komm James, lass uns gehen. Dann kannst du dich vor heute Abend nochmal ausruhen", schlug Lily vor und der Angesprochene nickte. "Das ist wahrscheinlich eine gute Idee."
Hand in Hand verließen sie die Drei Besen und machten sich auf den Rückweg zum warmen Schloss.
"Es war ein wunderschöner Tag mit dir, mein Schatz", sagte James irgendwann lächelnd zu ihr und die Rothaarige erwiderte: "Das kann ich nur zurückgeben, James. Aber eins fehlt noch."
Ein schelmisches Grinsen zierte ihr Gesicht, als sie in die fragenden, schokoladenbraunen Augen ihres Freundes blickte.
Doch bevor dieser überhaupt seinen Mund öffnen konnte, hatte Lily sich schon blitzschnell gebückt, in ihren Händen einen Schneeball geformt und ihn James in den Nacken gedrückt.
Perplex starrte dieser ihr hinterher, als sie vorsorglich vor ihm davonlief.
Da kam Leben in James und er bückte sich ebenfalls, um sich bewaffnet an die Fersen seiner Freundin zu heften.
Auch diese Schneeballschlacht endete damit, dass sich beide Jugendliche im kalten, weichen Schnee liegend wiederfanden.
Ihre Blicke verhakten sich ineinander und sie versanken in den Augen des jeweils anderen, bevor sich ihre Lippen zu einem leidenschaftlichen, heißen Kuss trafen, der die Kälte um sie herum minderte. Sie vertieften den Kuss immer weiter, doch als Lily von einer Schneeflocke auf die Nase getroffen wurde und sie das Zittern ihrer beider Körper bemerkte, beschlossen sie gemeinsam, diese Aktivitäten nach drinnen zu verlegen.
So kam James also nicht dazu, sich auszuruhen, bevor Remus von Madam Pomfrey in die Heulende Hütte gebracht wurde, wohin die drei Animagi ihrem besten Freund nur kurze Zeit später, nachdem sie sich beim Abendessen gestärkt hatten, folgten.
Als der Mond aufging, setzte die Verwandlung ein und obwohl die drei Tiere so gut wie möglich versuchten, Remus beizustehen, erlitt er unglaubliche Schmerzen.
Unwillkürlich fragte sich der große, zottelige Hund mit schwarzem Fell, ob es in der Zukunft wohl Maßnahmen dagegen gab, die die Schmerzen lindern oder die Verwandlung sogar komplett verhindern konnten.
Er nahm sich fest vor, sein älteres Selbst danach zu fragen.
Nach wenigen Minuten verließ diese seltsame Kombination aus einem Hirsch, einem Hund, einer Ratte und einem Werwolf die gespenstische Hütte, um den unberührten Schnee im Verbotenen Wald zu genießen.
Während sie den Spaß ihres Lebens hatten, lagen die Bewohner des Dorfes in ihren Betten und gruselten sich vor den Geistern, die in der Hütte und deren Umgebung ihr Unwesen zu treiben schienen.

DU LIEST GERADE
𝑑ᵢₑ ꜱ𝒑Լᵢ𝑡𝑡ₑᵣ 𝑑ₑᵣ 𝑧ₑᵢ𝑡
Fiksi PenggemarHarry und Hermine haben es geschafft. Sie konnten Sirius vor den Küssen der Dementoren retten und ihn aus seinem Verließ im höchsten Turm Hogwarts' befreien. Dass Hermines Zeitumkehrer dabei in tausende Splitter zersprang, hatte jedoch fatale Folgen...