Kapitel 31

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"Niemals", betonte Sirius, "niemals dürft ihr eurem Gegner im Kampf den Rücken zuwenden. Warum, Frank?"
"Weil wir sonst nicht die Möglichkeit haben, seine nächste Handlung zu erkennen oder einem Fluch auszuweichen."
"Richtig. Welche Flüche sind dabei besonders gefährlich, Marlene?"
"Die Unverzeihlichen, weil sie nicht mit einem Schild oder Ähnlichem abgewehrt werden können."
"Auch das ist richtig. Umso wichtiger ist es, dass ihr lernt, euch wenigstens gegen einen der drei unverzeihlichen Flüche zu wehren - gegen den Imperius. Dass mein heutiges Vorhaben freiwillig ist, ist in einer Gruppe voller Freiwilliger hoffentlich selbstverständlich, aber ich wollte es sicherheitshalber nochmal erwähnen. Hat jemand eine Idee, was ich mit euch vorhabe?"
Zögerlich meldete sich Dorcas und Sirius forderte sie mit einem freundlichen Nicken auf, ihre Gedanken in Worte zu fassen.
"Vielleicht belegen Sie uns mit dem Imperius und wir müssen dagegen ankämpfen und versuchen, Ihren Befehlen nicht zu gehorchen? Ich habe mal gelesen, dass das die einzige Möglichkeit ist, den Fluch abzuschütteln..."
"So ist es. Wer diese Möglichkeit hier in Anspruch nehmen möchte, der stellt sich bitte in die Mitte des Raumes. Alle anderen können zuschauen oder sonst auch schon gehen, denn heute machen wir nichts anderes. In den nächsten Stunden werden wir uns dann aber mit nonverbaler und stabloser Magie sowie mit der Okklumentik beschäftigen."
Ausnahmslos alle stellten sich nebeneinander in der Mitte des Raumes auf, woraufhin der Professor sein Vorgehen erklärte: "Ich werde euch nun nacheinander mit dem Imperius belegen und euch einfache Aufgaben stellen. Ihr wiederum solltet alles versuchen, um diese nicht zu erledigen, ja? Und macht euch meinetwegen keine Sorgen, ich werde wegen des Gebrauchs des Unverzeihlichen keine Schwierigkeiten bekommen. Auf geht's - Rose, bei dir fange ich an!"
Hermine, die am rechten Rand der Reihe stand, zuckte kurz, als der Fluch sie berührte und das Kommando übernahm. Sie fühlte sich wie benebelt und durch diese zähe, grauweiße Masse hörte sie nichts außer dem Befehl ihres Professors, der ihr auftrug, ihren Umhang verkehrt herum anzuziehen.
Hermines Hände begannen schon, den Umhang zu öffnen, als sie plötzlich erstarrte.
"Ziehe deinen Umhang verkehrt herum an", wiederholte Sirius und beobachtete, wie Hermines Hände erneut zuckten, doch dann wiederholt stockten. Sie starrte benommen auf eine Stelle auf dem Boden, während sich ihre Lippen zu bewegen schienen. Und als Sirius genauer hinsah, erkannte er, dass sie immer und immer wieder das Wort "Warum?" formten.
Etwas ungeduldiger befahl Sirius ihr erneut, was er schon zuvor befohlen hatte, doch nun bewegte sich die junge Hexe nicht einmal mehr. Stattdessen hob sie ihren Kopf, blickte dem Professor fest in die Augen, öffnete ihren Mund und presste ein "Nein!" zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
Sobald dieses Wort ihre Lippen verlassen hatte, löste sich der Fluch und auch der Nebel verschwand aus Hermines Kopf, während alle anderen applaudierten.
"Sehr gut, Rose. Du hast zwar eine Weile gebraucht, aber du hast es geschafft, dem Befehl und somit auch dem Fluch zu widerstehen. Remus, du bist als Nächster dran."
So setzten sich nach und nach alle Jugendlichen der Wirkung des Imperius aus. Nur wenige, darunter neben Hermine Harry, James und Marlene, schafften es, dem Fluch beim ersten Versuch komplett zu widerstehen, doch beim zweiten Versuch schafften es auch die anderen meist, dem Befehl nicht zu gehorchen. Und damit war Sirius vollends zufrieden.

Nachdem alle Siebtklässler den Raum der Wünsche verlassen hatten, nahmen Harry und Hermine ihre üblichen Plätze für das Animagus-Training ein.
Doch bevor sie starteten, erhob Sirius noch einmal das Wort.
"Passt auf, ihr beiden: Schmerzen werdet ihr haben, ohne Frage. Aber versucht heute, sie zu ignorieren und wegzustecken, damit euch vielleicht die komplette Verwandlung gelingt, ja? Dann hätten wir den größten Schritt geschafft und müssten lediglich noch daran arbeiten, dass ihr die Gestalt auch für einen längeren Zeitraum halten könnt. Also beißt eure Zähne heute zusammen und dann schaffen wir das. Ihr macht das toll!"
"Danke, Sirius. Wir werden unser Bestes geben", erwiderte Hermine lächelnd und tauschte einen Blick mit ihrem besten Freund.
"Mehr verlange ich auch gar nicht", sagte Sirius und ließ sich dann mit einem leisen Seufzer in seinen roten Sessel fallen, während Harry und Hermine begannen, ihre Augen zu schließen und sich auf ihre Tiergestalten zu konzentrieren.
Wie immer stellte Harry sich dabei vor, wie es wäre, als Wolf durch den dunklen Wald zu laufen - auf samtenen Pfoten, mit einem feinen Gehör, ohne zu frieren, da sein schwarzes Fell ihn schützte, und mit perfekter Nachtsicht aufgrund der guten Augen, bei ihm grün gefärbt.
Er stellte sich vor, an einen See zu gelangen, in dem er sein eigenes Antlitz gespiegelt erblickte, das besonders durch die helle, blitzförmige Blesse auf seiner Stirn gekennzeichnet war.
Und während Harry sich in seiner Vorstellung jedes Detail seiner Wolfsgestalt ganz genau ansah und einprägte, spürte er, wie sich sein menschlicher Körper Stück für Stück veränderte. Haare sprossen aus seiner Haut, Knochen brachen und wuchsen anders zusammen und seine Nase wurde länger und breiter.
Kurz war sich der Viertklässler nicht sicher, ob er diese Schmerzen auch nur eine Sekunde länger ertragen könnte, doch dann verstummten sie plötzlich.
Irritiert schlug Harry seine Augen auf und blickte an sich herunter.
Und tatsächlich - er hatte die Gestalt des Wolfes aus seiner Vorstellung angenommen.
Vorsichtig setzte er ein Bein vor das andere und lief, zwar etwas wackelig, aber dennoch zielstrebig, auf Sirius zu, der ihn breit grinsend ansah.
"Herzlichen Glückwunsch, Harry!", sagte er leise und Harry leckte ihm aus einem Impuls heraus kurz über die Hand, um seine Dankbarkeit zu zeigen, ehe er plötzlich ein Ziehen in seinem gesamten Körper spürte.
In weiser Voraussicht entfernte sich Sirius ein paar Schritte von Harry, der sich nun ungewollt zurückverwandelte und sich schließlich keuchend und mit Schmerzen im ganzen Körper bäuchlings auf dem Boden liegend wiederfand.
"Wow", brachte er hervor und nahm dankbar die Schmerzmittel, die Sirius ihm reichte, entgegen.
Noch während er sie einnahm, wurde der Raum von einem heiseren Schrei erfüllt.
Als die beiden Zauberer sich daraufhin umdrehten, blieben ihnen die Münder offen stehen.
Im anderen Teil des Raumes saß ein wunderschöner, stattlicher Adler mit braunem, etwas zerzaustem Gefieder und goldbraunen, klugen Augen.
"Mine, du bist wunderschön", flüsterte Harry überwältigt und der Adler gab ein dankendes Krächzen von sich, ehe er seine gewaltigen Schwingen ausbreitete und versuchte, abzuheben. Für wenige Sekunden schien das Fliegen auch zu funktionieren, doch dann sank Hermine wieder zurück auf den Boden.
Erneut verließ ein wütender Schrei ihre Kehle und ließ somit vermuten, dass auch der Erste wegen eines gescheiterten Flugversuches ausgestoßen wurde.
Doch bevor die junge Animaga erneut zum Fliegen ansetzen konnte, verwandelte sie sich schon in ihre menschliche Gestalt zurück.
Auch Hermine wurde von Sirius und Harry ausgiebigst beglückwünscht und schien sichtlich glücklich über ihren Erfolg zu sein.
"Kinder, jetzt habt ihr das Schlimmste hinter euch. Je öfter ihr euch nun verwandelt desto schneller wird es gehen und desto weniger Schmerzen werdet ihr haben. In den nächsten Wochen werden wir dann auch trainieren, wie ihr euch eurer Gestalt entsprechend verhalten müsst - zum Beispiel bezüglich des Laufens oder Fliegens. Aber erstmal möchte ich euch sagen, dass ich sehr stolz auf euch bin! Und nun lasst uns schlafen gehen - ihr müsst schließlich morgen fit sein."
Gemeinsam gingen die drei zu ihren Gemächern - müde und erschöpft, doch mindestens genauso glücklich.

𝑑ᵢₑ ꜱ𝒑Լᵢ𝑡𝑡ₑᵣ 𝑑ₑᵣ 𝑧ₑᵢ𝑡Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt