Kapitel 11

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"Also", sagte Hermine am Freitagabend zu Sirius, nachdem Harry vom Quidditchtraining zurückgekehrt war, "was hat es mit Marlenes Patronusform auf sich? Ich habe vorhin in der Bibliothek nachgelesen und da stand, dass zwei exakt gleiche Formen ein Zeichen für unerwiderte Liebe seien. Aber was hat das in dem Kontext zu bedeuten?"
Sirius seufzte und nahm einen Schluck Feuerwhiskey zu sich, bevor er zu einer Antwort ansetzte. Doch noch ehe ein Ton seinen geöffneten Mund verlassen konnte, klopfte es an der Tür.
Harry, der am nächsten zu dieser saß, erhob sich und öffnete sie mit einem genervt Gesichtsausdruck. Als er jedoch die feuerroten Haare sah und direkt in zwei smaragdgrüne Augen blickte, stahl sich ein leichtes Grinsen auf sein Gesicht. Noch immer war es für Harry unbegreifbar, dass er seine Eltern kennenlernen durfte, auch, wenn ihm deren Tod dann noch mehr zu schaffen machte.
"Lily! Was verschafft uns die Ehre?"
"Ich wollte gerne mit deinem Vater reden. Es geht um eine Situation von gestern... Aber wenn ihr beschäftigt seid, ist das natürlich auch in Ordnung, dann komme ich ein anderes Mal wieder."
Sofort stand Sirius ebenfalls auf und ging mit großen, ausladenden Schritten auf die zukünftige Frau seines besten Freundes zu.
"Kein Problem, Lily. Ich habe Zeit. Möchtest du unter vier Augen mit mir sprechen oder können wir das in größerer Runde tun?", fragte er ernst und die Hexe antwortete zögerlich:
"Wenn es Ihnen nichts ausmacht, Professor, wäre es mir unter vier Augen lieber. Es geht um etwas sehr Privates."
Sirius nickte knapp und bedeutete ihr, auf dem Sofa in seinem Wohnzimmer Platz zu nehmen, während Hermine und Harry gemeinsam den Raum verließen.
Als sie unter sich waren, fragte der Erwachsene schließlich nach einem Moment der Stille:
"Was liegt dir auf dem Herzen, Lily?"
Die Angesprochene blickte auf.
Unsicherheit lag in ihren großen Augen.
Was würden diese nicht alles noch sehen müssen.
Was würde Lily Schreckliches erleiden müssen.
War es wirklich richtig, sie ins offene Messer laufen zu lassen?
Sirius kannte die Antwort und doch schrie sein Herz eine völlig andere.
Es schrie, er solle sie warnen. Er müsse Peter töten, bevor er so viel Unheil anrichten könnte.
Doch Sirius wusste: er durfte es nicht tun. Es wäre gegen das Gesetz der Zeit.
Außerdem tat er, was er konnte, um seine besten Freunde wenigstens wieder zurück in die Welt der Lebenden zu holen, wenn es soweit war.
"Sir, Sie haben mit Sicherheit bemerkt, wie Sirius' Patronus aussieht?"
Sirius nickte.
"Sie haben auch Marlenes Patronus gesehen. Was hat das zu bedeuten? Ist es wahr, dass dies ein Zeichen für unerwiderte Liebe ist?"
Beinahe hätte Sirius begonnen, zu lachen. Hermine und Lily waren sich unglaublich ähnlich. Doch er konnte sich zusammenreißen.
"Du hast durchaus recht. Aber von wem dies ausgeht, weißt du vermutlich besser als ich."
Lily nickte. Eigentlich wollte sie ihrem Lehrer nichts darüber erzählen, doch aus irgendeinem Grund hatte sie das Gefühl, ihm trauen zu können.
Ihn zu kennen.
Also sprach sie weiter.
"Marlene hat schon länger Gefühle für Sirius und vor ein paar Tagen hat sie sich das auch eingestanden. Aber was soll ich denn jetzt machen? Sirius hat es längst bemerkt und was, wenn er sich darüber lustig macht? Was, wenn er Marlene verletzt? Ich liebe Sirius mittlerweile wie meinen Bruder - gerade in dieser Zeit, in der der Tod meiner Eltern nicht lange her ist, fängt er mich auf und ist, gemeinsam mit James, immer für mich da. Aber Marlene ist meine beste Freundin. Sie soll die Patin meines Kindes werden, verdammt. Ich weiß nicht, was ich tun soll."
Bedächtig nickte Sirius und seufzte.
Dann beugte er sich vor und legte Lily die Hände auf die Schultern.
"Lily, du musst gar nichts tun. Die beiden werden bestimmt zu einander finden und dabei kannst du ihnen helfen, wenn du möchtest. Aber mach dir keine Gedanken, dass Sirius sie verletzt. Ich glaube, er macht einen Unterschied zwischen der besten Freundin seiner besten Freundin und irgendeinem Mädchen, das sich ihm an den Hals wirft. Hab Vertrauen in ihn."
Er wollte noch so viel mehr sagen, doch er wusste nicht, wie.
Die Worte blieben ihm im Halse stecken und ihm versagte die Stimme.
Mühsam schluckte er den Kloß in seinem Hals hinunter, während Lily leicht lächelnd nickte.
"Vielen Dank, Sir. Sie wissen gar nicht, wie sehr Sie mir geholfen haben!"
Damit stand sie auf und ging zur Tür.
Mit einem gegenseitigen Gute-Nacht-Wunsch verabschiedeten sie sich voneinander.
Anschließend rief Sirius seinen Patensohn und dessen beste Freundin wieder zu sich.
Neugierig setzten sie sich und nun kam Sirius nicht mehr darum herum, ihnen ein weiteres Stück seiner Vergangenheit zu enthüllen, das er lieber für sich behalten hätte.
"Also gut. In meinem siebten Schuljahr sind Marlene und ich ein Paar geworden. Wir waren unfassbar glücklich, einander gefunden zu haben. Nach unserem Abschluss zogen wir zusammen und bildeten gemeinsam mit Lily und James sowie Remus und Dorcas eine unzertrennliche Freundesgruppe. Peter gehörte ebenfalls zu unseren Freunden, doch er war oft nicht da. Angeblich pflegte er seine kranke Großmutter. Dass das gelogen war und er sich seine Zeit damit vertrieb, einem rotäugigen Monster den Mantelsaum zu küssen, muss ich euch ja nicht erzählen. Jedenfalls verbrachten Marlene und ich eine tolle gemeinsame Zeit. Natürlich warf der Krieg seine langen Schatten über uns, doch wir wussten immer, was wir am jeweils anderen hatten. Marlene war die tollste Frau, die ich je kennenlernen durfte. Lily war großartig, keine Frage. Aber Marlene... Naja, sie war einfach etwas ganz besonderes. Ein Schatz, der leider viel zu früh verloren gegangen ist", erzählte Sirius mit rauer Stimme.
Sowohl Harry als auch Hermine konnten sehen wie nahe ihm das Ganze ging und doch musste Harry einfach fragen, um sicher zu gehen.
"Was ist mit ihr geschehen? Ist sie...?"
"Gestorben? Ja", erwiderte Sirius bitter.
"Harry, ich kann und darf es dir nicht länger vorenthalten, bevor ich weiter erzähle. Du hast nicht nur mich als Paten. Lily und James bestimmten damals auch eine Patin für dich. Marlene. Merlin, sie war so glücklich, als sie dich sah. Wenn sie dich in ihren Armen hielt, leuchteten ihre Augen wie die Sterne. Sie war so wunderschön."
Der Erwachsene schämte sich nicht für die Tränen, die sich mittlerweile ungehindert ihren Weg seine Wangen hinab bahnten.
In Harrys Augen war Schock, jedoch auch tiefe Trauer zu lesen.
"Was... was ist passiert?", fragte er mit rauer Stimme und räusperte sich.
Schniefend wischte sich der Black mit dem Handrücken über die Augen und nahm einen Schluck des Feuerwhiskeys, bevor er auch den Rest der Geschichte erzählte.

- 31.07.1981 -

"Es ist so schade, dass Marlene erst heute Abend kommen kann. Dann schläft Harry doch bestimmt schon", seufzte Lily und blickte lächelnd zu ihrem Sohn.
"Aber Tante Marlene wird dir ganz sicher noch eine gute Nacht wünschen, mein Schatz." Der kleine Junge brabbelte glücklich vor sich hin und betrachtete seinen Spielzeugbesen, den er von Sirius und Marlene bekommen hatte. Bei Lilys Worten jedoch sah er auf und rief: "Marls!"
"Ja, mein Kleiner, die Tante Marlene kommt nachher noch. Aber ihre Schwester hat heute ebenfalls Geburtstag und deswegen besucht sie uns erst heute Abend. Aber Onkel Sirius ist ja da", mischte sich nun auch James ein. Auch auf seinem Gesicht lag ein breites Lächeln.
So schritten die Stunden voran und als es Abend wurde, wurde Harry quengelig.
Doch Marlene war noch immer nicht aufgetaucht und langsam begann Sirius, sich Sorgen zu machen. Immer wieder wanderte sein Blick zum Kamin und er wartete darauf, dass sich die Flammen grün färbten. Doch nichts geschah.
Schließlich brachten Lily und James ihren Sohn ins Bett und ließen Remus, Dorcas und Sirius im Wohnzimmer zurück.
Letzterer wurde immer unruhiger, bis er schließlich aufstand und im Zimmer auf und ab lief.
Doch kein Wort verließ seine Lippen.
Als Harrys Eltern das Wohnzimmer nach einigen Minuten wieder betraten, tauschten sie einen beunruhigten Blick.
"Marlene ist noch nicht hier?", fragte Lily sicherheitshalber noch einmal nach, doch das einstimmig Kopfschütteln steigerte ihr Unbehagen.
"Das ist nicht gut", stellte sie fest.
Sie sorgte sich sehr um ihre beste Freundin, schließlich stand auch sie auf Voldemorts Abschussliste ziemlich weit oben.
Nach einigen weiteren Minuten sorgenvoller Stille sagte Sirius schließlich mit fester Stimme:
"Lasst uns nachsehen. Bitte. Remus, Dorcas, ihr bleibt bei Harry, ja?"
Remus nickte dankbar. Der Vollmond war nicht mehr weit entfernt und er war dankbar, einem möglichen Kampf an diesem Tag entgehen zu können. Und Dorcas war beruhigt, bei Remus bleiben zu können, auch, wenn sie ebenfalls von besorgniserregenden Gedanken geplagt wurde.
Keine fünf Minuten später verabschiedeten sich Lily, James und Sirius von den beiden mit je einer langen Umarmung.
"Versprecht uns, dass ihr wiederkommt. Mit Marlene", bat Dorcas und Lily schluckte.
"Wir werden es versuchen."
Dann verließen sie das Haus und disapparierten vor dem Gartentor zu den McKinnons.

Schon bei ihrer Ankunft einige Meter vom großen Haus der Familie entfernt sahen die drei Neuankömmlinge das dunkle Mal unheilvoll vom Nachthimmel leuchten. Es tauchte die komplette Landschaft in ein unheimliches, grünes Licht.
"Merlin!", flüsterte Lily.
Wie von selbst fand ihre Hand die von James, der wiederum seinem besten Freund Halt gab.
"Das heißt ja noch nichts. Sie können geflohen sein oder noch immer kämpfen."
Krampfhaft versuchte Sirius, sich an dem Versprechen festzuhalten, das Marlene ihm einst gegeben hatte: 'Ich werde dich niemals verlassen, hörst du? Niemals!'
Schweigend setzten sich die drei in Bewegung.
Mit jedem Schritt schlug Sirius' Herz lauter. Es schlug voller Angst und Sorge.
Die gehaltenen Hände lösten sie, um ihre Zauberstäbe zu ergreifen.
Dann liefen sie weiter.
Kurz bevor sie das Haus erreichten, hielten sie jedoch, von einem hellen Leuchten geblendet, an.
Eine Kugel aus blauem Licht entfaltete sich zu einem wunderschönen Phönix. Dann begann dieser, mit der traurigen Stimme Dumbledores zu sprechen.
"Die McKinnons wurden überfallen. Voldemort selbst war hier. Es gibt keine Überlebenden."

𝑑ᵢₑ ꜱ𝒑Լᵢ𝑡𝑡ₑᵣ 𝑑ₑᵣ 𝑧ₑᵢ𝑡Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt