Kapitel 15

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Entfernt hörte ich etwas auf dem Wasser aufschlagen und jemand riss mich kurz darauf grob am Arm Richtung Wasseroberfläche. Ich öffnete die Augen, als ich gezwungenermaßen auftauchte und zog keuchend die Luft in meine verkrampfte Lunge. Ich hatte kaum Kraft mich am Beckenrad festzuhalten und wurde sogleich fest von jemandem an der Schulter herumgerissen.

„Was, verdammt nochmal, sollte das werden?" Ich sah einen wütenden und fassungslosen Lieutenant Pharell vor mir, der mich grob an der Schulter schütttelte, als müsste er mich wieder zur Besinnung bringen. Seine Stimme war mehr ein Knurren und seine Augen sahen mich so entsetzt an, dass ich den Blick abwenden musste.

„Sie tun mir weh!", murmelte ich matt und versuchte seinen Griff von meiner Schulter zu lösen, da sich seine Finger schmerzhaft in meine Haut gruben. Er zog seine Hand zurück, als hätte er sich verbrannt und stemmte sich am Beckenrand hoch. Er machte zunächst zwei Schritte Richtung Ausgang, blieb dann jedoch stehen und kam wieder zu mir zurück. Was auch immer gerade in ihm vorging, ihm war der innere Zwiespalt ins Gesicht geschrieben. Ich hörte ihn unterdrückt fluchen, als er mir eine Hand reichte und aus dem Wasser half.

„Verdammte Scheiße, Jessica! Was hatten Sie vor?", fragte er mich erneut und ich sah, dass seine Hände zitterten.

„Ich... Ich weiß nicht, es ist alles so...", stotterte ich noch immer außer Atem und wischte mir erschöpft ein paar Strähnen aus dem Gesicht. Diese Minuten unter Wasser hatten sich nicht real angefühlt und es war, als hätte mich Lieutenant Pharell aus einem Traum gerissen.

„Machen Sie das nie wieder, verstanden?" Er war sichtlich bemüht, die Lautstärke seiner zitternden Stimme zu senken, doch so recht wollte ihm das nicht gelingen. Er fuhr sich mit einer Hand durchs Haar und drehte sich erneut von mir weg.

„Es tut mir leid, ich wollte Sie nicht erschrecken.", sagte ich schließlich, weil ich überfordert war, ihn so aufgebracht und wütend zu sehen. Von dem kontrollierten und stoischen Mann der letzten Tage war jetzt nichts mehr zu sehen. Ich war durchaus neugierig gewesen, echte Emotionen und ein bisschen menschliches in Lieutenant Pharell zu finden, aber jetzt, da ich ihn so weit hatte, war ich nicht gerade stolz auf mich. Diese Situation schien ihn regelrecht aus der Bahn geworfen zu haben.

Statt zu antworten, schüttelte er nur den Kopf und fing an, seine Habseligkeiten einzusammeln. Er schien seine Schuhe und Jacke unachtsam auf den Boden geworfen zu haben, ehe er ins Wasser gesprungen iwar. Und für einen Moment hatte ich den Gedanken, dass er mir vielleicht das Leben gerettet hatte. Aber wäre ich wirklich so weit gegangen?

„Ich weiß nicht, was mit mir los ist. Ich bin die ganze Zeit so unfassbar wütend und zeitgleich müde und erschöpft. Ich habe Angst und es fühlt sich an, als würde ich allmählich die Kontrolle verlieren." Meine Stimme klang rau und leise, während ich mir nicht sicher war, ob die Worte nicht einfach an seinem Rücken abprallen würden. Nach dem gestrigen Gespräch mit Raiden hatte ich gedacht, dass es endlich wieder bergauf gehen würde, doch der heutige Tag hatte mich wiederum so nah an den dunklen Abgrund in mir gestoßen, dass ich mit den Armen ruderte, um das Gleichgewicht zu halten.

Ich hörte, wie Lieutenant Pharell tief durchatmete, ehe er sich endlich wieder zu mir umdrehte. Das Entsetzen und die Wut waren aus seinem Gesicht verschwunden, stattdessen hatte er sich etwas gefasst und sah mich nun eher besorgt und nachdenklich an.

„Mit Ihnen hat man echt keine ruhige Minute.", schimpfte er seufzend, doch ich nahm ihm diese Bemerkung nicht übel. Irgendwie hatte er ja recht, ich war in letzter Zeit zu oft eine Belastung für die Menschen um mich herum. Jedoch hatte ich keine Ahnung, wie ich mit der Flut an Gefühlen umgehen sollte, die mich so regelmäßig überrollte.

„Man darf Gefühle nicht verdrängen, sondern muss einen Weg finden, sie anzunehmen und für sich zu nutzen oder sie loszulassen. Ich hätte Ihnen die Schwimmhalle nie gezeigt, wenn ich gewusst hätte, dass Sie versuchen, sich bei der nächstbesten Gelegenheit umzubringen." Ich hörte den Vorwurf in seiner Stimme und schlang fröstelnd die Arme um meinen Oberkörper. Jetzt da das Adrenalin nachließ, spürte ich die Kälte in meinen Gliedern und die nasse Unterwäsche tat ihr übriges. Auch Lieutenant Pharell schien jetzt erst mein Aufzug zu bemerken. Er rieb sich mit den Fingern über den Nasenrücken, als würde ihn Kopfschmerzen plagen, ehe er meine Klamotten von einer der Sitzbänke holte. Ich nahm sie ihm dankend ab und sah mich dann etwas suchend um. Doch da ich keine Schilder für Umkleiden entdeckte, seufzte ich ergeben.
„Würden Sie sich bitte kurz umdrehen?", fragte ich ihn zerknirscht. Er tat wortlos wie ihm geheißen, ich entledigte mich meiner nassen Unterwäsche und schlüpfte dann hastig in meine trockenen Sachen.

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