Kapitel 47

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Lieutenant Pharell war lässig gekleidet, mit Jeans und schlichtem Shirt. Sein feuchtes Haar war zerzaust, als wäre er gerade erst aus der Dusche gekommen. Er zögerte eine Sekunde, ehe er wortlos die Tür für mich aufhielt und mich eintreten ließ. Im Vorbeigehen nahm ich einen angenehmen Geruch nach Duschgel wahr. Die Tür hinter mir schloß sich mit einem leisen Klicken und war das letzte Geräusch, bevor sich ein tonnenschweres Schweigen über uns legte. Ich nahm endlich meinen Mut zusammen und drehte mich zu ihm um. Er  hatte lautlos die wenigen Schritte bis zu mir überwunden und stand nur einen Meter von mir entfernt. Nachdem ich mir erneut Mut zugesprochen hatte, schaffte ich es auch endlich den Blick zu heben und in seine Augen zu schauen. Eigentlich hatte ich ihn konfrontieren wollen, dass er mich gestern Abend einfach alleine im Sportraum zurückgelassen hatte. Denn wäre er nicht gegangen, hätte die drei maskierten Männer mich vielleicht nie abgefangen. Ich hatte den ganzen Tag die Angst hin- und herbewegt, dass er es mit Absicht eingefädelt haben könnte und darüber Bescheid wusste. Aber als ich jetzt in seine Augen schaute, da hätte ich schwören können, dass er nichts von diesem Hinterhalt gewusst hatte. Sein Blick war aufrichtig und fürsorglich. So sah doch kein berrechnender Verräter aus, oder?

"Ich..", setzte ich an, brach jedoch schon nach dem ersten Wort ab und senkte den Blick. Dabei schaute ich auf seinen Unterarm, auf dem man deutlich die roten Ränder eines Bisses erkennen konnte. Meine Wangen wurden ganz warm, als ich daran dachte, dass das mein Verdienst war. Vorsichtig griff ich nach seiner Hand und drehte seinen Unterarm nach oben, sodass ich die Stelle besser betrachten konnte. Vorsichtig strich ich mit meinem Zeigefinger darüber.

"Es tut mir leid, dass ich dich gebissen haben... und das ich dich im Training vor allen angegriffen habe.", entschuldigte ich mich aufrichtig und schaute in sein Gesicht, um zu erkennen, ob er es mir sehr übel nahm. Doch stattdessen lächelte er belustigt. "Schon gut. Auch wenn ich kurz überlegt hatte, ob du nicht vielleicht ein Vampir bist und mich markiert hast.", scherzte er locker und sein Lächeln verwandelte sich in ein Grinsen.

Etwas beleidigt boxte ich leicht gegen seine Schulter und schnaubte entrüstet. "Wenn ich ein Vampir wäre, dann hätte ich dich heute mit Leichtigkeit einen Kopf kürzer gemacht."

"Das stimmt wohl, auch wenn dein Auftritt auch so schon ein bisschen beeindruckend war. Du hattest einen guten Lehrer.", schmunzelte er und machte sich damit selbst ein Kompliment.

"Ich bin einfach ein Naturtalent. Also sei froh, dass Brian heute dazwischen gegangen ist.", erwiderte ich gespielt schnippisch und tat, als würde ich desinteressiert einen Fussel von meiner Schulter wischen. Lieutenant Pharell lachte darauf leise und strich seine Haare nach hinten. Doch sie wollten ihm nicht gehorchen und fielen sogleich wieder über seine Stirn. Wir grinsten uns noch einen Moment an, ehe die Stimmung zwischen uns wieder ernst wurde. Als ich ihn so betrachtete, schoben sich automatisch die Erinnnerungen in den Vordergrund, wie gefühlvoll und leidenschaftlich er mich geküsst hatte. So vorsichtig, als wäre ich etwas kostbares und zerbrechlich.

"Warum bist du nach unserem Kuss davongelaufen?", wagte ich es endlich zu fragen, auch wenn ich tatsächlich Angst vor der Antwort hatte.

"Jessica, Sie sind mir so tief und unweigerlich unter die Haut gegangen, dass ich einfach kalte Füße bekommen habe. Es tut mir wahnsinnig leid, dass ich einfach so davongestürmt bin.", gestand er leise mit etlichen Pausen. Auch wenn ihm diese ehrlichen Worte nicht leicht zu fallen schienen, so schaute er mir dabei unentwegt in die Augen. Und ich erkannte nichts als Aufrichtigkeit, Bedauern und etwas viel wärmeres, was ich auch in den Augen von Raiden erkannt hatte... Zuneigung. Bei seinen Worten stockte mir der Atem. Ich bin ihm unter die Haut gegangen. Die Bedeutung dieser Worte rührte viel zu stark in der unübersichtlichen Emotionensuppe in mir.

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