Kapitel 12

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Der Anblick eines schlecht gelaunten Brians vor meiner Tür wischte auch noch den letzten Rest Schlaf beiseite. Er hatte mir gestern beim Abendessen die kalte Schulter gezeigt und auch sonst schien er mir aus dem Weg zu gehen. Ebenso jetzt erkannte ich in seinen grauen Augen nur ein herablassendes und abweisendes Funkeln.

„Guten Morgen! Ich wurde geschickt, um dich zu wecken.", sagte er frostig und war offensichtlich mehr als unzufrieden damit, als Bote herhalten zu müssen.

„Brian, es tut mir leid wegen gestern. Ich glaube, wir haben uns auf dem falschen Fuß erwischt. Auch wenn du nicht gerade freundlich warst, so möchte ich trotzdem den ersten Schritt machen. Ich finde, wir sollten uns wie Erwachsene verhalten. Wir müssen keine Freunde werden, aber zumindest sollten wir einigermaßen miteinander auskommen." Ich nutzte meine Chance, ihn mal allein zu sprechen und versuchte keinen Gedanken daran zu verschwenden, dass ich gerade nur ein großes Schlafshirt trug. Es reichte mir zwar bis zu den Oberschenkeln, aber trotzdem fühlte ich mich entblößt und verletzlich.

Statt einer Antwort hob er nur abfällig eine Augenbraue und wandte sich dann tatsächlich ohne ein weiteres Wort ab. Ich rollte genervt über sein kindisches Verhalten mit den Augen und machte mich daran, mir etwas anzuziehen und danach ins Bad zu gehen. Zumindest hatte ich versucht Frieden zu schließen, alles andere lag jetzt an ihm. Und letztendlich konnte es mir eigentlich egal sein. Die Mensa zu finden war nicht schwer, da ich eigentlich nur dem Strom an Soldaten folgen musste.

„Jess!", hörte ich hinter mir meinen Namen und drehte mich überrascht um. Ich brauchte einen Moment, ehe ich Jacob in der Menge ausmachte. Etwas außer Atem kam er neben mir zum Stehen und lächelte mich strahlend an. „Guten Morgen! Ich bin überrascht, dich ohne Begleitung anzutreffen.", begrüßte er mich und sah sich trotzdem vorsichtig um, als würde er damit rechnen, gleich von Raiden zurechtgewiesen zu werden.

„So langsam kann man mich auch allein loslassen. Die wichtigsten Wege und Gebäude kenne ich allmählich.", erwiderte ich und wir setzten uns langsam in Bewegung. Mit Jacob war es unkompliziert ein Gespräch anzufangen und schon bald waren wir in eine Diskussion über Frühstück und Kuchen vertieft. Wie wir darauf gekommen waren, konnte ich im Nachhinein nicht mal mehr sagen. Wir rückten in der Schlange vor und nahmen unsere Schüsseln mit dem alltäglichen Haferschleim entgegen. Allerdings war ich angenehm überrascht, als es heute noch eine Kelle heiße Kirsche dazu gab.

„Wo sitzt du immer?", fragte ich ihn, als wir uns in der schon gut gefüllten Mensa umsahen.

„Ach mal hier und da, je nachdem wo Platz ist.", erwiderte Jacob ausweichend und ich wies ihn kurzerhand an, mir zu folgen. Er zögerte für einen Moment, ehe er mir widerstrebend folgte. Ich hatte bereits den Tisch ausgemacht, an dem Raiden, Alan, Kenneth, Corban und Brian saßen. Ich war überrascht, als Brian diesmal nicht aufsprang, sobald ich an den Tisch trat. Jacob fühlte sich sichtlich unwohl und folgte dennoch meiner Aufforderung und setzte sich auf den freien Stuhl neben mir.

„Guten Morgen.", rief ich in die Runde und lächelte, als mein Blick bei Raiden hängen blieb, der missbilligend zwischen mir und Jacob hin und her sah. Ich hob fragend die Augenbrauen und hoffte, dass er sich benehmen würde. Er schien meine unausgesprochene Bitte zu verstehen und wandte sich dann wieder den anderen.

„Unsere Übung wird heute leider ins Wasser fallen, da ich Jess zum Colonel begleiten werde. Ihr seid stattdessen auf dem Schießplatz eingeteilt, auch wenn ich weiß, dass ihr eigentlich keinen Übungsbedarf habt. Bereitet mir bitte trotzdem keine Schande.", wies Raiden die anderen Männer an, mit einer Mischung aus Ernst und Humor.

„Bauchst du jemanden zum Händchenhalten und zum Taschentücher reichen? Oder traust du dich nicht alleine zum Colonel?", fragte Brian bissig an mich gewandt, sodass es alle am Tisch klar und deutlich hören konnten. Seine Feinseligkeit war so offensichtlich, dass es mir für einen Moment die Sprache verschlug. Was war sein verdammtes Problem?

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