Kapitel 28

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Lieutenant Pharell wartete bereits auf mich und erhob sich im Halbschatten von einer der Bänke an der Seite des Raumes. Ich streifte ebenso meine Schuhe ab, ehe ich die Matten betrat und mich vor ihm aufstellte.

„Da ich keine weiteren Verletzungen deines Rückens riskieren möchte, werden wir ab jetzt immer mit einem Aufwärmtraining beginnen.", teilte er mir seinen Plan mit. Ich war nicht sonderlich begeistert, aber ich fügte mich seinem Vorschlag, da ich es mir nicht endgültig mit ihm verscherzen wollte.

Ich folgte seinen Bewegungen und wir arbeiten uns von Lockerungsübungen zu Dehnübungen vor. Zuletzt ließ er mich eine gefühlte Ewigkeit Hampelmänner absolvieren, bis ich schwer atmend kapitulierte. Meine Kondition war nach wie vor schlecht und auch Lieutenant Pharell stellte fest, dass wir das ab jetzt fest in unseren Trainingsplan aufnehmen sollten. Ich verkniff mir den Kommentar, dass ich hier eigentlich zum Spaß trainierte und nicht für einen Zehnkampf. Doch auch das Training versprach nicht weniger anspruchsvoll zu werden, da er mir heute die verletzlichsten Punkte bei einem möglichen Angreifer zeigte und wie man sie mit Schlägen und Tritten attackierte. Es waren nur die einfachsten Grundlagen, aber es war ein gutes Gefühl mich im Notfall gegen jemanden verteidigen zu können. Lieutenant Pharell jedoch fing meine Schläge mithilfe von gepolsterten Handschuhen mühelos ab. Konzentrierte ich mich zu Beginn noch auf die Technik und das, was Lieutenant Pharell mir erklärt hatte, so pulsierte mehr und mehr der gesamte Frust des Tages in mir hoch. Da mein Gegenüber noch nicht mal außer Atem schien, wurden meine Schläge und Tritte fester und schneller. Aufgrund meines desolaten Fitnesszustandes waren sie aber trotzdem keine Herausforderung. Ich spürte die Wut, den Frust und die Überforderung aufgrund der heutigen Geschehnisse. Mein Besuch bei Colonel Baker und mein Streit mit Raiden lasteten ebenso auf mir, wie die Angst vor dem bevorstehenden Treffen mit Baschar. All das ergab eine Mischung, die mich wie eine Wahnsinnige auf den Lieutenant losgehen ließ. Die ganze Anspannung, welche sich den Tag über in mir angestaut hatte, entlud sich in meinen Angriffen. Ich war wie im Tunnel und tauchte erst wieder hinter dem dunklen Vorhang aus Gefühlen auf, als ich Lieutenant Pharell verhalten stöhnen hörte. In meiner Rage hatte ich tatsächlich einen Tritt seitlich in seinen Bauch gelandet und erschrocken hob ich entschuldigend die Hände.

„Tut mir leid, ich wollte Sie nicht verletzen!", entschuldigte ich mich zerknirscht und keuchend. Jetzt erst spürte ich die Anstrengung, die mich das Training bis jetzt gekostet hatte. Mein Herz hämmerte schnell und rhytmisch in meiner Brust. Der Schweiß rann in Strömen über meine Schläfen und das Shirt klebte regelrecht an mir.

„Schon gut, ich hatte ihn nur nicht kommen sehen.", winkte Lieutenant Pharell ab und nutzte die kurze Pause, um seine Haare wieder nach hinten zu streichen. „Sie scheinen wieder ein bisschen Wut loswerden zu müssen?", fragte er belustigt.

„Mmmh, vielleicht...", stimmte ich verlegen hinzu und ließ mich auf die Matte fallen. Ich schwitzte aus jeder Pore und mein Atem ging schnell und flach.

„Wollen Sie darüber reden? Was Sie so aufwühlt, meine ich.", erkundigte sich Lieutenant Pharell vorsichtig und ließ sich neben mir im Schneidersitz nieder.

„Stimmt es, dass Sie dem Colonel regelmäßig Berichte über mich zukommen lassen?", fragte ich direkt, ohne lange um den heißen Brei herumzureden. Der Lieutenant runzelte bei dieser Frage die Stirn und ließ sich für meinen Geschmack ein bisschen zu viel Zeit mit der Antwort.

„Tatsächlich hat der Colonel mich beauftragt, Sie im Auge zu behalten und ihn über Auffälligkeiten zu informieren. Allerdings kann ich Ihnen versichern, dass ich seine Skepsis nicht teile und nur Positives berichtet habe. Hat er etwas in diese Richtung zu Ihnen gesagt?" Mein Bauchgefühl und ich waren uns sofort einig, dass seine Antwort glaubwürdig klang. Aber erschreckender Weise fiel es mir sowieso sehr leicht, dem Lieutenant Glauben zu schenken. Warum ich ihm so bedingungslos vertraute, konnte ich selbst nicht sagen.

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