Kapitel 25

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Ich fragte mich, wie wohl Raiden seine Abende verbrachte. Ein schlechtes Gewissen erfasste mich, als mir bewusst wurde, dass ich gerade den Abend bei Lieutenant Pharell verbracht hatte, während ich nicht mal wusste, wo sich überhaupt Raidens Zimmer befand. Der Gedanke an Raiden erfüllte mich mit Traurigkeit. So lange hatte ich davon geträumt, ihn wieder zu sehen und mir vorgestellt, wie es mit uns weiterging. Doch niemals würde ich von ihm verlangen, dass er seinen Job riskierte. Wir waren in einer Sackgasse und ich hatte keine Ahnung, wie ich ihm morgen ins Gesicht schauen sollte und welche Aussichten unsere Beziehung überhaupt hatte. Dabei konnte man ja noch nicht mal von einer Beziehung sprechen.

Am nächsten Morgen weckte mich wie immer ein Klopfen an der Tür, doch ich machte mir nicht die Mühe zur Tür zu gehen. Meistens war die jeweilige Person schon wieder verschwunden, bevor ich mich aus dem Bett geschält hatte und zur Tür gewankt war. Umso mehr brachte es mich aus dem Takt, als ich mich auf den Weg ins Bad machen wollte und Corban, an der gegenüberliegenden Wand gelehnt, auf mich wartend vorfand.

„Guten Morgen.", grüßte ich ihn und versuchte mich trotz der bleiernen Müdigkeit an einem Lächeln.

„Guten Morgen.", erwiderte er meinen Gruß. Während ich bei einer ausgiebigen Dusche langsam wach wurde, hoffte ich, dass er nicht extra auf mich wartete. Natürlich ging mein Wunsch nicht in Erfüllung und er stand noch immer an der selben Stelle, als ich meine Sache in mein Zimmer brachte und schließlich die Zimmertür hinter mir zu zog.

„Was machst du hier?", fragte ich ihn verunsichert und wir machten uns zusammen auf den Weg zum Frühstück.

„Dich fragen, wie es dir geht." Er hielt mir die Tür auf und wir traten ins Freie. Ich runzelte bei seiner seltsamen Antwort die Stirn.

„Und warum bist du wirklich hier?", hakte ich nach, um ihn zu signalisieren, dass sein plötzliches Auftauchen am Morgen mich misstrauisch werden ließ.

„Ok ok, ich frage mich nur, was zwischen dir und Raiden gestern vorgefallen ist?", kam er diesmal ohne Umschweife auf den Punkt und lief etwas dichter neben mir.

„Wie kommst du darauf, dass etwas vorgefallen ist?" Meine besten Möglichkeiten waren eine Gegenfrage oder die Unwissende zu spielen.

„Jess, ich bin doch nicht blöd. Du meidest ihn offensichtlich und er hatte gestern eine Laune, als hätte jemand vor seinen Augen Welpen getreten.", murmelte er eindringlich und rempelte mich mit der Schulter an. Durch den Schwung musste ich einen Schritt zur Seite ausweichen und stieß dadurch wiederum einen anderen Soldaten an. Ich entschuldigte mich hastig bei ihm und schaute dann verärgert zu Corban. „Spinnst du? Ich habe keine Ahnung, wovon du sprichst.", beharrte ich.

„Ok, dann erzähle es mir halt nicht. Aber eine Bitte habe ich, egal worum es hier geht und was zwischen euch vorgefallen ist, klärt das! Wir brauchen Raiden mit einem klaren Kopf!" An seinem ernsten Tonfall hörte ich, dass er nicht scherzte und wusste nun absolut nicht mehr, was ich sagen sollte. Zum Glück schob die Warteschlange sich heute schnell vorwärts und als ich mich auf meinen Teller konzentrieren musste, hatte ich eine gute Ausrede, um nicht auf seine Bitte zu antworten. Natürlich wusste ich, wovon er sprach, aber wie sollten wir das bitte klären? Ich bezweifelte, dass Reden etwas brachte. Da heute Sonntag war, gab es ausnahmsweise ein typisch englisches Frühstück mit Rührei, Bohnen und viel Fleisch. Ich freute mich auf meinen vollen Teller und schaute mich nach Jacob um, als Corban einfach meinen Arm griff und mich mit sanfter Gewalt hinter sich herzog.

„Was wird das, wenn es fertig ist?", murrte ich unglücklich, als wir natürlich den Tisch ansteuerten, an dem sich Kenneth, Brian, Alan und Raiden bereits über ihr Frühstück hermachten.

„Ich pass auf, dass du am richtigen Tisch sitzt.", antwortete er unauffällig und zog mir demonstrativ einen Stuhl zurück. Ich setzte mich seufzend und fand mich zwischen Brian und Raiden wieder. Super! Das Frühstück konnte ja toll werden!

KampfgeistWo Geschichten leben. Entdecke jetzt