Kapitel 1

152 3 0
                                    

Harry Potter fror.
Er rieb sich seine klammen Hände und stieß seinen warmen Atem gegen seine tauben Finger. Kleine Wölkchen bildeten sich. Seine Stiefel trippelten auf der Stelle und hinterließen tiefe Eindrücke in dem eisigen Weiß. Die Kapuze seiner Jacke hatte er tief in sein Gesicht gezogen, worunter sich eine schwarze Mütze und sein ebenso dunkles strubbeliges Haar befanden. Ein Zug ratterte über ihm her und kurz blickte er nach oben. Schutt rieselte herunter. Die Brücke, unter der er sich befand, hatte wohl schon einige Jahre hinter sich. Die zerbeulte Tonne, in der ein Feuer prasselte, durchzogen sich unzählig feine Risse.
Um die Wärmestelle herum standen weitere Männer in verschlissener Kleidung und steinernen Gesichtern, aus deren Augenhöhlen stumpf sie heraus starrten.
Sie waren Verstoßene, Flüchtlinge. Verbannt aus der Zaubererwelt und auch die Muggel hatten keinen Platz für sie. Wer wollte einen Squib in der Familie? Und wer mochte jemanden ernähren, der aus dieser Teufelssitte stammte?
Doch auch junge Muggelgeborene nicht einmal fünf Jahre alt, verstoßen von ihren Eltern, standen im Kreis und wärmten sich. Die Welt war nicht mehr das, was sie einmal gewesen war.
Die Menschen ohne jegliches magisches Blutes in den Adern wussten von den anderen. Und jeder lebte in Angst, sie könnten ein solches Balg hervorbringen. Denn sie waren des Teufels. Der Hölle entsprungen. Von Dämonen besessen. Ebenso war es in der anderen Welt üblich ein Balg von nichtmagischen Blute, einen Squib, zu verstoßen.
So standen sie hier, in Angst vor beiden Welten und vereint durch ihre Andersartigkeit.


Der Krieg hatte sich ausgebreitet. Nicht nur England stand nun unter der Macht des neuen Ministers. Ganz Europa hatte sich dem Willen gebeugt und kämpfte nun an Seite der Asiaten gegen den Rest der Welt. Es schien, als würden die Australier aufgeben. Und auch Afrika war so gut wie unter seiner Hand. Nur Amerika ließ sich nicht unterkriegen und kämpfte mit zusammengebissenen Zähnen.

Harry schaute sich um. Immer noch waren alle stumm und starrten in die Leere. Er schob seine Hände in die Jackentaschen und drehte sich um. Blicke lagen auf seinen Schultern. Hatte man ihn erkannt? Zügig machte er sich auf zu seinem Schlafplatz.

Die Läden, an denen er vorbeikam und die noch vor drei Jahren offen hatten, waren nun entweder geschlossen oder wurden zerstört.Glasscherben knirschten unter seinen Sohlen. Rechts von ihm, hörte er einen Dampfer auf der Themse. Ansonsten war alles still. Kein Betrunkener, keine Hure, die sich anbot und auch keine Gang von halbstarker Jungs stand in den Ecken. In der Ferne bellte ein Hund.Er bog ab und zwängte sich durch eine enge Gasse. Dann apparierte er.Harry befand sich in einem kleinen Innenhof. Er zog seinen Zauberstab, murmelte ein paar zischende Laute und die Tür öffnete sich. Der Schwarzhaarige trat ein. Drinnen roch es muffig. Er stieg eine knarzende Holztreppe hoch und gelangte von dort in eine Art Wohnküche. An den Wänden hingen vergilbte Zeitungsausschnitte und Plakate von Vermissten und Gesuchten. Harry drehte sich und sah sich selbst entgegen. Unter ihm befand sich eine sechsstellige Zahl. Das Einzige, worin sich die beiden unterschieden war, dass das Bildnis ihm mit grünen Augen entgegen starrte. Er wandte sich ab und stolperte über einen Stapel Bücher. 'Keine Narben mehr – Heilung leicht gemacht', 'Schutzwälle – einfach von der Hand' oder 'Ein Fingerschnipsen und Sie sind nicht mehr Sie selbst – Verwandlung am eigenen Körper'. Er ließ sich mit einem stillen Seufzer auf dem Sofa nieder und griff nach der Decke. Dann legte er sich hin und mit einem letzten Blick auf sich selbst schloss er die Augen und fiel in einen unruhigen Schlaf.


Außerhalb Londons saß ein Mann in einem Sessel ebenfalls vor einem Feuer. Dieses prasselte in einem Silber verzierten Kamin, auf dessen Boden sich eine zusammengerollte Schlange befand. Hin und wieder zuckte eine gespaltene Zunge hervor.Auf den Lehnen des Sessels lagen in dunklen Stoff gehüllte bleiche Arme, die in langen dürren Fingern endeten. In einer der Hände befand sich ein Stab aus Holz. Kleine Funken stoben aus dessen Spitze. Die roten Augen des Lords starrten ins Feuer. Seit drei Jahren nun suchte er nach dem Jungen. Er war zwar schon, aus Sicht der Regeln ein erwachsener Mann, doch für ihn war Potter immer noch ein Junge. Einer der schon viel zu lange verstecken spielte und sich vor ihm verbarg. Ein-, zweimal hatten ihn seine Diener sichten können, doch auch wenn er ein Junge war, seine Fähigkeiten waren gewachsen. Vielleicht waren sie sich auch schon ebenbürtig, flüsterte eine Stimme in seinem Hinterkopf. Voldemort zischte wütend und befahl der Stimme, leise zu sein. Naginis Kopf zuckte hoch und sah ihren Meister an.»Alles gut, meine Liebe.«, beschwichtigte ihr Meister sie und sie legte sich wieder ihn.Der Lord erhob sich und trat an eines der hohen Fenster. Draußen war es dunkel.Voldemort war sich sicher. Er würde den Jungen finden.


Als der Junge-der-lebt, am nächsten Morgen aufwachte, zitterte er leicht. Die Decke, die ihn wärmen sollte, lag auf dem staubigen Holzfußboden. Er sprach einen Tempus. Halb Sieben. Harry ging ins Bad und hockte sich vor die Badewanne. »Auquamenti calidus.« Er zog seine Kleider aus und legte sich hinein. Er seufzte. Eine Gänsehaut lief über seinen Körper.

Draußen war es wie immer kühl. Er hatte seinen Tarnumhang um und streifte durch die Straßen. Sein Blick blieb an einem Lebensmittelladen hängen. Er wartete, bis jemand die Tür öffnete, und schlüpfte mit hindurch. Harry streifte durch die Regale und zog hier und da etwas hervor und steckte es in seinen Rucksack. Dann machte er sich auf zum Borough Market. Dort hatte er wie fast jeden Abend in den Ecken mit den Anderen gestanden.Der Duft von Gebäck, Fisch, Wurst und anderem Allerlei stieg ihm in die Nase und ließ seinen Magen knurren. Er hatte den Tarnumhang abgelegt und besah sich die bunten Speisen.»Das Ende ist nah! Das Ende ist nah!«, hörte Harry plötzlich jemanden rufen. Ein alter Mann mit zotteligem Haar und einem langen Bart hielt ein Schild aus Pappe hoch, auf dem mit Edding geschrieben stand: Gott segne die Menschheit!Er schüttelte den Kopf.»Du Junge!«, der Mann sah ihn an, »Pass auf dich auf! Die Dämonen sind unter uns!«»Gott wird da auch nicht helfen können.«, entgegnete der Schwarzhaarige grimmig und wollte weiter gehen, doch der Alte hielt ihn fest.»Der Herr segne dich, mein Lieber.«Für einen absurden Augenblick sah er Dumbledore vor sich. Dann änderte sich das Bild und der Penner stand wieder vor ihm. Harry riss sich wütend los.»Ich glaube nicht an Nächstenliebe und an irgendeinen verdammten Gott!«Der Mann sah ihn traurig an... Es hätten nur noch die Halbmondgläser gefehlt.»Der Herr schützt auch die, die nicht an ihn glauben. Er schützt alle mit reinem Herzen.«Harry lachte trocken.»Und was wenn ich ein Dämon bin? Besessen?«Der Alte wich von ihm zurück.»Na geht doch!«, murmelte Harry...und das war nicht mal eine Lüge...Oh ja! Er war besessen. In seinem Inneren brannten zwei rote Augen. Er hörte ein Lachen. Kalt. Grausam.Ihm war der Appetit vergangen.

Der junge Mann machte sich wieder auf zu seiner bescheidenen Bleibe. Ob er wollte oder nicht, der alte Mann verschwand einfach nicht aus seinem Gedächtnis. Ob es daran lag, dass er ihn an den ollen Schulleiter erinnerte? Wütend kickte er eine leere Coladose vor sich her.Der verdammte Greis ließ ihn einfach nicht los! Harry knirschte mit den Zähnen.


Er spritzte sich etwas Wasser ins Gesicht und hielt sich an dem Waschbecken fest. Harrys Blick wanderte zum angelaufenen Spiegel. Langsam klang der Verschleierungszauber ab.Zwei glühend rote Augen starrten ihm aus seinem Gesicht heraus an. Auch seine Narbe war wieder da.Einige Sekunden verharrte er, dann schnellte er herum. Harry wollte es nicht sehen. Er ballte seine Hände zu Fäusten. Der Spiegel zersprang und feiner Glasstaub bildete sich auf dem Badezimmerboden. Das würde er nachher reparieren.

Kurze Zeit später saß er auf dem Sofa und aß etwas von seinem Raubgut. Er biss gerade in ein Sandwich, als von draußen Schreie erklangen. Er sprang auf und rannte zum Fenster.Auf der Straße stand eine Frau mit einem kleinen Jungen, wohl ihr Sohn, und gegenüber der Dame drei Todesser.»Rück den Jungen raus.«, schnarrte einer der beiden. Harry erkannte die Stimme. Dolohow.»NEIN!«, kreischte die Frau und etwas Gelbes blitzte aus ihren Fingern.Mit Leichtigkeit blockte ein anderer den Zauber.»Crucio!« die Muggelfrau ging zu Boden und der Elektroschocker rollte aus ihren Händen.Der dritte Todesser schnappte sich den Jungen.»Nein! Micheal! NEIN!«, rief sie, doch ein grüner Blitz brachte sie zum Verstummen. Mit einem lauten Knall verschwanden die drei Gestalten.Ein Muggel beschützte ihren Sohn, der ein Zauberer war? So etwas gab es noch? Er setzte sich wieder auf das Sofa. ...Nein ... Wohl eher ein Squib und kein Muggel.Das Sandwich schmeckte.Harry... komm zu mir ... Harry...Er wälzte sich.Harry...Harry...Harry schwitzte.Dann zog ihm jemand die Decke weg.Vor ihm standen vier Jungen.Sie waren in seinem Alter.»Freak!«, rief einer. »Du Freak! Wach auf!«Angst überkam ihn.»Schaut ihn euch an!«Gelächter.»Riddle, was willst du jetzt tun, hä?«Gelächter.Jemand schlug ihn und er viel aus dem Bett.Klitschnass wachte er auf. Er lag auf dem Fußboden. 'Nicht schon wieder!', durchfuhr es ihn. Ein Blick nach draußen verriet ihm, dass es früh am Morgen war.Die Träume wurden immer stärker, kamen immer öfter. Er ging ins Bad und blickte in den reparierten Spiegel. Seine blutroten Augen waren glasig und er hatte Augenringe. Müde murmelte er: »Occulta.«Seine Augen wurden blau und auch seine Narbe verschwand.

Novum AmenoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt