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Friedhof der Heiligen Geist Kirche
----Das schwarze Loch in mir grohlte wieder auf und verschlang jedes bisschen Farbe um mich herum, als ich aus der Ferne beobachtete, wie sie meinen Mann ins ewige Reich der Toten entließen. Jane und ihre Familie.. Pauls Familie, bekreuzigten sich und warfen Rosen ins Grab, dann schlossen sie sich lange in die Arme. Selbst aus der Entfernung konnte ich das zittern ihrer Knie erkennen. Auch ich zitterte und schluchzte, aber da gab es niemanden, der mich hielt. Trostsuchend blickte ich in den Kinderwagen. Helen schlief noch immer so friedlich, dass mir doch tatsächlich ein kleines Lächeln übers Gesicht huschte. Als ich zurück blickte, löste sich die Trauergemeinde langsam auf. Als auch Jane ihren Platz verließ, machte ich mich langsam auf den Weg. Der feine Sand knirschte unter den Rädern des Kinderwagens, als ich den Weg entlang lief, der sich anfühlte wie der Gang zur Guillotine. Tränen versperrten mir die Sicht, je näher ich kam, desto schwerer fiel es mir den Atem ruhig zu halten.
Meine Hände zitterten, als ich die Rose und ein altes Kuscheltier von Helen aus dem Korb am Kinderwagen zog. Ich wendete mich zum Grab, das klaffende Loch war so endgültig. Der Sarg war mit einzelnen Blumen bedeckt, Erde lag darauf.
Ich konnte mich nicht länger halten, ich sackte zusammen und weinte bitterlich. So sehr, dass mein eigenes Schluchzen die Luft um mich zerriss.
,,Wer bist du !?" Wimmerte ich und sog Luft durch die Nase.
,,Was hast du getan Paul ? Warum hast du das getan ?" Ich krümmte mich, mein Magen schmerzte, mein Hals zog sich zusammen.
,,Ich liebe dich doch verdammte scheiße! Was mach ich hier ohne dich ?"
,,Hast du eine Sekunde an deine Tochter gedacht du Arschloch !?" Spuckte und fluchte ich, feuerte Kies vom Weg in sein Grab. Die Steine prallten auf den Holzsarg. Ich schnappte nach Luft, als das Geräusch ertönte, presste mir beide Hände vor den Mund und schrie. Ich schrie, so sehr, so laut ich konnte und war doch stumm. Hörbar für niemanden, übersehen, zurück gelassen. Ich ließ meinen Oberkörper nach vorn sinken, bis meine Stirn die raue, kalte Erde spürte. Ich atmete, holte immer wieder tief Luft und hatte trotzdem das Gefühl zu ersticken. Dann presste ich die Lippen und Augen zusammen.
,,Das ist alles nicht wahr.. weck mich auf.. Bitte! Weck mich auf! Paul.. bitte.."Nach einer ganzen Weile setzte ich mich wieder auf, wischte mir den Dreck von der Stirn und starrte auf den kalten Sarg.
Ich war für den Moment völlig leer geweint, leer geschrieen. Das Leben hatte mich ausgesaugt, der Tod hatte mich mit verderben gefüttert.
Ich holte aus und warf die Rose und das Kuscheltier ins Grab, starrte noch eine Ewigkeit in die Leere und begann zu sprechen. Erinnerungen keimten in mir auf.
,,Weißt du noch, als wir uns kennen gelernt haben Paul ? Ich war sofort schockverliebt in dich. Deine blauen Augen haben mich sofort gefesselt. Das war neben der Geburt unserer Tochter das schönste Gefühl, dass ich je gespürt habe."
Ich schniefte, musste kurz lächeln bei dem Gedanken.
,,Unser erster.. und jetzt auch letzter gemeinsamer Urlaub, bevor wir zu dritt waren, in der Skihütte mitten im Nirgendwo. Wir waren so eingeschneit, dass wir drei Tage nicht vor die Tür konnten. In diesen drei Tagen waren wir uns so unfassbar nah. Wir waren so echt und so verdammt hungrig, weil wir die ganzen Vorräte schon am zweiten Tag aufgefuttert haben.." Leise lachte ich auf.
,,Diese Erinnerungen, die schönen, die werde ich aufbewahren. Für Helen. Den Rest kannst du mit in die Hölle nehmen."
Schritte scharrten über den Weg, ich schrack hoch, wich sofort zurück.
,,Ich wollte Sie nicht erschrecken." Ertönte seine Stimme. Paul. Nocheinmal zuckte ich zusammen, nahm noch mehr Abstand.
Er zog die Hände aus seinen Manteltaschen.
,,Sind Sie Lena ?" Zögerlich nickte ich. Ich wollte ihm auf keinen Fall zu nahe kommen. Zu sehr irritierte mich sein Anblick. Das dunkle Haar, die Nase und die schmalen Lippen...blaue Augen.
,,Ich bin Michael.. Lukas Bruder. Es tut mir schrecklich leid, was passiert ist. Ich.. ich begreif das selbst alles nicht.." Seine Stimme brach weg, wurde deutlich leiser.
,,Können Sie ja nichts für.."
Er nickte, schaute mich kurz an.
,,Ich weiß, ich soll mich von Jane bei Ihnen bedanken, dass Sie gekommen sind. Sie konnte nicht selbst rüber kommen." Er seufzte leise, trat von einem Bein aufs andere und stopfte die Hände zurück in die Manteltaschen.
,,Jane und ich waren seine einzigen Bezugspersonen. Es gab nie einen Anlass zu denken, dass er fremd gehen würde.. ich .."
,,Er ist nicht einfach fremd gegangen! Ich bin nicht die heimliche Affäre, ich bin genauso seine Frau gewesen!" Verteidigte ich mich sofort ziemlich schroff.
,,Ich weiß, tut mir leid..so sollte das nicht klingen. Ich fühl mich nur so.. mitschuldig. " Senkte er wieder den Blick.
,,Wenn Sie irgendwas über Lukas wissen wollen, dann.. ich wäre bereit Ihnen alles zu erzählen. Jane.. sie ist zur Zeit nicht in der Verfassung um mit irgendwem zu reden."
Er fing meinen scheuen Blick auf und zog ihn an sich heran. Ich musste mich zusammenreißen um nicht augenblicklich wieder in Tränen auszubrechen. Ich wollte ihm in die Arme fallen.
Lass uns nachhause gehen Paul.
Spielte mein Kopf ein surreales Szenario ab. Hartnäckig versuchte ich den Gedanken los zu werden. Paul war tot. Paul war nie echt. Er war nicht Paul!
,,Danke.." Stammelte ich.
Er nickte, deutete dann vorsichtig auf den Kinderwagen.
,,Eure Tochter..?
Seine glasigen Augen musterten mich unsicher. Diese Information musste er von Jane haben. Wie sie wohl von uns erzählt hatte ? War sie sauer ? Ich wusste nicht, welche Gefühle ich ihr gegenüber hegen sollte. Es war unreal, der Gedanke, dass sie ebenfalls mit Paul zusammen lebte, ihn liebte und von ihm geliebt wurde.
Hektisch griff ich zum Wagen und drehte ihn um, kaum kam er ins Schaukeln, fing Helen an zu weinen.
,,Sie heißt Helen." Michael war mein Schwager.. Helens Onkel.. Diese Information sackte nur langsam und würde sicher noch einige Zeit brauchen um sich zu verfestigen.
,,Ich wollte nicht dass sie weint." Nahm er sofort etwas mehr Abstand. Ich schüttelte den Kopf.
,,Sie weint nicht deswegen, sie hat nur Hunger." Widerlegte ich seine Annahme, dass er der Kinderschreck sei.
Vorsichtig trat er heran, beugte sich über die Wanne und schaute in den Wagen.
,,Wow.. sie sieht aus wie.."
,,Paul." Beendete ich seinen Satz. Ich konnte den Namen Lukas nicht mehr hören. Er blickte auf, schaute mich an und nickte. Helen verstummte, fing an zu kichern als Michael sich zurück zu ihr drehte. Er selbst konnte ein leichtes schmunzeln nicht verbergen.
,,Hallo du süße Maus." Sagte er sofort verspielt und streckte ihr den Finger zu, den sie sofort ergriff. Ich schluckte, konnte nicht aufhören ihn anzusehen.
,,Oh nein, ein Fingerdieb. Die brauch ich noch." Schüttelte er vorsichtig seine Hand und brachte damit ihren Arm zum wackeln. Er schniefte, eine Träne fiel auf den Kragen seines Mantels und ich beobachtete, wie er sie unbemerkt weg wischen wollte. Ein schrilles quiecken entfuhr ihr.
,,Ohja, da hört man dass du ein Mädchen bist, das kannst du schon sehr gut." Klang seine schwache Stimme etwas aufgemuntert. Dann lachte er leise. Ich zuckte auf, hielt mir schnell die Hand vor den Mund um das schmerzhafte Aufatmen zu verbergen.
Sein Blick schnellte zu mir und sofort trat er einen Schritt zurück, presste dann die Lippen aufeinander.
,,Tut mir leid.. Sie.."
,,Ich versteh das. Wir sind uns sehr ähnlich." Ich nickte nur, dann reichte er mir seine Visitenkarte.
,,Wenn Sie doch mal reden wollen.. melden Sie sich gerne."
,,Okay.." Nahm ich sie zögerlich entgegen und las die schwarz gedruckten Buchstaben.
Michael Patrick Kelly
Musik und Theater in Dannhalm.
Auf der Rückseite stand seine Nummer.
Ich runzelte die Stirn.
,,Kelly ?"
,,Ja ?" Wendete er sich noch mal um.
,,Ich dachte Fritz."
,,Fritz ist der Nachname von Jane. Lukas.. Also Paul war auch ein Kelly."
Ich schluckte als er ihn Paul nannte, dann nickte ich.
,,Also.. bis dann."
,,Mhm. Bis dann."♥︎
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Zwei Leben (Aktuell PAUSIERT)
FanfictionWas ist, wenn ein Leben weder vor, noch nach dir existiert ? Wenn ein Leben endet und deins gleich mit ? *** Eine Michael Patrick Kelly FanFiction. Alle Inhalte sind frei erfunden. Eventuelle Triggerwarnung : Das Thema Tod und Trauer ist ein häufig...