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Donnerstag, 27.08.2020

Sein gemurmel weckte mich schließlich. Langsam drehte ich mich auf die andere Seite und öffnete ein Auge, um mich zuerst an das einfallende Sonnenlicht zu gewöhnen. Helen saß auf seiner Brust und Michael spielte verträumt mit ihren kurzen Fingern. Seine Gesichtsfarbe hatte sich zu gestern Abend nicht großartig verändert, noch immer war er ziemlich blass. Das getobe und gerutsche mit Helen war am Ende des Tages dann keine Wohltat für sein Steißbein. Humpelnd hatte er sich zum Bett bewegt und dann verbrachten wir den restlichen Abend kuschelnd und schmunzelnd zwischen den weichen Kissen, bis wir drei schließlich einschliefen.

,,Guten Morgen."

Flüsterte er lächelnd, als er entdeckte, dass auch ich nun wach war.

,,Guten Morgen. Wie geht's deinem Rücken ?"

Mit zusammengepressten Lippen sah er mich an, dann wurde seine Miene traurig.

,,Ich würde dir so gern etwas anderes erzählen. Aber es tut ziemlich weh.. das war gestern etwas zu viel.. hab nicht gedacht, dass es noch immer so schlimm ist, alles andere war fast schmerzfrei zu meistern."

,,Naja, alles andere hast du nicht unbedingt mit dem Hintern gemacht. Die Rutschen sind ziemlich eng und hart."

,,Tut mir leid.."

Gab er schuldig zu und senkte den Blick. Ich beugte mich zu ihm und gab ihm einen Kuss auf die Wange.

,,Ist doch nicht so schlimm. Gehen wir heute halt alles etwas ruhiger an."

,,Ich versau uns den letzten Tag.."

Die theatralische Art hatte er definitiv drauf. Seine Gesichtszüge waren eine echte Konkurrenz zu denen von Helen. Oder aber zum verwechseln ähnlich. Da war nur noch die Frage, wer sich was von wem abschaute, um mich um den Finger zu wickeln. Mitleid kroch in mir empor und ich lächelte ihm zu.

,,Ach Mauli. Wir machen es uns schön! Wir müssen doch nicht jeden Tag in Spannung und Abenteuer versinken. Helen ist eh noch ziemlich geschafft von gestern, da hast du sie gut ausgepowert."

Mit der Hand streichelte ich Helen durchs Haar. Dann stand ich auf und streckte meinen Rücken durch.

,,Ich mach uns was zum Frühstück und dann setzen wir uns einfach auf die Terrasse und lassen uns die Sonne auf den Bauch scheinen."

,,Langweilt euch das sicher nicht ?"

Heiser lachte ich auf und stemmte die Hände in die Hüften.

,,Also ich bin absolut nicht gelangweilt, wenn ich mal einfach nur rumliegen und entspannen kann. Außerdem ist ein Urlaub doch auch ein bisschen zum Faulenzen da oder ? Helen bekommt ne Schüssel mit Wasser und ihre Gummitierchen, dann ist sie stundenlang beschäftigt."

****

,,Ich kann gar nicht glauben, dass sie nächsten Monat schon ein Jahr alt ist.."

Beobachtete ich mein Baby wehmütig. Die Zeit lief viel zu schnell davon.
Wo waren die letzten Monate meines Lebens bloß hin ? Versunken in Trauer und umgeben vom Tod, hatte ich mein Leben völlig aus den Augen verloren. Zu begreifen, dass ich das letzte halbe Jahr von Helens Entwickelung nur so nebenbei mitbekommen hatte, weil ich mit völlig anderen Dingen beschäftigt war, schmerzte etwas.

,,Sie wird groß.. Aber das ist auch was schönes."

Seine Hand griff nach meiner, unsere Blicke trafen sich und er lächelte mich liebevoll an. In seiner Badehose lag er Oberkörperfrei neben mir auf einer der dunkelblauen Sonnenliegen. Unter ihm ein weißes Handtuch, das kaum Kontrast zu seiner blassen Haut bot.

Zwei Leben (Aktuell PAUSIERT)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt