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Sie jetzt hier bei mir zu haben, war ein merkwürdiges Gefühl.

Auf der einen Seite war es so unfassbar schön, sie in meiner Nähe zu wissen. Ganz nah in meinem Alltag, in meinem Leben.

Auf der anderen Seite bereiteten mir die Umstände, weswegen sie überhaupt hier war, einen bitteren Beigeschmack.

Ich machte mir sorgen. Ihr Zustand wechselte gefühlt stündlich. Einigermaßen gut drauf war sie immer nur kurz nach Einnahme der Schmerzmittel, dann rauschte der Zustand ihres Wohlbefindens rasend wieder ab.

Noch vor Ende des Films war sie mit starken Kopfschmerzen wieder eingeschlafen. Und mittlerweile waren wieder einige Stunden vergangen, in denen sie sich nicht gerührt hatte.

Sie fieberte immer wieder und dieser fleckenartige Ausschlag bereitete mir noch mehr Sorgen.

Ob sie nicht doch besser einem Arzt vorgestellt werden sollte ? Aber es war Wochenende und bis auf den Kilometer entfernten Notdienst bliebe uns nur die Notaufnahme und ich konnte sie schlecht in diesem Zustand in die nächste Bahn schlurren.

Ich versuchte die Negativspirale umzulenken und setzte mich zurück zu Helen auf den Fußboden.
Sie war völlig begeistert von Jonie und zeigte immer wieder mit einem Finger auf den Leguan, der gerade genüsslich, mit klappernden Krallen, über den Parkett spazierte und sich an den zerrupften Blättern des Feldsalats bediente.

Ich hoffte einfach, dass es ihr bald besser gehen würde.. ich vermisste ihr  Lachen.

,,Was machen wir zwei hübschen nun noch ?"

Ich nahm Helens Hand und spielte sanft mit ihren kleinen Fingern.
Fröhlich schaute sie mich an und robbte auf dem Bauch zu mir heran.
Sie brabbelte, Sabberfäden zogen ihren Weg auf meinen Boden und sie verschmierte sie, als sie mit einer Hand hineinfasste und sich dann an mir hoch ziehen wollte.

,,Langsam Helli."

Lachte ich, als sie kurz ins schwanken kam. Eine helfende Hand legte sich an ihren Po und sie zog sich schließlich an meinem Shirt herauf.

Wackelig stand sie dann auf zwei Beinen vor mir und grinste mir ins Gesicht. Mein Herz fing an zu Klopfen.

Hatte sie das schonmal gemacht ?

Oder erlebte ich gerade diesen magischen Moment.. das Erste Mal.

Der Parkett war rutschig, so dass ich sie immer wieder davor bewahren musste, nicht weg zu rutschen.

,,Helli! Super machst du das.. das musst du nachher Mama zeigen!"

Ich freute mich so sehr, mein Herz schlug Purzelbäume und ich hätte sie am liebsten von oben bis unten abgeknutscht. Helen bedeutete mir so viel.. es fühlte sich an, als wäre sie mein eigen Fleisch und Blut. Dieser enorme Stolz, der mich beflüglete, es fühlte sich väterlich an. Wie konnte Lukas das bloß so mit Füßen treten..
Ich wollte Helen ein Vater sein.. Wenn Lukas das schon nicht hinbekommen hatte!
Ich wollte Teil dieser Familie sein.. So unbedingt, dass mein Herz brannte, wenn ich daran dachte dass ich mehr sein wollte als nur der Onkel.. ich wollte Lenas Mann sein.. ihr Heimathafen, ihr Anker und Fels im tosenden Meer.. ich wollte Helen das Laufen, Sprechen und  Fahrradfahren bei bringen.. ich wollte mit ihr um die Wette jagen, ihr die Welt zeigen, ihr Welt betrachten.. ich wollte ihr zusehen, wie sie immer größer wurde und eine eigene Persönlichkeit entwickelt, die meine Noten beinhielten.. meine Melodie.

Zwei Leben (Aktuell PAUSIERT)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt