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--Mittwoch, 20.05.2020---
Nervös hastete ich durch die Gassen der Innenstadt und ich bemerkte, wie sehr die vielen Geräusche mich bedrückten. Reifen quietschen, Hupen und aufheulende Motoren drangen von der Bundesstraße in die Stadt. Der Geruch von Gummi und Abgasen legte sich wie Nebel auf die Straßen. Ich verstand zum ersten Mal, warum Paul unbedingt außerhalb der Stadt leben wollte. Das Haus am Rand der Stadt, am Rand der Welt. Nur Jule war unsere direkte Nachbarin, ansonsten traf man auf den Straßen selten andere Gesichter. Urlauber nutzten sie, um Fahrradtouren zu unternehmen und sich die weite Landschaft anzusehen, die, je nach Jahreszeit, eine besondere, außergewöhnliche Farbe annahm und das Land einfärbte, als wäre ein Tuschkasten über ihm ausgelaufen. Es war ein Backsteinhauß, dunkelrote Klinker und ein graues Dach. Die Türen und Fenster weiß, der Rasen auf dem gezäunten Grundstück grüner und saftiger, als in jedem anderen Vorgarten. Das einzige, das mich das Gesicht verziehen ließ, war der grüne Postkasten, der auf einem Pfosten am Eingang des Holztores stand.
,,Wie findest du es ?"
Hielt Paul den Wagen, schaute zu mir und dann aus dem Fenster des kleinen Skoda. In dem Rasen vor dem braunen Holzzaun steckte ein weißes "zu verkaufen" Schild. Ich rümpfte die Nase, lehnte mich vor um besser zu sehen.
,,Es ist schön, aber ziemlich weit draußen."
Ich presste die Augen zusammen, senkte den Kopf.
,,Alles in Ordnung ? Ist es so schrecklich ?" Legte Paul seine Hand auf meinen Oberschenkel und wankte zwischen Besorgnis und Belustigung.
Ich hob die Hand, als wolle ich ihn bitten zu warten.
,,Mir ist manchmal schlagartig so übel und schwindelig."
,,Vielleicht wars gestern doch zu viel, der Seegang war heftig." Ich nickte, schaute zurück aus dem Fenster.
,,Ja, daran könnte es liegen." Sagte ich beiläufig und ein angeekelter laut wich aus mir.
,,Der Postkasten ist grässlich. Er passt überhaupt nicht ins idyllische Bild."
,,Ich find ihn gut. Er gehörte halt dazu." Ich runzelte die Stirn, schaute ihn an.
,,Wenns das wird, kommt der als erstes weg."
,,Wieso ? Er ist nicht perfekt aber gibt es nicht immer irgendwas, was einem nicht gefällt und man lebt einfach damit ?"
,,Also ich würde eher etwas ändern, bevor ich mich einfach damit abfinde, dass mir etwas nicht gefällt."
,,Und wenn du nicht beeinflussen kannst, dass sich etwas ändert ?"
Ich seufzte und legte den Kopf zur Seite.
,,Was soll mir das nun sagen ?"
,,Naja, ich zum Beispiel. Es gibt die ein oder andere Sache, die dich stört. Du kannst es aber nicht beeinflussen und hast gelernt, einfach damit zu leben."
,,Paul.. Wir reden von einem Postkasten."
,,Naja, im Grunde ist es das selbe. Würdest du mich wegschmeißen wegen diesen Fehlern ?"
,,Nein, niemals. Ich liebe dich."
,,Also bleibt der Postkasten." Lächelte er triumphierend. Ich verdrehte die Augen und musste selbst lachen. Damit war wohl entschieden, welches Haus es werden würde.Schritte, schlurrende Sohlen, Köpfe, Kragen, Schatten. Gesichter, freundlich oder unbeeindruckt. Mit den Gedanken woanders oder genau an dieser Stelle. Die Stadt war für einen Mittwoch Mittag relativ gut besucht. Morgen war Christi Himmelfahrt und viele nutzten die Feier- und Brückentage für einen kleinen Ausflug.
Helen wirkte unruhig und zappelte in der Wanne, bis sie sich die Decke weg gestrampelt hatte. Und auch für mich wurde es nicht besser, als ich sah wie überfüllt das Cafè war, in dem ich mich mit Michael verabredet hatte. Ich drehte mich, öffnete die Tür und zog den Kinderwagen mit mir mit. Eine ältere Dame eilte zur Hilfe, griff über mich hinweg und hielt die Tür fest. Ich bedankte mich und schaute mich sofort suchend um. Es war so viel größer als in meiner Erinnerung und ich ertappte mich bei dem Gedanken, dass es mich traurig machte. Mit Paul war ich selten in der Stadt. Die meiste Zeit verbrachten wir auf dem Boot oder zuhause und ich akzeptierte es einfach, nahm es so an und gewöhnte mich daran.
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Zwei Leben (Aktuell PAUSIERT)
FanfictionWas ist, wenn ein Leben weder vor, noch nach dir existiert ? Wenn ein Leben endet und deins gleich mit ? *** Eine Michael Patrick Kelly FanFiction. Alle Inhalte sind frei erfunden. Eventuelle Triggerwarnung : Das Thema Tod und Trauer ist ein häufig...