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Es war seine Handschrift.
Paul
Auf den Umschlägen standen Daten. Der erste Brief war von 2017.

Ich schluckte, meine Kehle war trocken und ich spürte, wie meine Hände begannen zu zittern, als ich den obersten Brief schließlich in die Hand nahm. Ich fuhr die eingedrückten, mit Kugelschreiber geschrieben Zahlen ab.

,,Was.. Paul.." Meine Stimme brach. Was auch immer diese Briefe zu bedeuten hatten. Es war ein weiteres Geheimnis, das er wahrte.

Völlig paralysiert ging ich den Flur entlang und stoppte im Türrahmen zur Küche. Nur am Rande bekam ich mit, dass Michael seine Augen auf mich richtete und lächelte.

,,Musstest du die Zeitung erst drucken ?" Scherzte er zuerst beherzt, dann entglitt ihm der erfreute Gesichtsausdruck.

,,Was ist los ?"

Er saß augenblicklich kerzengrade auf dem Stuhl und hielt Helen angespannt auf dem Schoß.

Ich ging auf ihn zu, legte die Briefe auf den Tisch und musste mich dann an der Tischkante abstützen.
Michael griff zuerst skeptisch zum Papier, dann wirkte er sofort etwas ängstlich. Als würden die Worte, die in diesem Umschlag steckten, größere Wellen schlagen.

,,Woher..?"

,,In seinem Schreibtisch..
in irgendeinem.. "geheim".. Fach in einer Schublade. Der Käufer hat sie mir in den Briefkasten geschmissen."

,,Er.. hat an Mama geschrieben.. ich kenne diesen Brief hier.."

Man hörte den Schmerz, den er mit dem Wort in Verbindung brachte, als er den Brief mit dem ältesten Datum in die Mitte des Tisches schob. Ich zog den Stuhl zurück und setzte mich. Helen nuckelte genüsslich an einem der Zugbänder, die aus Michaels Kapuze der Sweatjacke baumelten.
Fragend sah ich ihn an.

,,Woher weißt du das ? ...Sollte ich das lesen ?"

Flüsterte ich den letzten Satz beinahe.

,,..Schließlich wollte er nicht dass ich sie finde. Er hat sie.. versteckt.."

Von Michael kam lediglich ein scheuer, trauriger Blick. Ich zuckte innerlich zusammen als sich die tiefen Wunden seiner Seele in seinen Augen spiegelten.
Er senkte den Blick, starrte auf die Tischplatte und zuckte kaum merklich mit den Achseln.

,,Von den anderen wusste ich nichts."

Dann räusperte er sich und widmete mir einen scheuen Blick. In seinen Augen glitzerte der Abgrund.

,,Jane hat ihn damals zwischen seinen Unterlagen gefunden. Sie hat ihn mir gezeigt, wollte eine Meinung von mir und wir haben uns daraufhin fürchterlich gestritten. Ich war einfach der Meinung, dass Jane das überhaupt nichts anginge und sie nichts an seiner Post zusuchen hatte... dann hat sie mir unterstellt, dass ich mehr wissen würde als sie."

,,..Wusstest du denn.. von...mehr ?"

Er schüttelte sofort den Kopf.

,,Nicht in diesem Sinne! Dass er irgendwas zu verheimlichen hatte, hab ich gespürt.."

Ich zog den Kopf zurück, als wollte ich ihn damit aus der Schlinge ziehen, die sich immer weiter zuzog und mir die Luft abschnürrte. Michael trug keine Schuld, er sollte meine Wut nicht zu spüren bekommen. Doch entgegen meiner Vernunft, keifte ich ihn beinahe an.

,,Und du bist nie auf die Idee gekommen, ihn zu fragen !? Du hast ihn einfach machen lassen! Ich dachte du seist seine engste Bezugsperson gewesen, das hast du selbst behauptet!"

Zwei Leben (Aktuell PAUSIERT)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt