Kapitel 13

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Der Montag war weniger schön. Mein Kopf dröhnte. Die Lehrerin, Frau Kasapi, stand vor der Klasse und hörte einfach nicht auf zu reden. Sie schrieb etwas an die Tafel. Es fiel mir schwer, es zu lesen. Ich konnte mich auf nichts konzentrieren. Meine Kopfschmerzen waren schlimmer als die Unterleibschmerzen. Vor meinem inneren Auge konnte ich schon die Notenbesprechung im Februar sehen. Wenn die Lehrer auf den Fluren saßen und die Schüler nacheinander rausriefen, um mit ihnen die Noten zu besprechen. Frau Kasapi würde dasitzen, mit ihrem Notenheft in der Hand. Sie würde mit der Rückseite ihres Kugelschreibers über die Strichliste fahren, die sie Tag aus und Tag ein gewissenhaft führte. Dann würde sie sagen, »Die Qualität und Quantität ist meistens gut. Hier im November hattest du leider eine schwache Woche. Wie schade.« Vielleicht würde sie noch eine schwache Woche finden. Das könnte auf 9 Punkte, mit Glück auch auf 10 Punkte, für die sonstige Mitarbeit hinauslaufen. Schriftlich stand ich momentan bei 11 Punkten. Das heißt, dass die sonstige Mitarbeit meinen Schnitt nur leicht runterziehen würde. In herkömmlichen Noten würde ich so auf eine zwei minus oder eine drei plus kommen. Bei einigen anderen Lehrern würde es ähnlich laufen. Am liebsten würde ich nach Hause gehen. Das wäre vermutlich auch besser für meine mündliche Mitarbeit. Aber dann würde ich heute noch eine Krankschreibung vom Arzt brauchen. Zu der Arztklinik würde ich laufen müssen, da mich niemand fahren könnte. Ich hatte keine besonders große Lust, bei der Kälte dort hinzulaufen. Außerdem fühlte ich mich dafür nicht fit genug. Also biss ich die Zähne zusammen und saß das hier aus. Dreien und knappe zweien würden für mich reichen, das musste ich mir immer wieder vor Augen halten, um mich nicht verrückt zu machen. Frau Kasapi sah das bestimmt anders sehen würde. Sie verzog immer so ein bedauerndes Gesicht, wenn mündliche und schriftliche Noten nicht übereinstimmten oder wenn der Klassenspiegel nach einer Klausur schlecht ausfiel. Ich versuchte, das zu ignorieren. Ändern könnte ich es sowieso nicht. Ich würde einfach jeden anderen Tag mein Bestes geben. An manchen Tagen war das nun einmal besser als an anderen. Am wichtigsten war doch, das Können, was ich erwarb. Die Noten hingegen waren nur dazu da, um weiterzukommen. In meinem Fall musste sie nicht herausragend sein. Schließlich wollte ich keine Psychologin werden. Ich müsste nur durchkommen und nett sein. Nichtsdestotrotz würde ich in der Pause herumfragen, ob jemand Schmerzmittel dabeihatte.

Zu Hause angekommen, hatte die Wirkung der Schmerzmittel schon längst nachgelassen. Ich ging direkt in mein Zimmer und ließ sich wie ein sterbender Schwan aufs Bett fallen. Dort kuschelte ich mich unter die Bettdecke und scrollte langsam durch mein Handy. Am liebsten hätte ich ein Körnerkissen hier, aber ich war zu faul, um in die Küche zu gehen und es warmzumachen. Ich bekam eine Nachricht von Erik. Das heiterte mich auf. Er fragte, wie es ihr ging, wohl um ein Gespräch anzufangen.

»Ich habe die schrecklichste Migräne aller Zeiten«, schrieb ich zurück. Er musste ja nicht die Details wissen, dachte ich mir. Sowas machte man schließlich nicht.

»Oje, soll ich vorbeikommen? Würdest du dich dann besser fühlen?« Ich überlegte kurz. Ich hätte ihn schon gerne hier. Aber wäre das nicht komisch?

»Ja, ich fühle mich doch immer besser, wenn du bei mir bist«, schrieb ich, »aber es wäre bestimmt superlangweilig für dich und ich kann keine lauten Geräusche um mich herum haben.«

»Kein Problem, dann bin ich eben leise. Ich komme nach der Arbeit vorbei.«

»Wie schön«, schrieb ich und fügte Herzchenemojis hinzu. »Aber lohnt es sich überhaupt für dich«, schrieb ich weiter, »du kannst nicht lange bleiben. Du musst am nächsten Tag wieder arbeiten und ich muss zur Schule.«

»Das macht nichts. Es lohnt sich immer, dich zu sehen. Auch wenn es nur kurz ist.« In jeder anderen Situation hätte ich mich, dafür geschämt, wie kitschig Erik und ich seien konnten, wenn wir schrieben. Aber wenn ich mit Erik schrieb, war ihr das egal. Mein Herz sprang bei jeder neuen Nachricht.

Ich rappelte mich auf und ging ins Badezimmer. Dort warf ich einen vorsichtigen Blick in den Spiegel. Obwohl ich meine Haare heute Morgen gewaschen hatte, sah mein Ansatz bereits wieder fettig aus. Wenigstens waren die Haare heute voluminös und auch die Spitzen lagen gut. Das musste heute reichen, um über den fettigen Ansatz hinwegzutrösten. Anschließend ging ich in die Küche, machte mir etwas Kleines zu essen und legte mich, als sie satt war, wieder ins Bett, wo ich eindöste.

Die Türklingel weckte mich. Ich blieb oben liegen und wartete, dass jemand anders die Tür aufmachte. Konny oder mein Vater ließen Erik herein. Er ging die Treppen hoch und setzte sich neben mich auf das Bett.

»Schön, dass du da bist«, sagte sie. Er machte es sich neben mir gemütlich und ich schalte einen Film ein. Die Lautstärke blieb jedoch niedrig eingestellt.

»Ich muss kurz auf die Toilette«, meinte ich, an einer Stelle des Films, die mir nicht allzu spannend vorkam.

»Okay bis gleich.« Erik pausierte den Film, sehr nett von ihm. Als ich ins Badezimmer trat und in den Spiegel blickte, erschrak ich. Der Zustand ihrer Haare hatte sich in den letzten zwei Stunden rasant verschlechtert. Mittlerweile sahen sie so aus, als hätte ich sie seit drei Wochen nicht mehr gewaschen. Außerdem hatte ich nun zwei Pickel mehr in meinem Gesicht. Hoffentlich ekelte sich Erik nicht vor mir. Vielleicht war das Licht in meinem Zimmer ja schlecht genug, sodass die Haare und Pickel nicht allzu sehr herausstachen. Ich wünschte, ich hätte Make-up im Badezimmer, aber ich bewahrte alles in einer Kommode in meinem Zimmer auf.

Erik sah mich zärtlich an, als ich mich wieder zu ihm setzte. Ich lehnte sich an ihn an. »Normalerweise bin ich hübscher«, murmelte ich. Dies musste schließlich klargestellt werden. Er drehte sich mit seinem Gesicht zu mir. Durch seine Bewegung musste ich meinen Kopf heben. Er strich mir durch die Haare, das würde ihrem Zustand nicht helfen, aber ich beschwerte mich nicht.

»Du bist hübsch«, stellte er klar, »Ich mag ganz besonders deine blauen Augen und dein schönes Lächeln und die kleine Narbe an deinen Augenbrauen.« Dann strich er an meinen Seiten entlang, von den Schulterhöhlen bis zur Hüfte. Das kitzelte ein bisschen.

»Und alles andere sieht auch total toll an dir aus«, fügte er hinzu.

Ich sah mir sein Gesicht genauer an. Er hatte auch Pickel, obwohl er schon über zwanzig war. Einer der Pickel war sogar aufgekratzt worden und sein Kinn war stoppelig. Seine Augenbrauen waren buschig und ungleich. Ich konnte alle seine Unvollkommenheiten sehen, was diesen Augenblick noch so viel perfekter machte.

Ich streckte unbeholfen die Arme aus und betastete sein Gesicht.

»Ich mag es, wie du aussiehst«, sagte ich, »du bist toll.«

»Kannst du bitte deine Hände aus meinem Gesicht nehmen«, sagte er in einem genervten Tonfall, lächelte dabei aber.

»Na gut«, sagte ich enttäuscht und legte meine Arme ab, den einen auf die Decke neben mir, den anderen auf Eriks Bein. Doch lange verweilten sie nicht dort. Ich drückte mich ab und setzte sich aufrecht, um ihn zu küssen. Das war um einiges sexyer, als auf seinem Gesicht herumzupatschen.

Von Märchen und NovembergefühlenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt