Ich wunderte mich, dass Filiz mir heute nicht geschrieben hatte. Normalerweise schrieben wir täglich.
»Heyy«, schrieb ich ihr, »habe heute noch gar nichts von dir gehört. Ich habe verrückte News: Madeleine denkt ich hätte was mit Nils. Zu crazy. Kann mir nicht vorstellen, wie sie auf so einen Schwachsinn kommt.«
»Lukas meint, ihr wärt gestern auf einem Date gewesen«, antwortete sie mir. Kein hey, kein wie geht's, keine Emojis.
»Waren wir gar nicht.«
»Er meint, er hätte euch gesehen.«
»Wir waren einkaufen, weil wir beide eine Freistunde hatten.«
»Hattest du gar nicht erzählt.«
»War jetzt nicht so spannend.«
»Hast du Gefühle für ihn?«
»Nein«, ich verschickte die Nachricht mit einem lachenden Emoji. Dann verschickte ich eine längere Sprachnachricht. In der ich erzählte, wie es dazu kam, dass wir gestern zusammen einkaufen gegangen waren und was wir gekauft hatten. Ich versuchte zu plaudern, damit sie nicht denken würde, dass es komisch war. Ich erwähnte seine Gefühle für mich nicht. Vielleicht wäre das jetzt ein guter Moment. Aber eigentlich hielt ich es nicht für notwendig.
Viel wichtiger fand ich es, mit Filiz zusprechen. Sie hatte bestimmt einiges an Tratsch gehört. Ich öffnete unseren Chat.»Hast du Lust, vorbeizukommen? Wir könnten spazieren gehen«, schlug ich vor.
Die Antwort kam schnell.
»Ich kann nicht, ich muss für Mathe lernen.«
»Schade. Ich muss auch noch viel für Mathe machen.«
»Ich könnte auch meine Mathesachen mitnehmen.«»Das könntest du natürlich tun, wäre cool.« Filiz kam mit ihren Mathesachen vorbei und wir machten uns tatsächlich sofort an die Arbeit. Somit konnten wir das unangenehme Schweigen zwischen uns überbrücken. Wir taten so, als wäre alles normal. Filiz musste hierbleiben, bis ein Elternteil sie abholen würde, da nach 17 Uhr keine Busse mehr hierhin fuhren. Nachdem wir mit den Aufgaben gut vorangekommen waren, sprach ich indirekt den Elefanten im Raum an.
»Übrigens habe ich heute von Madeleine Ärger dafür bekommen, dass ich mich an deinen Mann rangemacht habe.« Da musste Filiz los pusten. Das hatte geklappt und ich konnte sogar noch mehr erzählen.
»Wusstest du, dass Madeleine und Nils mal etwas miteinander hatten?«»Nein!« Filizs Augen funkelten. Endlich gab es etwas zu tratschen, dass es dabei um Madeleine und ihren tollen Nils ging, störte sie nicht.
»Ich musste ihm versprechen es niemandem zu erzählen.«
»Und jetzt erzählst du es mir.«
»Das zählt nicht.« Manchmal konnte ich echt scheiße sein. Nils hatte mir das im Vertrauen erzählt, aber er musste damit gerechnet haben, dass ich es Filiz weitererzählen würde.
»Versprich mir aber, dass du es niemandem weitererzählen wirst«, forderte ich.
»Versprochen.« Auf Filiz konnte ich mich immer verlassen, sie hatte bis jetzt noch jedes meiner Geheimnisse für sich behalten.
»Ich muss dir was sagen«, setzte Filiz an. Der Ton war ungewöhnlich für sie, sie klang so als hätte, sie Mist gebaut, sehr reumütig. »Ich habe mich mit Erik unterhalten, als er heute auf dich gewartet hat. Er war früh da und ich hatte eher Schluss.«
»Was hast du ihm gesagt?« Meine Augen wurden augenblicklich schmaler.
»Dass du auf einem Date mit Nils warst. Das die ganze Schule schon darüber redet ...«
»Filiz wie konntest du nur?!«
Das erklärte Eriks Stimmung von heute Nachmittag.
»Ich war sauer. Du hast mir nichts davon erzählt. Ich dachte, du triffst dich hinter unserem Rücken mit ihm.« Ich war fassungslos. »Lukas meinte dann, dass ihr euch schon eine ganze Weile treffen würdet. Dass ihr euch auch im Sommer schon näher gekommen wärt.«
»Sind wir nicht! Da lief nichts!«
»Ich meinte zu Erik, dass er lieber aufpassen sollte. Dass du gerne Dinge verschweigst.«
»Nein, hast du nicht. Was soll er denn jetzt von mir denken?«
»Es tut mir echt leid!«»Erik war total kühl zu mir. Er muss angepisst gewesen sein. Wir haben über das Gerücht geredet. Er war total komisch, aber kein Wunder, wenn du schon vorher bei ihm warst.«
»Soll ich nochmal mit ihm reden?«, bot sie an.
»Nein, wir haben das schon geklärt. Er hat mich ja wenigstens gleich darauf angesprochen.« Ich warf ihr einen strengen Seitenblick zu.
So ganz geklärt, hatten Erik und ich das eigentlich noch nicht, wenn ich so darüber nachdachte. Ein bisschen angesäuselt war er schon noch. Aber das würde ich schon wieder gerade biegen können. Ich wollte nur definitiv, dass sich Filiz da raushielt.
»Halt dich nächstes Mal daraus oder komm direkt zu mir. Aber doch nicht zu Erik. Und hör nicht auf Lukas, der ist keine zuverlässige Quelle. Hast du Erik sonst noch was erzählt?«
«Nein, nur das ihr euch getroffen habt und dass über euch getratscht wurde.«
»Dann ist ja gut. Möchtest du noch einen Tee?" Wir tranken jede eine Tasse, bevor Filiz sich abholen ließ.
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Von Märchen und Novembergefühlen
Teen FictionNovember 2020. Weltweit war es bis dato ein verrücktes Jahr. Für Faralda, 18 Jahre alt, privilegiert, kurz vor dem Abitur, war es vor allem ein ruhiges Jahr. Doch diesen November könnte sich alles ändern. Die Nerven liegen blank und zum ersten Ma...