Kapitel 19

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»Faralda warte mal.« Na super, ich erkannte die Stimme sofort und musste verdrehte die Augen. Dann drehte ich mich um. Madeleine kam auf mich zu. Ihr großer Busen allen voran, der Rest des Körpers folgte nach einer Weile. Generell war ich sehr froh, jemanden wie Madeleine im Jahrgang zu haben. Sie war schlau und fleißig und gut organisiert. Man konnte sich darauf verlassen, dass sie die Dinge in die Hand nahm und dass sie ihr gelangen. Andererseits war sie auch super anstrengend. Ständig bekam sie Sachen in den falschen Hals, nichts konnte sie auf sich sitzen lassen. Von anderen erwartete sie stets, dass sie ihren hohen Ansprüchen gerecht wurden und selbstverständlich immer ihrer Meinung waren. Wenn ihr etwas nicht passte, dann ließ sie dies jeden spüren. Außerdem trug sie Kleidung, die dafür, dass sie nicht nachhaltig war, viel zu teuer war. Im Herzen, da war ich mir ganz sicher, war Madeleine ein guter Mensch, in der Praxis ging dies oft durch ihre bissigen Kommentare verloren.

»Faralda, Filiz ist meine Freundin«, erklärte sie mir, »da mache ich mir natürlich Sorgen.« Ich war viel zu überrascht, um ein zweites Mal mit den Augen zu rollen.

»Du weißt sicher, dass sie auf Nils steht.« Ups, darum ging es also. Dazu sagte ich erstmal gar nichts. Ich wartete ab, bis ich wusste, worauf Madeleine hinauswollte.

»Ich habe gehört, dass da etwas zwischen dir und ihm läuft. Was da dran ist, geht mich auch nichts an.« In dem Punkt hatte sie recht. Und schon redete sie weiter.

»Ich bin ja der Meinung, dass Freundschaft wichtiger ist, als du weißt schon, Männer. Ich wollte dich nur bitten auf Filizs Gefühle Rücksicht zu nehmen. Sie hält dich für eine gute Freundin. Wenn du jetzt etwas mit ihm anfängst, dann wird das ihre Gefühle sehr verletzen.«

»Hat sie das so gesagt?« Im Moment war ich froh darüber, dass ich heute hohe Schuhe angezogen hatte und so Madeleine um einige Zentimeter überragte. Stumm und gerade stand ich vor ihr und hörte mir ihren Blödsinn in Ruhe an.

»So direkt nicht. Aber ähnlich. Man merkt schon, wie ihr das zusetzt.« Ach, Madeleine immer so besorgt. Madeleine und Filiz hatten montags gemeinsam Sport und danach Erdkundeunterricht.

»Das möchte ich natürlich nicht.« Ich spielte Bedauern vor. »Da muss ich noch einmal mit ihr reden. Zwischen mir und Nils läuft eindeutig nichts, da musst du etwas falsch verstanden haben.«

»Ach so, aber sind denn Gefühle da?« Das schüttelte ich lachend weg.

»Nein, ich stehe nicht auf ihn. Da läuft absolut nichts. Wir sind nur Freunde. Wenn Filiz etwas anderes denkt, wird sie mit mir darüber reden müssen. Aber lieber direkt und nicht über tausend Ecken. Verstehst du das?«

»Ja, natürlich. Ich dachte nur ich spreche es mal an, wo ich dich schon hier sehe. Filiz tut immer so selbst bewusst. Aber ich weiß nicht, ob sie es wirklich ansprechen würde, wenn sie etwas verletzt oder ob sie dann nicht weiterhin die Starke spielt.«

»Ach so, zum Glück weiß sie, dass sie mit allem zu mir kommen kann. Mehr kann man da nicht tun.«

»Natürlich. Aber starken Frauen fällt es manchmal schwer sich und anderen etwas einzugestehen. Du kennst das ja sicher auch.«

Ich zwang mich zu einem Lächeln. »Ja klar, es ist manchmal schwer über Gefühle zureden. Weißt du was, ich werde es mal ansprechen, wenn ich mich mit Filiz treffe. Wir müssen uns einfach mehr Zeit zum Quatschen nehmen.«

»Mach das, das ist eine gute Idee. Ich weiß ja, ihr seid auch Freunde. Ihr könnt froh sein einander zu haben. Deshalb wollte ich das mit dir und Nils ja ansprechen. Nicht, dass das zwischen euch kommt.« Die gute Madeleine, immer so besorgt, immer so nervtötend dadurch, dass sie sich in alles einmischte.

»Danke für das Ansprechen. Ich werde das mit ihr klären, falls sie da etwas falsch verstanden haben sollte.«

Madeleine nickte. Ich lächelte ihr unter meiner Maske zu, um mich von ihr zu verabschieden. Dann drehte ich mich weg, ging weiter zu meinem Klassenraum und war froh, dass das Gespräch vorbei war. Es kam mir ziemlich unnötig vor, aber es hatte auch nicht wehgetan. Von daher ließ ich Madeleine Madeleine sein und beschloss mich den restlichen Tag auf wichtigeres zu konzentrieren.

Auch wenn der Tag heute komisch war. Wenigstens würde Erik mich heute von der Schule abholen. Er konnte sich heute eher freinehmen. Wir würden etwas durch die Gegend fahren und dann bei mir zu Hause kochen.

Sein Auto stand gut sichtbar vor der Schule am Straßenrand. Ich stolzierte zum Beifahrersitz.

Im Auto beugte ich mich zu ihm rüber und wir gaben uns einen kurzen Kuss zur Begrüßung.

»Wie geht's?«

»Gut.«

Kurze Pause

»Wie geht's dir?« Er war nicht sehr gesprächig, aber wenigstens höflich.

»Gut. Es war stressig heute.« Ich überlegte, was ich erzählen konnte. »Die Gerüchteküche brodelt wie verrückt.«

Das Drama würde ihn bestimmt nicht interessieren. Er war zu alt für sowas. Aber ich erzählte weiter.

»Die halbe Schule denkt, ich hätte etwas mit einem Kumpel am Laufen.«

»Warum würden sie so etwas erzählen?« Er wirkte ungewohnt angespannt. Mir fielen Adern an seinem Hals auf, die mir früher nie in dem Maße aufgefallen waren.

»Woher soll ich das wissen. Die sind einfach kindisch und tratschen zu viel.«

»Würden sie sich sowas ausdenken?«

Ungläubig sah ich ihn an.

»Würde ich es dir dann erzählen? Glaubst du ehrlich, da ist etwas dran?«

»Ich weiß ja, dass dir die Beziehung nicht ernst ist. Für dich ist das nur etwas Lockeres. Du willst mich nicht ständig sehen. Du willst Weihnachten nicht mit mir und meiner Familie verbringen. Anscheinend triffst du dich mit anderen Typen. Ich habe das schon verstanden. Ich bin ja nicht dein Freund oder so.«

»Natürlich bist du, mein Freund! Ich wollte das ganze nur etwas langsamer angehen. Ich hatte vorher nie eine Beziehung. Ich kann nicht einfach von null auf hundert.«

Er sagte nichts.

»Ich habe doch keine Ahnung, wie das funktioniert«, sagte ich in einem versöhnlicheren Ton als zuvor. »Ich habe mich gestern mit einem Kumpel getroffen. Nils. Er ist etwas jünger als ich. Super lieb. Überhaupt nicht mein Typ. Er hat im Sommer im Park gearbeitet. Wir verstehen uns gut, wir treffen uns ab und zu. Gestern hatten wir zur gleichen Zeit eine Freistunde. Aber da wird definitiv nie etwas zwischen uns laufen. Nie. Versprochen.«

»Zwischen euch läuft wirklich nichts?«

»Wirklich.«

»Da lief auch nie was?«

»Absolut nie. Da lief nichts und da wird auch nie was laufen.«

Wir waren ohne Ziel durch die Straßen gefahren. Wir hielten bei einem Supermarkt, kauften ein. Er fuhr mich und die Lebensmittel nach Hause. Aber er wollte nicht bleiben.

»Ich will noch bei meiner Oma vorbeifahren. Gucken, ob sie etwas braucht.« Ich nickte verständnisvoll, etwas enttäuscht. Wir stritten nicht mehr, aber wir hatten trotzdem keine gute Laune. Zum Abschied küssten wir uns, was mich beruhigte. 

Von Märchen und NovembergefühlenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt