Kapitel 10

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Konrad hatte Nudeln gekocht und den Tisch gedeckt. Ich hatte gar nicht gewusst, dass er kochen konnte. Ich sollte ihm mehr zutrauen. Ich setzte mich an den Tisch und beobachtete ihn. Mein kleines Brüderchen wirkte plötzlich so erwachsen. Wir bemutterten ihn zu sehr, aber wenn wir ihn nur ließen, dann kam er ziemlich gut mit allem klar. Ohne ihn würde hier vermutlich das Chaos ausbrechen.

Mein Handy leuchtete auf und begann zu vibrieren. Jemand rief an. Für einen kurzen Moment hoffte ich, es sei meine Mutter, aber dann erkannte ich Filizs Namen auf dem Handydisplay. Merkwürdig, sie rief sonst nie an. Normalerweise würde sie schrieb sie oder schickte mir Snaps. Ich ging ans Handy.

»Hi, ich dachte, ich rufe dich gerade an, das geht schneller«, erzählte Filiz, »Meine Mama ist gerade am Kochen. Sie fragt, ob sie euch etwas einpacken soll.«

»Das ist ja lieb von ihr.« Ich war etwas perplex.

»Ja, jetzt wo deine Mama im Krankenhaus ist, macht sie sich Sorgen, dass ihr nicht genug esst.« Ich musste lachen.

»Keine Sorge, wir essen schon.«

»Habt ihr denn genug da?«

»Ja wir haben genug da, meine Mutter hatte am Dienstag noch einen Großeinkauf gemacht und mein Vater hat gestern noch ein paar Sachen gekauft.«

»Okay, also werdet ihr satt?«

»Ja«, betonte ich, »Wir essen gerade Nudeln?«

»Mit Ketchup?", hörte ich Filizs Mutter im Hintergrund fragen.

»Mit richtiger Soße.«

»Hast du das gehört, Anne? Sie haben sich eine richtige Soße gemacht. Ich glaube, die kommen schon klar. Können wir sonst etwas für euch tun?«

»Nein, wir kommen klar, wir sind zwei Erwachsene in dem Haus und Konny ist auch schon groß.« Filiz gab sich vorerst zufrieden.

»Aber danke und grüß deine Mutter ganz lieb von mir. Das ist mega lieb, dass ihr an uns denkt.«

»Wenn wir was tun können, rufst du an?«

»Versprochen.«

Nachdem sie aufgelegt hatte, schickte ich ihr einen Snap von unserem Essen. Außerdem schickte ich auch ein Bild an meine Mutter mitsamt einer Nachricht, in der ich fragte, wie das Krankenhausessen bei ihr so wäre. Es dauerte eine Weile, bis sie antwortete. Ich schlug ihr gleich darauf einen Videocall vor. Eh wir uns versahen, tauchte das Bild meiner Mutter auf meinem Display auf. Sie trug eine Binde um den Kopf und sah blass aus. Ich freute, mich sie zu sehen, auch wenn der Anblick ungewohnt war. Konrad und ich setzten uns dicht nebeneinander, damit sie uns beide sehen konnte.

»Mama, wie geht es dir?«

»Gut, ich erinnere mich an gar nichts mehr. Mir ging es kurz komisch. Ich bin an den Rand gefahren und dann ist alles weg. Das nächste was ich weiß, ist das ich hier liege und alles wieder in Ordnung ist.«

»Echt? Du hast gar keine Erinnerung an das, was passiert ist?«

»Nein, ich weiß nur, dass was mir die Krankenpflegerinnen erzählt haben.«

»Lustig. Beängstigend, oder?«

Unsere Mutter zuckte mit den Schultern.

»Es ist ja alles gut gegangen«, meinte sie. Wir stimmte ihr zu.

»Sie haben dann alles genäht und ich bekomme jetzt Medikamente. Ich bleibe noch ein paar Tage hier, damit sie mich beobachten können. In ein paar Wochen muss ich dann nochmal zum Fäden-Ziehen kommen. Mir werden jetzt auch Medikamente gegen Epilepsie verschrieben, die muss ich ein Jahr lang nehmen.«

»Hast du Kopfschmerzen?«

»Kaum. Wie sieht es bei euch so aus?«, erkundigte sich die Mutter.

»Ein bisschen chaotisch. Aber wir kommen klar. Wir sind ja schon groß.«

»Ich bin so froh, dass ihr jetzt so groß seid.« Ich lächelte stolz und breit. Allmählich gingen uns die Gesprächsthemen aus. Konrad sagte auch nichts. Ich sah den Bildschirm an, in der Hoffnung mir würde etwas einfallend, auf das man ein Gespräch aufbauen könnte.

»Wie sieht dein Zimmer aus?« Von dem kleinen Bildschirm aus konnte ich nicht viel von dem Zimmer sehen.

»Viel weiß. Zwei Stühle und ein kleiner Tisch. Zwei Fernseher.« Dann erzählte sie von ihrer Bettnachbarin.

»Hast du eine gute Aussicht?«

»Auf den Parkplatz. Dafür muss ich mich aber etwas strecken.«

»Lass, das mal lieber«, sagte ich schnell, um meine Mutter davon abzuhalten irgendwelche Verrenkungen anzustellen. »Aber cool, so ein Parkplatzblick, kommt auf der Beliebtheitsskala ja gleich nach Meerblick.«

»Ja, ich hatte echt Glück. Wie ist das Wetter so? Ich bekomme von hier aus, ja nicht viel davon mit.«

»Also im Moment ist es kalt und windig, aber trocken. Hat es diesen Monat überhaupt schon geregnet?«

»Ich glaube nicht.«

»Komisch, dabei haben wir es doch Herbst.«

»Scheint kein gutes Jahr zu sein«, meinte unsere Mutter.

»Vielleicht bekommen wir es auch einfach nicht mit, weil wir das Haus so wenig verlassen. Ich bin ja die meiste Zeit in der Schule oder in meinem Zimmer. Du bist meistens zu Hause oder bei der Arbeit oder wie jetzt im Krankenhaus.«

Von Märchen und NovembergefühlenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt