11) Nebel der Glückseligkeit

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„Was für ein Bann? Wieso beißen? Warte! War das der Grund, warum sie nicht gesprochen hat?" Ja. Um die Wolfsmenschen zu schützen, gibt es einen Bann. Es ist unbekannt, wer oder was ihn geschaffen hat, aber er verhindert, dass sich ein Wolfsmensch verwandeln kann oder sprechen kann, wenn er vor einem normalen Menschen darüber gesprochen hat oder sich verwandelt hat. Nur der Biss eines Wolfes kann den Bann brechen. Genauso wie nur der Biss eines Wolfes die erste Verwandlung hervorrufen kann. Deshalb habe ich dich auch gebissen. „Und warum genau in den Hals?" Ich dachte, das würde deiner Vampiroptik gut tun. Ich verdrehte die Augen, doch ich grinste dabei. „Wir sollten uns auf den Weg machen." Wohin? „In die Stadt. Ich habe schließlich Hunger. Und du siehst auch aus, als könntest du was vertragen." Hey! So dünn bin ich gar nicht. „Naja..." Ich grinste wieder. Zum ersten Mal in meinem Leben hatte ich so ein Gefühl... Ich weiß nicht, wie ich es beschreiben soll. Es füllte mein gesamtes Sein aus und ließ mich in einem Nebel der Glückseligkeit schweben. Freude. Ein einzigartiges, wunderbares Gefühl. Als Kind habe ich immer versucht, es zwanghaft hervorzurufen. Doch es hatte nichts in meinem Leben gegeben, was mir Freude bereitet hätte. Für jemanden, der Familie und Freunde hat, mag das unvorstellbar sein, doch bis zu diesem Tag, war mein engster Kontakt zur Freude gewesen, dass in einem Buch, das ich gelesen hatte davon geschrieben wurde. Doch nun war ich frei. Keiner sagte mir, was ich tun und lassen sollte. Und das wichtigste, ich hatte einen Freund. Das war das erste Mal, dass ich jemandem vertraute. Als Wolf bist du schneller. „Ja." Diesmal schaffte ich es, ohne die Augen zu schließen, mich zu verwandeln. Vorher stopfte ich aber noch meine Klamotten in meinen Rucksack und legte das Geld, dass ich ebenfalls von Frau Mahlzahn gestohlen hatte, in eine Seitentasche. Als Wolf schloss ich meinen Kiefer um die Trageschleifen des Rucksackes. Na gut. Dann wollen wir mal. Der indische Wolf ließ sich nicht lange bitten und kurz darauf liefen wir in vollem Tempo durch den Wald. Zwei Blitze, einer sandfarben, einer dunkelgrau. Zwei Kreaturen, einer Wolf, einer Wolfsmensch. Zwei Lebewesen, einer in fremden Land, einer zu Hause.

Irgendwann war es soweit. Ein Auto war das erste, was ich hörte. Der indische Wolf hörte es auch und es stoppte so ruckartig, dass er fast umfiel, als er schließlich stand. Ich gehe keinen Schritt näher dahin. Menschen sind böse. Und diese Dinge, in denen sie mich transportiert haben, sind auch böse. Ich kann sie hören! Sie lachen mich aus! Ich könnte die Angst in seinen Augen sehen. Gut, dann warte hier auf mich. Ich legte den Rucksack ab und verwandelte mich zurück in einen Menschen. Dann kramte ich meine Klamotten aus dem Rucksack heraus. „Ich bin bald wieder da. Warte einfach hier auf mich." Dann ging ich los, mit geschultertem Rucksack.

Das erst was ich sah, war eine Hütte. Klein und baufällig. Aus Holz mit einem schlichten Strohdach. Sie sah verlassen aus, es waren keine Geräusche darin zu hören. Ich ging an ihr vorbei, weiter in die Richtung der Autogeräusche, die ich als Mensch zwar schlechter aber immer noch deutlich wahrnahm. Sie wurden immer lauter und schließlich trat ich aus dem Schatten der Bäume ins Licht der Stadt. 

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