21) Das Lachen eines Irren

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Ich musste es wiederfinden. Ich rannte. Schneller, als ich je als Mensch gerannt bin. Meine Beine und Füße übernahmen das Kommando. Sie wichen Bäumen aus, spurteten über Wurzeln und führten mich zu der Straße. Ich hielt nicht an. Ich schlängelte mich zwischen den Autos hindurch. Hinter mir hörte ich die Autos bremsen und hupen, doch es war mir egal. Die Häuser und Gärten flogen an mir vorbei, als ich in die Stadt hastete. Die Leute um mich herum starrten mich an und Hunde bellten mir nach. Ich bog um Straßenecken, verlief mich in Sackgassen und nahm denselben Weg wieder zurück. Weiter. Nur weiter. Ich musste es finden!

„Sie sind im Wald. Sie sind im Wald!" Meine Stimme hallte durch das Gebäude und alle Köpfe wandten sich mir zu. „Was ist passiert? Wer ist im Wald?", fragte ein junger Polizist, der nur zwei Meter neben mir stand. „Im Wald! Sie sind dort!", schrie ich wieder. „Hör zu, Mädchen. Wenn du uns nicht sagen kannst, was los ist, dann können wir dir auch nicht helfen!", erwiderte der Polizist. Zitternd holte ich Luft. „Mein... mein Vater..." Ich brach in Tränen aus. „Sie ist tot! Er hat sie umgebracht." „Schschsch. Alles ist gut. Setz dich doch erst einmal..." „Nein!", unterbrach ich ihn. „Sie müssen in den Wald, sonst entkommt er!" Ich zog das Aufnahmegerät aus meiner Jackentasche und drückte auf den Abspielknopf. „Du irrst dich!", dröhnte etwas verzehrt aber unverkennbar meine Stimme aus dem Apparat. Die Polizisten scharten sich um mich und lauschten der Aufnahme. Ihre Gesichter nahmen von Wort zu Wort einen entsetzteren Ausdruck an. Die Aufnahme endete mit einem Schuss. „Er hat auf mich geschossen, doch ich war zu schnell. Er hat mich nicht getroffen." Meine Stimme zitterte. „Und wo sind sie jetzt?" „Immer noch im Wald. Deshalb müssen Sie schnell mitkommen!", rief ich. „Dann los. Zeig uns den Weg."

Ich kam vor den Polizisten an der Hütte an und gab den Wölfen schnell zu verstehen, zu verschwinden. „Danke!", rief ich ihnen hinterher. Der Alphawolf drehte sich noch einmal um. Du bist uns etwas schuldig. Wir sehen uns, Wolfsmädchen. Die Tür der Hütte brach auf und die drei Männer stolperten mit ihren Waffen im Anschlag heraus. Als sie die Polizisten sahen, versuchten sie zu fliehen, doch nach kurzer Zeit wurden sie gefasst. „Sie sind festgenommen wegen Verdacht auf Mord und illegalem Tiertransport von Wölfen. Haben sie überhaupt einen Waffenschein?" Als mein Vater mich sah, rastete er aus. „Du kleines Biest! Du hast mir alles kaputt gemacht! Du solltest gar nicht mehr leben! Du bist ein Monster!" Ich lief ganz gelassen auf ihn zu, bis ich unmittelbar vor ihm stand. „Das Monster bist du", flüsterte ich ihm zu. Sein Gesicht verzog sich zu einer grauenhaften Grimasse und er brüllte. Die Polizisten hatten Mühe ihn festzuhalten. Paul und der Mann mit der kratzigen Stimme waren deutlich ruhiger. Paul sah resigniert zu Boden und der andere Mann beobachtete die Polizisten voller Abscheu, aber die beiden wehrten sich nicht. „Wir sehen uns wieder! Du wirst dafür büßen! Und meine Rache wir grausam sein!", schrie mein Vater, während er von den Polizisten auf die Straße zugeschoben wurde. Sein Gesicht war wie das eines Irren verzogen und sein Lachen signalisierte jedem normalen Menschen, dass dieser Mann eine Gefahr für alle und jeden war, wenn er weiter frei herumlaufen würde. 

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