Hola, Lando.

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Seufzend blickte Lando an sich herab.

So dünn. Er war so verdammt dünn. Keine Muskeln, ein superflacher Bauch. Irgendwie wirkte aber auch gar nichts männlich an ihm.

Wenn er was ändern wollte, musste er die Hilfe nicht nur annehmen. Er sollte es dringlichst tun. Seine Eltern wichen kaum noch von seiner Seite seit diesem Vorfall. Lando wusste ja selbst, dass er großen Mist gebaut hatte. Niemals hätte er Schlaftabletten und Schmerztabletten zusammen nehmen dürfen. Schon gar nicht in der Menge. Aber die Schmerzen waren wirklich schlimm gewesen und er hatte einfach keinen anderen Ausweg gesehen.

Dass man ihm sogar glaubte, dass er nicht versucht hatte, Suizid zu begehen, war großes Glück. Wahrscheinlich hätte man ihn sonst eingewiesen. So aber musste er vorerst im Krankenhaus bleiben, bis es ihm körperlich wieder besser ging. In seiner Annahme war es selbstverständlich etwas übertrieben von den Ärzten und seinen Eltern, aber er wollte auch nicht Gegenteiliges sagen, was ihn vielleicht doch in eine Psychiatrie hätte bringen können. Es war so schon schwer genug zu wissen, dass er um Gespräche nicht herumkommen würde.

Und wenn er richtig zugehört hatte, wollten seine Eltern nach einem Therapieplatz suchen. Im Grunde gab es eine Menge, was er mit noch niemandem beredet hatte. Nicht nur das Mobben oder das Wissen, dass er schon ein ungesundes Essverhalten hatte. Aber wie sollte er sich jemand Fremdem anvertrauen können, wenn er es nicht mal bei seiner eigenen Familie und seinen besten Freunden schaffte?

Wie sollte er wieder zur Schule gehen können?

Alle würden mit dem Finger auf ihn zeigen. Den Stempel als Petze hatte er eh schon weg, auch wenn er positiven Zuspruch erfahren hatte. Nichtsdestotrotz gab es eben viele, die auf der Seite von Lewis, Kevin, Pierre und Nico standen und noch immer stehen. Aber einen Schulwechsel so kurz vor seinem Abschluss wollte er auch nicht.

Frustriert strich sich Lando durch die Haare, als er es an seiner Zimmertür klopfen hörte. Seine Eltern waren wohl schon wieder zurück. Seine Mom hatte nur gesagt, dass sein Dad und sie in die Cafeteria wollten, solange die Visite lief.

„Kommt rein. Ich bin noch im Bad."

Dieser Spiegel sollte abgenommen werden. Oder er hing ein Handtuch davor. Je länger er sich selbst anschaute, desto mehr verzog sich sein Gesicht. Wie sollte er jemals jemanden finden, der ihn mochte, ja sogar vielleicht liebte, wenn er selbst dazu kaum in der Lage war? Seine Komplexe bezüglich seines Aussehens hatten dank der Aussagen von Nico und Kevin noch mehr gelitten und am liebsten würde er sich unter weiten Hoodies verstecken.

„Hola, Lando."

Ruckartig wirbelte Lando herum.

Erstarrte.

Ungläubig schüttelte er den Kopf, blinzelte mehrmals, bis ihm mit einem Mal bewusstwurde, dass er hier gerade halbnackt vor Carlos stand. Beschämt riss er das Handtuch an sich und hielt es sich vor den Oberkörper.

„Ca-Carlos? W-was machst du hier?"

„Dein Dad hat mich angerufen."

„Was?"

Fassungslos traf nicht direkt den Kern. Gedanklich überschlug sich sein Gehirn gerade, was ihn die Augen zusammenkneifen ließ, da er in diesem ganzen Wirrwarr nicht hinterherkam. Dass der Spanier vor ihm stand und keineswegs eine Halluzination darstellte, hatte er verstanden. Auch hatte er verstanden, was Carlos gesagt hatte. Aber Lando verstand es trotzdem nicht.

„Mein Dad?"

„Si."

„Meine Eltern kennen dich nicht. Niemand kennt dich. Ich habe niemandem von dir erzählt."

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