Kapitel 6

443 13 0
                                    

Sicht Jacky:

Zuhause dusche ich, um mich dann noch ein bisschen ins Wohnzimmer zu setzen und zu lesen.

Auf einmal klingelt mein Handy. "Wendt, Hallo?"

--------------------------------------------------------------------

J= Jacky; P= Phil

P: Jacky? Ich rufe aus der Klinik an, wir haben hier ein kleines Problem.

J: Hi Phil! Erzähl, wie kann ich helfen?

P: Ja, ich fürchte du bist die Einzige die das lösen kann. Weißt du noch vorhin als du Joggen warst, das Mädchen?

J: Ja, was ist mit ihr? 

P: Sie ist hier in der KaS, Franco und Dustin haben mir bei der Übergabe erzählt dass du die Melderin warst, sie beim Joggen im Park gefunden hast und auch die Einzige warst die sie beruhigen konnte. Nun, es ist so: Sie sitzt im Schockraum in der Ecke und hyperventiliert, mit Verdacht auf Polytrauma und einer Gehirnerschütterung. Hast du Zeit damit du herkommen kannst und sie beruhigen kannst?

J: Klar, ich bin gleich da, die Arme.

P: Danke. Bis gleich.

J: Bis gleich.

--------------------------------------------------------------------

Ich lege mein Buch zur Seite, ziehe mir meinen gelben Mantel und meine Schuhe an, schnappe mir meine Handtasche und hüpfe ins Auto.

Nach etwa 5 Minuten stehe ich vor der Notaufnahme. Ich gehe zügig hinein. Gisela sitzt am Empfang und begrüßt mich mit einem Lächeln. Anscheinend weiß sie was los ist. Ich gehe direkt durch zu den Schockräumen. Vor dem zweiten steht Phil schon. Er öffnet mir die Tür, bleibt selbst aber davor stehen. Langsam trete ich ein.

In der Ecke sitzt das Mädchen, die Knie angezogen und ihren Kopf darauf abgelegt. Sie schluchzt "Hi. Ich bin's" sage ich vorsichtig. Sie hebt ihren Kopf und sieht mir in die Augen. Ein schüchternes und seltenes aber echtes Lächeln huscht über ihre Lippen und sie hört auf zu schluchzen. Auf die Frage ob ich ich zu ihr setzen kann nickt sie leicht. Ich komme auf sie zu und halte ihr meine Hand hin. Dankbar nimmt sie sie an und ich ziehe sie hoch. Wir gehen zu einer der Liegen und ich stütze sie, da sie echt wackelig auf den Beinen ist.


Sicht ???(das Mädchen):

Sie stützt mich zur Liege und wir setzten uns darauf. Zuerst schwiegen wir, aber bald begann sie das Gespräch: "Wenn du Angst vor Männern hast, kann ich bestimmt eine Ärztin für dich auftreiben. Soll ich mal gucken gehen ob jemand frei ist?". Dankbar nicke ich. Mein Kopf beginnt wieder zu dröhnen. Sie steht auf und geht aus dem Raum.

 Zum ersten mal seit meiner Ankunft sehe ich mich hier um. Es ist alles weiß und es riecht nach Desinfektionsmittel. An den Wänden gegenüber der Liegen hängen Schränke. Neben mir stehen Geräte die piepsen und brummen.

 Die junge Frau mit dem blonden Pferdeschwanz kommt mit einer anderen Frau hinein. Sie hat braune Haare, die sie ebenfalls zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden hat.

Sie stellt sich vor: "Hallo, ich bin Paula Martinson, du darfst mich Paula nennen. Wo hast du denn Schmerzen?" Ich bin ein wenig angespannt. Die blonde Frau sagt: "Ich bin übrigens Jacky. Eigentlich Jacqueline. Aber bitte nenn mich Jacky." Jacky also.

Um die Frage der Ärztin zu beantworten murmle ich: "Mein Kopf, mein Knie, meine Rippen, Mein Bauch und wenn ich atme." Sie meint daraufhin: "Okay, darf ich deinen Bauch abtasten?" Ich nicke, und sie zieht mein Shirt hoch. Ich blicke auf die ganzen blauen Flecken, genauso wie Jacky und sie. Mein Bauch ist gelb-blau-grün-lila verfärbt. Blaue Flecken in ihren unterschiedlichen Stadien. Paula und Jacky sehen mich geschockt an. "Wer war das denn?" fragt Paula mich. Ich starre sie an. Ist das nicht normal? Mein "Vater" hat mir immer erzählt dass so etwas völlig normal wäre. Ich spreche meine Gedanken aus und Jacky sagt: "Verdammt, das ist gar nicht normal! Das ist häusliche Gewalt.". Verwirrt sehe ich sie an. Wenn das nicht normal war, was war dann normal? Paulas kalte Hände tasten meinen Bauch vorsichtig ab. Ich verziehe mein Gesicht vor Schmerzen. Sie sieht mich an und sagt mir, ich solle Bescheid sagen wenn mir etwas weh tut. Mein "Vater" hat nur noch mehr zugeschlagen wenn ich geschrien habe. Also lasse ich es lieber und versuche möglichst normal zu gucken, wer weiß was diese Paula macht wenn ich schreie. Mittlerweile steht die blonde Frau mit den  Locken wieder neben uns. ich sehe sie aus dem Augenwinkel misstrauisch an. Auf einmal sagt Paula mit Unruhe in der Stimme mitschwingend: "Linda, kannst du einmal Bescheid im OP sagen, wir haben hier Verdacht auf eine innere Blutung..." Sie holte eine kleine Flasche hervor und tat mir etwas davon auf den Bauch. Brrr, war das kalt. Dann erklärt sie mir: "Wir machen jetzt ein Ultraschall von deinem bauch, vielleicht hast du eine innere Blutung. Das müssen wir abklären." Sie nahm ein kleines Gerät und auf einmal flackerte ein Bildschirm, dann sah man darauf schwarz-weiße...Linien? Paula und Jacky schienen mehr darin zu erkennen, denn ihr Mienen wurden von Sekunde zu Sekunde besorgter. Dann wischte Paula das Gel von meinem Bauch und schob mich aus dem Raum. Sie rief dieser Linda zu, sie fahre sofort in den OP. Ich schaue sie verwirrt an und sie guckt entschuldigend zurück und meint dann: "Du hast eine innere Blutung, das heißt dass in deinem Bauch ein Organ kaputt gegangen ist und du verbluten könntest. Deswegen müssen wir dich jetzt möglichst schnell operieren."

Ich frage mich warum sie entschuldigend geguckt hat.

In einem etwas kleinerem Raum klebt Linda mir dann kleine Aufkleber mit Schläuchen auf die Brust, und fast zeitgleich fängt dass Gerät neben mir an, gleichmäßig zu piepen, dann holt eine andere Frau mit denselben Klamotten wie Linda eine Maske, die sie mir dann aufs Gesicht hält. 

Langsam werde ich müde, mir fallen gleich die Augen zu, aber genau in diesem Moment läuft ein Mann mit Kittel in den Raum. Er zieht sich gerade blaue Handschuhe an.

 Meine Panik steigt, und die Maschine neben mir piept schneller, schneller, noch schneller und rastet dann komplett aus. Ich will mich losreißen und weglaufen, aber die Frau hält mich fest und drückt mir die Maske weiterhin auf Mund und Nase.  Ich schlage um mich, schluchze und Tränen steigen mir in die Augen. Ich schaffe es meinen Oberkörper aufzurichten, aber die Müdigkeit übermannt mich und ich falle nach hinten, mal wieder in den Teich.


Der Wind in meinem GesichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt