Kapitel 42

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Paulas Sicht:

Vorsichtig hole ich die anderen Seiten aus dem Briefumschlag.

"Hallo mein kleines Engelchen." fange ich an zu lesen. "Offensichtlich wurdest du gefunden, denn sonst würdest du diesen Brief nicht lesen. Hier schreibt dein Papa. Als du geboren wurdest, warst du ein bisschen zu klein. Du hast in meine beiden Hände gepasst, so klein warst du. Dann bist du immer älter und größer geworden. Dann, eines Tages bin ich nach Hause gekommen und habe deine Mama weinend am Tisch gefunden. Sie sagte mir: "Schatz, Linnea wurde entführt." und in dem Moment brach eine Welt für mich zusammen. Ich dachte immer: mein Engel ist schon so groß. Aber dann kamst du mir so klein vor. Eine Vierjährige. Entführt. Wie sollten wir dich jemals wiederfinden, auf einem riesigen, fliegendem Stein im Weltall, auch Erde genannt? Du könntest schon auf der anderen Seite der Welt sein. Jetzt haben deine Mutter und ich beschlossen, es zu beenden. Ohne dich will keiner von uns weiterleben. Du warst unser ein und alles. Jeden Abend haben wir uns alle auf das Sofa im Wohnzimmer gesetzt und ein Buch gelesen. Meistens bist du dann schon dort eingeschlafen, so dass wir dich dann hoch in dein Zimmer tragen mussten. Der erste Abend ohne dich war furchtbar. Wir saßen beide weinend auf dem Sofa. Deine Mama hat drei Nächte nicht geschlafen und konnte manchmal kaum aus dem Bett kommen, so niedergeschlagen war sie. Ich glaube ich habe diese Zeit nur durchgehalten, da ich mich mit Arbeit überhäuft habe. In jeder freien Sekunde musste ich an dich denken,  so dass ich versucht habe, kaum noch freie Sekunden zu haben damit ich nicht zusammenbreche. Bitte sag mir, dass die Person, die dich uns entrissen hat, ihre gerechte Strafe erhalten hat. Ich liebe dich über alles. Dein Papa."

Ich falte die beiden Briefe wieder zusammen und lege sie in den Briefumschlag.

Plötzlich sagt Linnea: "Bin ich Schuld, dass sie sich umgebracht haben? Wenn ich früher entkommen wäre oder nicht mitgegangen wäre, wäre alles gut und die noch hier." 

Geschockt sehe ich zu ihr hoch. Wie kann sie nur so etwas denken? Ich stehe auf und setze mich neben sie auf das Krankenhausbett, lege einen Arm und sie und streiche ihr über den Kopf. "Maus, das stimmt ganz und gar nicht. Erstens: du warst vier! Wie hättest du dich gegen einen erwachsenen Mann wehren sollen? Außerdem hat Jacky mir erzählt, wie es dort unten war. Dieser Kranke hat dich jede Nacht an eine Wand gefesselt! Und zweitens haben sie sich nicht in den Tod gestürzt, und gedacht: "Oh nein Linnea ist weg, es ist ihre Schuld, dass sie sich entführen lassen hat. Jetzt springen wir, damit unser kleines Engelchen sich schlecht fühlt. Es ist ihre Schuld!" Klingt das wie etwas, was jemand denken würde? Nein, niemand würde so etwas sagen, Maus. Sie haben dich so sehr geliebt, dass sie fanden, dass das Leben ohne dich keinen Wert mehr hat." 

Sie blickt auf ihre Hände und spielt an den Verbänden rum. Es ist so furchtbar, dass sie soviel in ihrem jungen Alter durchmachen muss. 

"Paula..." 

"Ja?" 

"Warum wurde ich vorhin operiert? Ich habe der Ärztin nicht zugehört..." 

"Du weißt wie Kinder entstehen?" 

"Ja."

"Nun ja, Ich habe erfahren dass in dem Keller Dinge passiert sind, die du nicht wolltest. Dein Entführer hat deinen Körper verkauft, also dich prostituiert. Und da anscheinend keiner dieser Männer verhütet hat, also keine Kondome benutzt hat, und du die Pille nicht nimmst, bist du schwanger geworden." Beim letzten Satz wird mir übel. Einer 14 jährigen erklären zu müssen, dass sie schwanger ist weil sie vergewaltigt wurde ist schlimm. Zu wissen, dass keiner dieser Männer sich darum geschert hat wie jung sie aussieht, bzw. ist und dass sie sich höchstwahrscheinlich gewehrt hat, ist noch schlimmer. Ich habe das Gefühl, kotzen zu müssen.

"Und da dein Körper durch die Verletzungen, die du erlitten hast, und deine Unterernährung sehr schwach war, musste das Kind weg gemacht werden. Es war kein Kind, sondern nur ein paar Zellen, aber wenn es ein Kind geworden wäre, hättest du die Geburt genau so wenig wie dieses Kind überstanden."

Linnea nickt.

Mein Handy pingt. Ich öffne die Nachricht. "Jacky hat mir geschrieben, dass ich dir noch sagen soll dass morgen die Polizei kommt um dich zu vernehmen, also dich eine Aussage machen lassen. Möchtest du dass einer von uns dabei ist?" 

"Kannst du dabei sein?" 

"Klar. Jacky hätte morgen sowieso keine Zeit, aber wenn du sie dabei haben möchtest hätte sie sich freigenommen."

Wieder nickt sie.


Authors Note:

Also erstmal hi, schön dass ihr immer noch da seid.

Ich wollte nur noch mal sagen dass ich TOTAL prochoice bin, also dafür, dass Frauen, bzw. schwangere Personen darüber entscheiden dürfen sollten, ob sie ein Kind abtreiben wollen oder nicht. Menschen die der Meinung sind, dass das Mord ist oder fRauEn SinD iNkuBaTorEn DEr meNsChHeiT oder sowas, haben hier absolut nichts zu suchen. Abtreibung ist KEIN MORD, und es ist auch nicht deine oder meine Angelegenheit. Es ist allein die Entscheidung der Mutter, bzw. der Person die schwanger ist. Adoption ist in den meisten Fällen auch keinesfalls eine Option, da der Körper, der Hormonhaushalt und die Gesundheit der Schwangeren sich krass verändert. Neun Monate Rückenschmerzen, Hormonschwankungen und vieles mehr. Wenn ihr der Meinung seid: Ja, Abtreibung ist nur okay wenn das "Kind" aus einer Vergewaltigung entstanden ist-NEIN, ABTREIBUNG IST IN ALLEN FÄLLEN OKAY!!! Muss eine Frau erst Gewalt erfahren, bzw. gegen ihren Willen Geschlechtsverkehr haben, damit sie selbst entscheiden darf was mit ihrem Körper passiert? WAS IST DAS FÜR EIN MINDSET MANN? 

Liebe Grüße, eure Onlineitsme <3

Wie steht ihr dazu?

Der Wind in meinem GesichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt