Kapitel 6

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Am Abend war ich mit Nerven noch immer am Ende. Ich war vollkommen unruhig und ging in meinem Zimmer auf und ab.

Ich hatte den zukünftigen Alpha wütend gemacht. Das war praktisch mein Todesurteil.

Sisi räusperte sich, was ich ignorierte. Meine eigenen Gedanken beanspruchten mich viel zu sehr. Irgendwie musste ich eine Lösung finden, wie ich auf der guten Seite von Adam stand.

Sein Wolf musste verärgert sein, wenn er schon die Kontrolle wollte. Vermutlich hatte er die längste Zeit in ihm getobt, seit ich angedeutet hatte, dass ich kein Heimweh hatte. Es war auch eine gigantische Beleidigung für dieses Rudel.

Verzweiflt fuhr ich durch meine Haare und blieb stehen. Sisi betrachtete das als idealen Zeitpunkt, um sich zu Wort zu melden. "Beruhig dich endlich. Es ist alles gut. Ansonsten hätte Adam uns längst aufgesucht oder uns sonst wie kontaktiert."

An sich klang das logisch, dennoch könnte er auf unser nächstes Aufeinandertreffen warten.

Bevor ich mit mir selbst durchdrehte, machte ich mich auf den Weg mein Zimmer zu verlassen. Mein Bruder konnte zwar ein Trottel sein, aber manchmal war er auch hilfreich.

Der gewünschte Raum befand sich direkt neben meinem und den steuerte ich an.

Ich klopfte an seine Tür, was im ansonsten stillen Haus grausam laut klang. Die Warterei machte mich noch wahnsinniger. Ich brauchte nämlich klare Antworten, damit ich wusste auf was ich mich vorbereiten musste.

Endlich machte Zane die Tür auf und sah mich fragend an.

Ich hätte ja Smalltalk geführt, aber war zu panisch. Das konnte man scheinbar meinem Gesichtsausdruck ablesen, denn er wirkte nun besorgt. „Was ist los?“ Ich öffnete den Mund, aber schloss ihn wieder. Mir fehlten die gerechten Worte dafür.

Zane hielt mir die Tür auf und deutete in sein Zimmer. „Komm rein.“ Sehr gut, denn Dad dürfte sich irgendwo im Haus befinden. Zwangsläufig musste er nichts davon wissen.

Ich ging rein und blieb in der Mitte des Raumes stehen. Wie so gerne, fing ich an mit meinen Armbändern zu spielen. Leider beruhigte mich das diesmal kein bisschen.

Nach einem Räuspern fing ich an: „Vermutlich bin ich tot.“ Es konnte nicht mal anders sein. Da konnte keine positive Reaktion folgen, wenn ich schon das Rudel beleidigte.

Zane zog seine Augenbrauen zusammen und wirkte vollkommen irritiert. „Warum? Was ist passiert?“ Ich holte tief Luft und erzählte: „Adam war ja heute mit mir in der kleinen Bibliothek. Wir haben über die Ferien gequatscht. Er hat mich gefragt, ob ich Heimweh hatte, daraufhin meinte ich nein. Ich weiß, es war dumm. Im Grunde habe ich das Rudel beleidigt. Am Ende schimmerte sogar sein Wolf durch. Er bringt mich um. Zane, ich bin tot.“ In mir herrschte der pure Stress und natürlich Angst.

Aber mein Bruder fing zu lachen an, was unpassend war. Entsetzt sah ich ihn an. „Zane! Das ist nicht witzig!“ Er sollte das ernst nehmen und mir helfen. Als großer Bruder war das praktisch seine Pflicht.

Da er mittlerweile vor mir stand, konnte ich ihn gegen seinen Oberarm schlagen.

Wie konnte man so sein? Manchmal benahm mein Bruder sich unmöglich.

Zane holte tief Luft, um sich zu beruhigen und meinte: „Das nimmt er dir sicher nicht böse. Adam versteht sicher, dass du eine Pause gebraucht hast. Das nimmt er dir nie übel.“

„Bist du taub?!“ Ich drehte echt am Rad ab und Zane unterdrückte ein Lachen. „Arschloch! Hörst du mir zu?!“

Er räusperte sich und holte sein Handy aus der hinteren Hosentasche. „Halt die Klappe, ich beweise dir, dass alles in bester Ordnung ist.“ Ich hob eine Augenbraue und er tippte am Handy rum.

Schon hörte man ein Tuten und er stellte auf Lautsprecher.

Für was auf Lautsprecher? Ich könnte es so oder so hören. Mit dem Gehör eines Werwolfs klappte das sehr leicht.

Moment mal, wen rief er an?

Schon hörte ich die Stimme von Adam. „Hey Zane. Was gibt’s?“

Heilige Mistgabel.

Das tat Zane nicht wirklich. Mein eigener Bruder fiel mir in den Rücken und tat mir das an. Ich wagte es nicht mal mehr zu atmen. Lediglich mein Herz hämmerte wie verrückt.

Zane klang gutgelaunt als er fragte: „Hi, alles klar?“ Er schien ernsthaft keinen Stress zu empfinden. Mein Bruder hatte keine Zweifel daran, dass ich weiterhin leben durfte.

Adam klang normal, als er antwortete: „Ja und bei dir?“

Ich würde gleich sterben, wenn das Urteil fiel. Am besten haute ich ab und tauchte unter. Ein neuer Name und ein neues Aussehen mussten her.

„Ja, auch. Ich wollte mich nochmal bedanken, dass du heute Selena Gesellschaft geleistet hast.“ Einen leichten Atemzug wagte ich, aber nicht mehr. Meine Ohren hielt ich dabei gespitzt, um auch ja alles mitzuhören.

„Klar, kein Ding. Das habe ich gerne gemacht.“ Vielsagend sah Zane mich an und ich war sprachlos.

Was sollte ich auch sagen?

Sisi schrie mich an: „Nichts! Adam weiß nicht, dass du zuhörst. Er denkt, dass er hier nur von seinem besten Freund angerufen wird.“ Oh, guter Einwand. Sisi dachte mit und behielt einen kühlen Kopf. Wenigstens eine von uns benutzte ihr Hirn.

Zane antwortete: „Echt danke. Es hat sie schon genug gestresst, dass sie im Rudelhaus auf mich warten musste.“

„Wie gesagt, habe ich das gerne gemacht. Es war kein Umstand.“ Adam klang sogar ehrlich, scheinbar war wirklich alles gut und ich hatte maßlos überreagiert.

Sisi musste selbstverständlich ihren Senf dazugeben: "Ich hab es dir ja gesagt. Aber nein, auf mich hört niemand." Ich gab ihr keine Antwort und verfolgte weiterhin das Telefonat.

Zane meinte: „Ich hoffe sie hat nicht genervt. Meine kleine Schwester hätte eine Auszeichnung dafür verdient.“ Ich warf Zane meinen Killerblick zu.

Wollte er Adam auch noch anstacheln? Was lief falsch bei ihm?

„Nein, es war nett.“

Nett?! Nein, ich kam mit meinem Leben nicht mehr klar.

Adam seufzte und merkte an: „Aber ich glaube, ihr gefällt es hier nicht. Es wäre schade, wenn du deine Schwester verlierst.“

Wow, das war lieb von ihm, wie beste Freunde eben zueinander waren. Allerdings war damit auch geklärt, warum er überhaupt freundlich zu mir war.

Ich hatte genug gehört, also nickte ich Zane zu. Leise verließ ich sein Zimmer, dann konnte er ungestört telefonieren. Meine Nerven waren beruhigt, dann konnte ich normal weitermachen. Trotzdem wäre Gesellschaft schön, weshalb ich ins Erdgeschoss ging.

Im Wohnzimmer hörte ich Stimmen, die dem Fernseher zu verschulden sein dürften. Dann war geklärt, dass Dad zu Hause war, vor allem wach.

Ich lehnte mich in den Türrahmen und fand ihn sitzend auf der Couch. Er sah gleich zu mir und fing zu lächeln an. „Hey Selena. Wie war dein Tag?“

Das war die stille Einladung, dass ich mich zu ihm setzen sollte. Das setzte ich in die Tat um und ging mit einem Lächeln zur Couch hinüber. Nebenbei antwortete ich: „Gut, gut. Wie war dein Tag?“

"Genauso."

Ich ließ mich auf den Platz neben ihn fallen und wandte mich an den Fernseher. Eigentlich war es mir ziemlich egal welcher Film lief, dennoch blieb ich darauf fokussiert.

Bei meiner Familie fühlte ich mich wohl, da konnte mir nichts passieren. So konnte ein netter Abend beginnen, ohne Stress oder Drama.

Zane blieb mir hoffentlich fern, nach der Szene würde er mich nur auslachen.

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