Kapitel 4

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Der Nachmittagsunterricht verlief auffallend ruhig. Meine Skepsis meldete sich da von alleine. Mein Hirn wollte einfach nicht akzeptieren, dass wir unseren Frieden hätten.

Soeben verließ ich die Schule und das alleine, denn Zane hatte heute Morgen festgestellt, dass wir um dieselbe Uhrzeit aus hatten.

Mit Liz und Luke hatte ich heute nichts mehr vor. Also ging es direkt nach Hause, worauf ich mich freute. Die eigenen vier Wände konnten ein wundervoller Ort sein.

Heute war ich klüger und sperrte Sisi automatisch aus. Ihren Wahnsinn würde ich mir heute ersparen.

Am Schulhof war einiges los, scheinbar hatten viele um diese Uhrzeit Unterrichtsschluss. Ich schlängelte mich durch die Menge durch, da hatte ich das Auto meines Bruders bald erreicht. Auch heute war ich schneller als er. Mit einen Seufzen lehnte ich mich an seinen Wagen.

Die Wartezeit war kurz, denn schon tauchte Zane auf. Er war noch ein paar Meter entfernt und sagte über den Mindlink: "Dad verlangt nach mir. Es gibt ein Problem wegen den Akten. Scheinbar habe ich etwas falsch gemacht."

Wenn niemand mithören sollte, vor allem keine Menschen, verwendeten Werwölfe stets den Mindlink. Über Telepathie konnten wir uns unterhalten, das war wie ein großes Netzwerk. Wir konnten mit jedem im Rudel kommunizieren und das zu jeder Zeit.

Zane entsperrte seinen Wagen und erklärte: "Wir müssen einen Zwischenstopp im Rudelhaus machen. Danach fahren wir Heim." Entsetzt riss ich meine Augen auf, denn das stand absolut nicht auf meinem Plan. Das Rudelhaus war meine persönliche Hölle. Dort hingen meist die Teenager ab und genau diese Altersklasse war ein Problem für mich.

Mein Bruder stieg in seinen Wagen und ich blieb neben der Tür stehen. "Danke, aber ich gehe zu Fuß. Wir sehen uns später."

"Selena, red keinen Blödsinn. Das habe ich schnell erledigt. Jetzt steig ein."

Im Grunde ließ ich mir weiterhin mein Leben vermiesen, wenn ich mich von den Mitschülern ausbremsen ließ und Orte mied. Dem sollte ich mich stellen.

Gut, lag vielleicht auch daran, dass mir bewusst war, wie nervig der Nachhauseweg war. Ein 37 minütiger Fußweg war kein Spaß, sofern man seine Kopfhörer zu Hause gelassen hatte.

Ich kratzte meinen Mut zusammen und stieg in den Wagen ein. Ich saß gerade mal, schon startete mein Bruder den Motor. Vermutlich war Dad sauer, daher kam der Stress. Zumindest musste es sich um die Arbeit eines Betas handeln, wenn er schon von Akten und dem Rudelhaus sprach. Denn dort waren unter anderem die Büros. Eigentlich im Nebengebäude, aber logischerweise schickte man mich währenddessen ins Rudelhaus.

Die Tür schloss ich, da fuhr er schon los. Seelisch versuchte ich mich auf meinen Bestimmungsort einzustellen. Dieses Plätzchen war deshalb so beliebt, weil es ein allgemeiner Treffpunkt für Werwölfe war. Im Erdgeschoss befanden sich die ganzen Gemeinschaftsräume und in den oberen Stockwerken Schlafzimmer. Sofern man ein Werwolf war, stand einem offen dort zu leben.

Die Fahrt über spielte ich nervös mit meinen Armbändern. Irgendwie war das beruhigend. Zane bekam davon nichts mit. Er musste praktisch mit jemanden über den Mindlink sprechen. Ansonsten wäre er nie derart abwesend. Wer weiß wie gut das während dem Fahren war.

Mit einem Blick aus dem Seitenfenster versuchte ich mich abzulenken. Leider half das kein bisschen. Diese Gegend kannte ich wie den Rücken meiner Hand, da gab es nichts Spannendes zu entdecken.

Leider befand sich unser Ziel in der Nähe, so hatten wir es schnell erreicht. Es lag zwar mitten im Wald, lediglich eine Straße führte dorthin und führte in eine Sackgasse. Das war zwangsläufig nötig, immerhin lebten dort die Werwölfe, da wollte man seine Ruhe haben.

Der Parkplatz war riesig, da fand man stets eine freie Lücke. Gekonnt parkte mein Bruder ein und in dem Moment hatte ich einen Geistesblitz.

"Zane, ich warte einfach im Wagen." Er hatte sich bereits abgeschnallt und öffnete die Tür. "Red keinen Unsinn. Falls ich doch länger brauche, sollst du hier nicht versauern."

War es die Diskussion wert? Ja, definitiv.

"Nein, ich bleibe hier." Er war bereits ausgestiegen und drehte sich um zu mir. "Ich will mir keinen Stress machen, weil ich weiß, dass du hier alleine wartest." Ich wollte schon etwas erwidern, allerdings kam mir jemand zuvor.

"Selena kann gerne mit mir mitkommen." Adams Stimme ließ mein Herz einen Schlag aussetzen. Bei dieser Aussage wollte ich noch dringender hier sitzen bleiben.

Zane wandte sich an Adam, welcher glücklicherweise den Parkplatz neben uns hatte. Deshalb stand er praktisch neben Zane.

Wie viel Pech musste man eigentlich haben?

Mein Bruder wandte sich an ihn und sein Lächeln könnte ich ihm direkt aus dem Gesicht schlagen. "Danke, Adam. Das ist perfekt."

Innerlich wollte ich heulen, weil ich im Grunde zustimmen musste. Alles andere wäre respektlos. Mit einem mulmigen Gefühl stieg ich aus dem Wagen aus und sandte ein kurzes Gebet an die Mondgöttin.

Zane meinte noch: "Ich wusste gar nicht, dass du auch hierher fährst."

"Doch, ich wollte ins Rudelhaus." Mit dem Daumen deutete er hinter sich und ich ging um den Wagen herum, um mich zu den Jungs zu gesellen. Da ich keine Ahnung hatte wohin mit meinen Händen, verschränkte ich meine Arme vor der Brust.

Mein Bruder winkte uns zu und eilte davon. Nebenbei sperrte er den Wagen ab und überließ mich meinem Schicksal. Falls er weiterhin leben wollte, sollte er sich beeilen. Ansonsten würde ich ihn spätestens zu Hause umbringen.

Adam drehte sich mir zu, weshalb meine Augen langsam zu ihm wanderten. Es war eine automatische Reaktion, dadurch hatten wir gleich Blickkontakt. Befremdlicherweise zierte ein Lächeln seine Lippen.

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