Das einzige Geräusch, welches ich wahrnahm waren die lauten Töne, welche das Auto von sich gab.
Ich war wie gefangen in einer Trance. Kaum zu glauben, dass ich es überlebt hatte. Das dieser Alptraum zu Ende war und ich mich nun in Freiheit befand. Nun würde hoffentlich alles besser werden.
Tief in meinen Gedanken gefangen, merkte ich nicht, wie mir Leano sanft über meine Hose strich und dadurch meine Aufmerksamkeit auf sich zog.
Ich starrte ihm mit einem leeren Blick an. Nicht wissend, wie ich mich in dieser Situation jetzt fühlen sollte. Die Zerrissenheit in mir tobte nur so. Ich wollte Leano vertrauen, ich spürte eine Verbindung zwischen uns und ich schloss Adelia schon jetzt in mein Herz, allerdings wurde seine Villa angegriffen. Warum wusste ich bisher immer noch nicht, im Augenblick hatte ich auch nicht die Kraft dazu, ihn danach zu fragen. Es war alles so verwirrend.
Leano erwiderte mir ein sanftes schnelles Lächeln, ehe er sich wieder der Straße zuwandte. Seine Hand nahm er ebenfalls von meinem Oberschenkel und legte sie auf das Lenkrad, um es nun mit beiden Händen fest zu umgreifen. Ich merkte, wie angespannt er schien, denn er umfasste das Lenkrad so fest, dass bereits seine Fingerknöchel weiß hervortraten.
Von der Rückbank kommend, hörte ich ein leises Stöhnen und plötzlich erinnerte ich mich daran, was geschehen war. Emilio wurde angeschossen. Ich warf einen sorgenvollen Blick nach hinten und sah ihn schwach da liegen. Seine Schulter blutete und ich bereute es, ihm aus Schock nach dem Schuss keinem Druckverband angelegt zu haben.
„Er muss schnell in ein Krankenhaus", wollte ich Leano im strengen Ton mitteilen, allerdings war meine Stimme nur ein leises Flüstern. Leano verstand mich trotzdem und drückte erneut das Gaspedal tief in den Boden. Der Wagen beschleunigte so stark, dass ich fest in den Sitz gedrückt wurde.
Ich drehte mich wieder zur Windschutzscheibe nach vorne und sah die Dunkelheit der Straßen Neapels an. Es war kein Mensch zu sehen. Einzig die Straßenlaternen erhellten etwas von der Straße. Ein prüfender Blick auf die Uhr bestätigte mir, dass es bereits 1:00 Uhr in der Nacht war. Dieser Alptraum hatte unendlich lange angedeutet.
Die Müdigkeit überkam mich wie eine Flut und ich musste gähnen. Ich gab mir Mühe, meine Augen offen zu halten, für Emilio. Es war ein anstrengender Tag sowohl körperlich als auch psychisch. Mein einziger Wunsch war mein Bett, eine Dusche und neue Kleidung. Vielleicht hätte ich Glück und jemand würde dann auch mein Gedächtnis löschen, doch ich gab diese Hoffnung auf. Die Kleidung, welche ich trug, war voller Blutspritzer, hatte Löcher und war dreckig. Kein Wunder bei all dem Chaos im Haus.
Ich wollte vergessen und mich nie wieder an diesen Tag erinnern. Doch ich brauchte Antworten. Ich versprach mir selber Leano mit den Geschehnissen zu konfrontieren, doch nicht heute. Heute zählte nur Emilio und sein Überleben. Ich hoffte so sehr, dass er es überleben würde.
Leano fuhr eilig eine breite Einfahrt hinauf und ich erkannte ein großes hohes Gebäude. Die weiße Fassade strahlte hell beleuchtet in der Nacht und ich sah über dem vermutlichen Eingang ein Schild, mit der Aufschrift „Grand Memorial Hospital Neapel".
Wir waren am Krankenhaus angekommen. Leano stellte den Audi zügig vor den zwei Türen ab und stieg aus, um auf diese zu zugehen. Dabei ignorierte er die wütenden Blicke der Menschen, welche ihm dabei zusahen. Ich stieg ebenfalls aus, ging allerdings an die Hintertür des Wagens, um Emilio aus diesem zu Hiefen. Eins musste man ihm lassen, er war extrem schwer. Zumindest für eine zierliche Frau wie mich.
Hilfesuchend blickte ich zu dem Eingang, als ich bereits Leano mit einem Rollstuhl erkannte. Eine Frau mit Zopf und Kasak begleitete ihn. Sie arbeite wohl hier als Krankenschwester. Ich machte ihnen Platz, damit Leano, Emilio aus dem Wagen holen konnte.
Die nächsten Minuten liefen wie in einem Film ab. Ich bemerkte nichts von meiner Umgebung und auch die besorgten Blicke des Krankenhauspersonals auf mir ignorierte ich.
Sie schoben Emilio hinein und er wurde von dem Rollstuhl auf eine Trage gehievt. Mehrere Angestellte des Krankenhauses umzingelten ihn und er wurde auch schnell in einen anderen Bereich geschoben. Ich wollte ihnen hinterher, allerdings wurde ich vor der Tür aufgehalten. Sie ließen mich nicht hindurch.
„Nur für Personal", ermahnte mich einer der Ärzte und deutete mit dem Kopf auf die Stühle im Wartebereich, ehe er hinter der Tür verschwand.
Ahnungslos ließ ich mich auf einen der Stühle nieder. Ich hatte keine Kraft mehr, war müde und traumatisiert. Am liebsten würde ich schlafen gehen und nie wieder aufwachen. Mir war das alles zu viel. Ich schloss erschöpft meine Augen und versuchte die Erinnerung, welche mich vom heutigen Tag einholten zu verdrängen.
Immer wieder fuhr mir ein kalter Luftzug über das Gesicht und ich öffnete die Augen. Direkt im Wartebereich der Notaufnahme befand sich eine Tür, durch welche die verletzten Notfälle hindurch in die verschiedenen Räume gebracht wurden. Ich brauchte frische Luft. Langsam stand ich von dem Stuhl auf und merkte, wie mir leicht schwindelig wurde. Ich wartete einen kurzen Moment, ehe sich mein Körper an diese Position gewöhnt hatte, und ging durch die Tür nach draußen.
Die kalte Abendluft war so erfrischend und wohltuend, dass ich mich an der Gebäudewand anlehnte und tiefe Atemzüge der Luft inhalierte.
Ich musste bereits seit dreißig Minuten hier gestanden haben, als ich neben mir leise Schritte bemerkte. Erneut hatte ich meine Augen vor Erschöpfung geschlossen, welche ich nun öffnete.
Neben mir an der Wand lehnte Leano. Er hatte eine Zigarette in der Hand und starrte ausdruckslos nach vorne. Ich musterte ihn kurz von der Seite, bis ich meinen Blick wieder abwandte.
„Gibt es schon was neues?", fragte ich ihn schwach.
Er schien es zu bemerken und ich spürte seine besorgten Blicke auf mir.
„Setz dich", sagte er zu mir und sein Ton ließ keinen Raum für Diskussionen, als er auf die Bank zeigte. Ich gehorchte ihm und setzte mich hin. Er stand nun vor mir und reichte mir ebenfalls eine Zigarette.
„Willst du auch eine? Für die Nerven."
Dankend nahm ich sie an. Ich war nicht der Typ, welcher rauchte, allerdings hatte ich diese Beruhigung heute mehr als nötig. Während ich anfing an dieser zu ziehen setzte Leano weiter fort.
„Er wird gerade operiert. Es war ein glatter Durchschuss. Mehr konnten mir die Ärzte nicht sagen."
Er ließ sich ebenfalls erschöpft auf die Bank nieder und beide starten wir nun geradeaus. Die Stille war zum zerreißen und ich entschied mich als Erste dazu, sie zu brechen.
„Leano, was ist in der Villa passiert?", fragte ich ihn, um endlich Gewissheit zu haben.
„Geduld, il mio fiore. Ich erkläre es dir, nur lass uns warten bis Emilio aus dem OP kommt." Waren seine letzten Worte, ehe ich mich mit dem Kopf an die Wand lehnte und erneut erschöpft in meine Gedanken abdriftete.
Ich hoffte, Emilio würde es überleben. Er wusste es nicht, doch er war bereits in dieser kurzen Zeit so eine Art Bruder für mich geworden. Bei dem Gedanken ihn zu verlieren zerbrach mein Herz.
⭐️⭐️⭐️
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Miracle of the Mafia Boss
Romance~ Band 1 ~ Mafia | Slowburn | Dark Romance Milena arbeitet in ihrem Traumberuf bereits seit mehreren Jahren. Sie betreut Kinder in einer Kita. Ihr Alltag ist meist langweilig und wiederholt sich, allerdings liebt sie ihren Job. Eines Tages fällt ih...