Prolog

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Der Wecker hatte schon vor einer halben Stunde geklingelt. Doch sie hatte heute einen Tag frei und sah es nicht ein, um fünf ihr aufzustehen, wie sonst jeden Tag. Das Problem: War sie einmal wach, war an einschlafen leider nicht mehr zu denken.

Nachdem sie lustlos durch TikTok und Instagram gescrollt hatte, richtete sie sich seufzend im Bett auf. Der Geruch des frischen Kaffees aus der Küche stieg verführerisch in ihre Nase. Diese Kaffeemaschine mit Timer war wirklich eine gute Investition gewesen.

Sie duschte länger als sonst, schön gemütlich mit Peeling und Haarkur, und zog sich dann eine Sportleggings an, die sie eigentlich nur zum Rumhängen hatte, und einen gemütlichen dünnen Pullover an.

Sie band ihre schulterlangen braunen Haare noch nass zu einem kleinen Dutt im Nacken zusammen und schlenderte derweil in die Küche. Ihren Lieblingskaffeebecher hatte sie schon gestern Abend an seinen Platz auf der Küchentheke gestellt, wie immer.

Nachdem sie sich einen Becher Kaffee eingefüllt und mit Milch und Zucker verfeinert hatte, wandte sie sich ihrer Post von gestern zu. Sie hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, diese nachmittags auf den Thresen zu legen und am nächsten Morgen beim Kaffee zu öffnen.

Es gab zwei Rechnungen, eine vom Zahnarzt und eine von ihrem Internetanbieter. Um deren Begleichung würde sie sich später kümmern.

Als letztes hielt sie einen Brief von ihrer Mutter in der Hand. Sie schmunzelte. Seitdem sie nicht mehr zuhause lebte, schickte ihr ihre Mutter ab und zu Care Pakete oder einfach einen Brief mit ein paar Zeilen. Sicher, sie telefonierten auch oder schrieben sich Textnachrichten. Aber sie freute sich dennoch über diese kleine, recht altmodische Aufmerksamkeit.

Sie öffnete den Brief mit einem Brotmesser und las, was ihre Mutter ihr geschrieben hatte. Es ging vor allem um ihre Bekannten, um die Eltern derer, mit denen sie einst zur Schule gegangen war. Außerdem ein bisschen Klatsch und Tratsch.

PS: Schau, was ich gefunden habe! Es war zwischen ein paar Bücher gerutscht und als ich eines gesucht habe, habe ich es gefunden., stand unter der Unterschrift ihrer Mum. Sie schaute nochmal in den Umschlag und holte ein Foto heraus.

Die Qualität war eigentlich ganz gut, aber es wurde in der Dunkelheit aufgenommen und deshalb musste sie genauer hinschauen, um zu erkennen, worum es sich handelte. Es zeigte neun Teenager, die alle einen Plastikbecher in die Luft hoben und lachten. Man konnte ihnen ansehen, wie unbeschwert und glücklich sie in diesem Moment waren.

Ihr Blick schweifte über die Gesichter der Menschen, mit denen sie den Großteil ihres Lebens verbracht hatte, und blieb letztendlich auf ihrem eigenen hängen. Beim Anblick des Fotos konnte sie einen Hauch des Gefühls erneut spüren, das sie damals gefühlt hatte. Sie dachte mit einem lachenden und einem weinenden Auge zurück an ihre Schulzeit. Es war ein langer, nervenaufreibender Weg bis zu diesem Foto gewesen.

Aber es hatte sich alles gelohnt.

Sarah & HayleyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt