5 (Emma)

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Als wir ankamen, lag das Gemälde schon auf den Tisch und Jonas winkte uns zu sich. Er wies und an uns direkt vor das Gemälde zu stellen: „Ich hatte genügend Zeit es zu bewundern. Jetzt seid ihr dran. Oliva. Arbeiten" Diese schnaubte leise, sah sich das Gemälde dann aber genau an. Ein Blitzen schoss durch ihre Augen und sie lächelte leicht. Ich spürte wie sie etwas ergriff und sie sich ein bisschen weiter nach vorne beugte.

Ich betrachtete das Gemälde ebenfalls mit neuen Augen und ohne von der Müdigkeit getrübten Blick. In der Mitte des Gemäldes war ein Goldenes etwas, fast schon wie ein Schafsfell oder ähnliches. Es schien zu leuchten, als wäre es von einem göttlichen Glanz umgeben. Es war in voller Pracht dargestellt, von einem geflügelten Widder bewacht, der die Zähne fletschte und seine Hörner majestätisch in die Höhe streckte. Der Widder schien lebendig zu sein, sein Fell funkelte im Licht, als wäre es aus purem Gold gewoben. Die Energie, die von diesem majestätischen Tier ausging, war fast greifbar.

Hinter dem Widder befand sich ein dichter Wald aus üppigen grünen Bäumen, die von goldenem Licht durchflutet waren. Der Himmel über dem Wald schimmerte in den Farben des Sonnenuntergangs, und Wolken von unglaublicher Schönheit zogen darüber hinweg. Die Figur, die wir davor kaum identifizieren konnten, stellte sich als eine Frau heraus, die neben dem Fell auf dem Boden kniete und ehrfürchtig heraufsah. Neben ihr stand ein Mann der begierig seine Hände nach dem Gegenstand ausstreckte. Und da. Ich konnte es sehen. Ganz klein, kaum zu sehen waren einzelne Zahlen und Buchstaben neben der Frau in das Gemälde eingearbeitet. Ja, ich hätte sie beinahe für Grashalme gehalten.

"Das Gemälde, das ihr hier seht, erzählt die Geschichte von Jason und Medea, einer der faszinierendsten Geschichten der griechischen Mythologie", begann Olivia, ihre Worte mit einer mysteriösen Intensität. "Jason, ein mutiger Held, wurde auserwählt, das Goldene Vlies zu finden, eine Quest, die als unmöglich galt." Jonas konnte seine Neugier nicht länger zurückhalten und unterbrach sie, diesmal aber um einiges freundlicher als gestern: "Aber was genau ist das Goldene Vlies? Warum war es so wichtig?" Ein Hauch von Geheimnis lag in Olivias Lächeln und es schien so, als hätte sie Spaß an der Arbeit mit uns , als sie antwortete: "Das Goldene Vlies war das Fell eines geflügelten Widders, ein Artefakt von unschätzbarem Wert und ein Symbol für Macht und Reichtum. Die Aufgabe, das Goldene Vlies zu finden, wurde Jason von seinem Onkel Pelias gestellt, der den Thron von Iolkos erobert hatte und Jason loswerden wollte." Jonas lauschte aufmerksam, während Emma sich auf das Gemälde konzentrierte und die verborgenen Geheimnisse darin zu entdecken schien. Ich sah wie es in seinem alten Kopf zu arbeiten schien und er immer wieder die Stirn runzelte. Olivia fuhr fort: "Die entscheidende Wendung kam, als Jason in Kolchis ankam und sich in Medea verliebte, die Tochter von König Aietes. Medea war eine mächtige Zauberin und half Jason, das Goldene Vlies zu stehlen. Sie zeigte ihm den Weg und half ihm, die gefährlichen Prüfungen zu bestehen."

Jonas' Interesse an der Geschichte war offensichtlich geweckt, und er fragte weiter: "Was für Prüfungen waren es, die Jason und die Argonauten bestehen mussten?" Olivia lächelte und begann, die Prüfungen zu beschreiben: "Die Prüfungen, die Jason und die Argonauten bestanden, waren äußerst gefährlich und anspruchsvoll. Zuerst mussten sie das Feuer speiende Stiere des Gottes Ares bezwingen. Dann gab es die Aufgabe, die Saat des Drachen sorgfältig zu säen und die bewaffneten Krieger, die aus ihr entsprungen waren, abzuwehren." Jonas lauschte gebannt und hörte aufmerksam zu, als Olivia fortfuhr: "Die gefährlichste Prüfung war jedoch, das Goldene Vlies selbst zu ergreifen, während es von einem Drachen namens Ladon bewacht wurde. Der Drache bewachte es Tag und Nacht und schlief nie." Jonas stellte weiter Fragen, seine Neugier wuchs mit jedem Wort: "Und wie gelang es ihnen schließlich, das Goldene Vlies zu bekommen? War Medea in dieser entscheidenden Phase involviert?" Olivia nickte zustimmend und erklärte: "Ja, Medea spielte eine entscheidende Rolle bei der Überwindung dieser letzten Prüfung. Sie verzauberte den Drachen und betäubte ihn mit ihrem Zauber, sodass Jason das Goldene Vlies ergreifen konnte, ohne vom Drachen angegriffen zu werden."

Die Spannung in Jonas' Augen war kaum zu übersehen, und er fragte weiter: "Und was geschah nachdem sie das Goldene Vlies erhalten hatten? Gibt es weitere Geheimnisse, die mit dieser Geschichte verbunden sind?"

Olivia lächelte geheimnisvoll und antwortete: "Die Geschichte von Jason und dem Goldenen Vlies geht weit über das hinaus, was wir heute wissen. Es gibt viele Versionen und Interpretationen. Einige sagen, dass das Vlies in Iolkos zurückgebracht wurde und Wohlstand brachte, während andere behaupten, dass es später in den Himmel aufstieg und zu den Sternen wurde." Jonas konnte die Spannung förmlich spüren und fragte schließlich: "Aber hat jemals jemand das Goldene Vlies tatsächlich gefunden?"

In Olivias Augen glitzerte ein Funke des Mysteriösen, als sie antwortete: "Die Legende besagt, dass Jason und die Argonauten das Goldene Vlies erfolgreich nach Iolkos zurückbrachten. Es brachte Wohlstand und Macht in die Stadt. Aber die genauen Details darüber, was dann mit dem Vlies geschah, sind in der Geschichte nicht vollständig festgehalten."

Mit jedem Wort, das über Olivias Lippen kam, schien Jonas mehr und mehr elektrisiert zu sein. Er stand mittlerweile hinter mir und sah mir über die Schulter. Zu meiner Linken war die Wand und zu meiner Rechten, eng an mich Gedrückt Emma. Erst jetzt fiel mir auf, wie nah wir waren und wie sehr ich das tatsächlich genoss. „Das ist so fasznierend", stieß Jonas hinter mir aus und drückte sich noch mehr nach vorne. Ich sollte kommunizieren und mich bemerkbar machen, schieß es mir durch den Kopf. Ich musste auf jeden Fall aus dieser Enge raus. Ich wollte ihn gerade beten, mir Platz zu machen, als er sich in völliger Aufregung zu weit nach vorne reckte und sein Gleichgewicht verlor, strauchelte ich auch. Ich konnte nicht anders und fiel Richtung Tisch. Ich versuchte mich abzufangen, doch ich erwischte dabei das Bild. Mein Gewicht lastete mit einem Finger ausgerechnet auf dem Vlies.

Ich fluchte laut und richtete mich auf, bereit Jonas anzufahren. Ich hatte genug. Er sollte doch wissen, wie man sich zu verhalten hatte. Verdammt. Und im selben Moment verfluchte ich mich selbst, dass ich ihn nicht aufgefordert hatte, mich rauszulassen. Verdammt. Wir verhielten uns wie Anfänger.

Doch einen Moment später realisierte ich etwas. Es roch anders. Nicht mehr Farben und Chemikalien dominierten das Geruchsmuster, ich nahm tatsächlich hauptsächlich Holz war. Und als ich einen Blick auf das Bild warf, um festzustellen, wie groß der Schaden war, bemerkte ich, dass die Farben viel kräftiger waren. „Was zur Hölle", flüsterte Olivia neben mir und auch Jonas hinter mir schnaufte laut.

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