11 (Olivia)

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Ich nickte langsam, kein Wort drang über meine Lippen. Gedanken strömten durch mein Gehirn, wirbelten hin und her. ES war alles gut gegangen. Wir hatten das Abenteuer überlebt. Doch gestern Nacht, als ich allein in meinem Bett gelegen war, hatte ich Angst gehabt. Es war so als hätten meine Gefühle mich dann erst eingeholt, ich dann erst gespürt, was mein Herz all die Stunden in der Vergangenheit geschrien hatte. Angst.

Wir waren namenlose gewesen, hätte man uns beraubt, entführt oder bedroht, wir hätten keine nennenswerte Unterstützung gehabt. Ich weiß nicht wie lange Herr Kaffeinos Lügen uns hätten über Wasser halten können.

'"Wir können morgen entscheiden", bot Emma nach einer Weile an, „Ich bin müde, magst du heute hier schlafen oder wieder bei dir?" Für einen Moment sah ich verlegen zu Boden, dann hob ich den Blick und grinste verschmitzt: „Ich habe extra meine Sachen, die ich für morgen brauche, mitgebracht"

Diesmal schlief ich nicht auf dem Sofa, sondern lag wieder neben ihr im Bett, diesmal einem weit aus bequemeren, das wirklich gut roch. Ich wunderte mich darüber, wie vertraut wir waren, als würden wir uns hundert Jahre kenne. Ich musste bei dem Witz grinsen. „Na dann", sie drehte sich noch mal zu mir um, diesmal hatte sie in meinen Armen liegen wollen," Schlaf gut"

Ihr Gesicht war meinem ganz nah, ihr Atem berührte mich und ihre Lippen schwebten nur wenige Centimeter von meinen entfernt. Sie lächelte leicht. Ein Kribbeln stieg in mir hoch, eine Sehnsucht, ein komisches Brennen. „Gute Nacht", ich versuchte mich zusammen zu reißen und drehte sie behutsam an ihren Schultern wieder auf die Seite. Dann schlang ich meine Arme um sie und drückte meinen Körper an ihre warme Haut. Was zur Hölle. Mit diesen Gedanken schlief ich trotzdem ein.

Ich träumte von Uhren und fliegenden Vliesen, von Kaffeino der durch die Zeit stolperte, um etwas zu suchen und so viel mehr. Ich war ganz froh, als ich am nächsten Morgen aufwachte.  

„Gut geschlafen", Emmas Gesicht hing über mir, nah genug, dass ihre Haare mein Gesicht berühren konnten, aber denn noch zu weit entfernt. Ich gähnte, nickte und grinste sie an.

Es war 6 Uhr und mein Wecker würde in 15 Minuten klingeln. „Du bist ganz schön gut gelaunt am Morgen", stellte ich fest und rieb mir den Schlaf aus den Augen. „Olivia", sie sah mich ernst an. „Ja?" Ich weiß nicht, was ich erwartete, doch ich fühlte Anspannung, die meinen Körper ergriff und mich festhielt. War ich ihr zu viel? Würde sie mir jetzt sagen, ich solle mein Leben und Mark auf die Reihe bringen? Dass sie kein Caritas Haus im 18ten Jahrhundert ist?

„Ich werde heute Nachmittag zu Jonas gehen", erläuterte sie und sah mir dabei fest in die Augen, „Und wenn er noch mal reist, dann gehe ich mit ihm?"

„Warum?!", meine Stimme überschlug sich, fast schon kreischte ich., setzte mich mit einem Ruck auf und war so wach wie selten zuvor, „Bist du irre?"

Mein Vater ist Polizist, einer dieser Männer, die zwar eine Familie wollten und die es trotzdem immer wieder in die wilde Welt trieb. Nicht irgendein Streifen Polizist, er war bei der GSG 9 bis bei einem Einsatz 1993 etwas schieflief. Damals versuchte ein Kommando, die RAF-Terroristen Wolfgang Grams und Brigitte Hogefeld auf dem Bahnhof von Bad Kleinen zu verhaften. Mein Vater redete nicht viel darüber, doch aus Zeitungsartikeln wusste ich, dass Grams flüchtete und einen GSG-Beamten erschoss. Der Terrorist starb in diesem Einsatz auch. Das war vor mir, aber der Grund weshalb meine Mutter darauf bestand, dass er sich versetzen ließ.

Hätte ich nur ansatzweise sein Temperament, ich hätte Emmas Hand ergriffen und hätte mich in ein Abenteuer gestürzt. Hatte ich nicht. Ich war stolz über die Tatsache, wie gefasst ich am Wochenende reagiert hatte, als wir plötzlich in einer anderen Zeit gewesen waren. Ja, ich wunderte mich fast über mich selbst, wie positiv und zuversichtlich ich die zwei Tage gewesen war. Vielleicht auch, weil ich nicht zugelassen hatte darüber nachzudenken, was hätte passieren können, die Krankheiten, die Gefahren, das Risiko stecken zu bleiben. Ich sah immer noch entgeistert in Emmas schönes Gesicht, die dunkeln Haare, die ihre feinen Züge umspielten und diese wunderschönen Augen. Und gleichzeitig wollte ich sie packen und schütteln, was ich natürlich nicht tat, obwohl es mir in den Fingern kribbelte. „Nein, bin ich nicht", antwortete sie kühl und stand auf, „Du musst ja nicht mitkommen" Dann verließ sie den Raum und ich hörte sie in der Küche mit Geschirr hantieren.

„Ich wollte mich nicht so ausdrücken", rief ich ihr hinterher und schälte mich aus dem Bett. Meine nackten Füße machten lustige Geräusche als ich ihr hinterher in die Küche tabste. „Ich habe einfach Angst", gab ich zu und sah sie an, „Als es so spontan konnte ich meine Angst unterdrücken, Aber allein der Gedanke noch Mal in der Vergangenheit..."

„Das ist okay", unterbrach sie mich und lächelte mich leicht an, „Ich habe mich entschlossen. Du kannst entscheiden, wie du willst" Ich antwortete nicht und sah ihr nur weiter dabei zu wie sie Spiegelei in einer Pfanne machte. „Wir sind keine Schicksalsgemeinschaft, nur weil wir ein Erlebnis teilen", schob sie hinterher und mied meinen Blick. 

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