6(Olivia)

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Gerade hatten wir noch zusammen auf das Bild gestarrt. Ich hatte genossen, wie ich ihnen etwas erklären konnte und noch mehr, dass Kaffeino endlich ein anderes Verhalten an den Tag gelegt hatte. Doch jetzt war alles anders. Wie in einem Fiebertraum, in dem man unlogisch von einer Ebene in die nächste wirbelte, befanden wir uns plötzlich nicht mehr, wo wir gewesen waren. Die hohen Steinwände mit den gewaltigen Fenstern waren Holzverschlägen gewichen und unser hochwertiger Tisch mit der Plastik-Schutzplatte, war ein abgenutzter Holztisch. „Oh no", hörte ich Emma flüstern neben mir und sah sie erschrocken an. Ihre Augen waren weit aufgerissen und sie sah entsetzt auf ihren Finger. Goldene Farbe tropfte an ihr hinab. „Bei meiner Seele! Wie könnt Ihr es wagen, mein Gemälde zu zerstören? Das Werk meiner mühevollen Arbeit und meiner künstlerischen Hingabe, das Ihr so rücksichtslos vernichtet habt, ist von unschätzbarem Wert! Es war ein Stück meiner Seele, das Ihr verunstaltet habt. Eure Tat ist eine Beleidigung für die Kunst und für meine Ehre, und ich verlange Genugtuung für diesen Frevel.", hörten wir plötzlich ein Schreien hinter uns. Ein Mann stand dort,

der einen eng anliegenden Samtfrack trug, der von jahrelangem Gebrauch bereits leicht ausgebleicht war und mit Farbflecken von früheren Arbeitssitzungen gezeichnet war. Der Frack war mit einem breiten, bestickten Kragen und aufwendigen, goldverzierten Knöpfen versehen, die den Geschmack der Zeit für verspielte Eleganz widerspiegelten.

Sein Hemd darunter war von zartem, hochwertigem Leinenstoff gefertigt und mit Spitzenbesatz an Kragen und Manschetten verziert. Es war makellos weiß, ein sichtbares Zeichen für den Stolz des Künstlers in Bezug auf seine Erscheinung. Seine Beinkleider waren enganliegende Hosen aus feinem Wollstoff, die bis zu den Kniekehlen reichen und dann in feinen Schnallen in kniehohe Stiefel übergingen. Diese Stiefel waren aus poliertem Leder gefertigt und unterstreichen die Raffinesse seines Erscheinungsbildes. Um seinen Hals trug der Mann ein Seidenband, die mit einer eleganten Brosche oder einem kunstvollen Anhänger verziert war. Sein Haar war von einer Perücke bedeckt, die in der Mode der Zeit mit Schleifen geschmückt war.

"Was führt Euch hierher? Wer hat Euch den Auftrag gegeben, meine Kunst zu sabotieren?" brüllte der wütende Künstler, seine Stimme voller Ingrimm und Ungläubigkeit. Seine Augen funkelten vor Zorn, während er die ungebetenen Gäste im Atelier anstarrte. Die Worte flossen aus seinem Mund, begleitet von einer Mischung aus Verzweiflung und Wut über die Zerstörung seines Werkes. Dann kam er näher, ohne auf eine Antwort zu warten, stieß er uns zur Seite. Seine Hand griff nach Emma, umschloss ihren Finger und zerrte ihn mehr in seine Richtung, um besser zu sehen.

Ich hatte Angst, ich war überfordert und würde am liebsten aufwachen, doch Traum oder nicht, ich spürte etwas in mir. Noch bevor ich mich besinnen konnte, schlug ich seine Hand weg und stieß ein wütendes „Nein" aus. Wo auch immer wir waren, weshalb auch immer und wer auch immer dieser Mann war. Nein. Er. Fast. Nicht. Emma. SO. An.

„Ihr wagt es mich so anzufassen", nun schnellte seine Hand vor und packte mein Haar und zog daran. Verdammte Scheiße was war hier los. „Beruhigt Euch", ging ausgerechnet Kaffeino auf ihn ein. Der Mann blinzelte, als hätte er ihn jetzt erst bemerkt. „Verzeiht uns diesen Zwischenfall. Es war keinesfalls unsere Absicht euch zu erzürnen" Ich nutzte die Gelegenheit und zog Emma an der Hand weg von dem Tisch und den Irren. „Mein Finger", fluchte sie und man konnte tatsächlich noch die Abdrücke der Nägel des Mannes in ihrer weichen Haut erkennen. Sie schüttelte die ganze Hand und sah mir dann tief in die Augen. „Ich habe eine Irre Vermutung", flüsterte sie, während Kaffeino und der Mann immer noch im Hintergrund stritten. „Nein", antwortete ich auf die ungestellte Frage, „Nein, nein, nein"

Doch sie beachtete mich nicht, legte ihre Stirn in Falten und ging zu dem Mann. „Es tut mir leid, dass ich Ihre Kunst beschädigt hab. Wir haben uns verirrt, können Sie uns sagen, wo wir sind?"

"Ihr seid in München, in meinem Atelier. Doch das ist keine Entschuldigung für die Zerstörung meiner Kunstwerke. Dies ist ein Ort der Kreativität und Hingabe, und Ihr habt Unheil angerichtet. Und nun raus ihr Pack", mit den Worten zeigte r auf die Tür.

Ich sah zu Herrn Kaffeino der verkniffen Emma musterte. Dann nickte er wütend. „Nun, mein Herr, falls Ihr wisst, wie wir Euren Schaden beheben können, so lasset uns es wissen" , schlug er den Künstler vor und öffnete die Tür.

Wir verließen das Atelier des Künstlers, das in einem mehrstöckigen Haus im Dachgeschoss zu liegen schien. Die Treppe hinuntergekommen, passierten wir von aufwendigem Schnitzwerk verzierte Holzgeländer und Wände, die mit klassischen Gemälden und Spiegeln geschmückt waren. Die Stufen knarren leise unter ihren Schritten und schließlich, immer noch kein Wort gewechselt, standen wir auf der Straße.

Wir betraten die schmale Gasse, die vor dem Haus verlief, sie war mit Kopfsteinpflaster ausgelegt, und hohe, farbenfroh gestrichene Fachwerkhäuser rahmten die Szenerie ein. Die Gebäude hatten geschnitzte Holzbalkone, die mit Blumenkästen geschmückt waren, und Schieferdächer, die von Holzständern getragen wurden. Ziellos gingen wir weiter, bis wir auf eine größere Straße kamen.

Die Menschen trugen Kleidung, wie im Museum, und in mir kam der Gedanke hoch, dass Emmas Andeutungen vielleicht doch richtig waren. Die Männer trugen Fracks und Dreispitzhüte, während die Frauen in aufwendigen Kleidern aus edlen Stoffen und mit hohen, gepuderten Perücken gekleidet waren. Kinder in knielangen Hosen und Rüschenkleidern spielten auf der Straße.

Die Stimmung war lebhaft und geschäftig, Handelstreibende riefen ihre Waren aus, während Kutschen und Fuhrwerke die Straßen belebten. Händler verkauften frisches Obst und Gemüse, während Straßenkünstler und Musikanten das Stadtbild mit Unterhaltung füllten.

Die Luft war erfüllt von den Gerüchen der Stadt, von frischem Brot aus den Bäckereien bis hin zu den Düften der Blumen auf den Marktständen. Die Menschen gehen geschäftig ihren täglichen Angelegenheiten nach, und das Klappern von Pferdehufen und das Murmeln von Gesprächen fügten sich zu einem ständigen Hintergrundgeräusch zusammen.

Ich spürte, wie Emma nach meiner Hand griff und diese sanft drückte. Die Beklemmung in meinem Brustkorb wich augenblicklich einem Gefühl der Wärme. "Ich glaube etwas unmögliches ist passiert", flüsterte sie. "Ja und hättest du mich reden lassen, hätte ich den Künstler darüber ausfragen können", schimpfte Kaffeino plötzlich los und stierte uns wütend an, " Gruzefix. Wir sind in der Vergangenheit"

Immer duWo Geschichten leben. Entdecke jetzt