Kapitel 1

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Mit aufgerissenen Augen schüttele ich den Kopf. Ich schaue erst den Bildschirm, dann Felix und dann wieder den Bildschirm an. „Wie bitte?!"
Felix grinst mich unvermittelt an und nickt zum Fernseher. „Hör zu."
„... ich glaub, die meisten Menschen denken, dass nur Männer so eklige Nachrichten bei Instagram schreiben, dass Frauen sowas nicht machen, aber... doch. Schon. Frauen sind ja gar nicht besser! Mir hat mal 'n Mädel geschrieben ‚Hey Felix, bin eng.'"
Während der Felix auf dem Bildschirm teilnahmslos mit den Schultern zuckt und die Leute im Publikum dabei beobachtet, wie sie laut auflachen, weil sie damit nicht gerechnet haben, drehe ich meinen Kopf wieder zu dem echten Felix neben mir. Auch mir entfährt ein Auflachen, aber nicht von der guten Sorte.
„Echt jetzt??? Nein, du verarschst mich. Das hast du dir ausgedacht."
Felix schüttelt lachend den Kopf. „Glaubst du, ich könnte mir sowas ausdenken?"
„Ehrlich gesagt ja", murmele ich. Felix piekst mir mit dem Zeigefinger in die Rippen, dann gibt er mir einen Kuss auf die Schläfe und steht auf.
„Ich bin drüben", sagt er und lächelt mich an. Überrascht sehe ich zu ihm auf. „Was? Warum?"
„Na, ich kenn das Zeug doch in- und auswendig. Hab's schließlich tausende Male auf der Bühne erzählt."
Er wuschelt mir lächelnd durch die Haare, dann hebt er kurz die Hand und ist im nächsten Moment aus dem Wohnzimmer verschwunden.
Ich greife nach der Wolldecke und kuschele mich tiefer hinein, während ich mich auf der Couch ausstrecke und weiterhin dem Geschehen auf dem Bildschirm folge.

Zugegebenermaßen war ich diejenige gewesen, die einfach nicht lockergelassen hat, ehe Felix mir endlich einen Link gegeben hat, um „All You Can Eat" schauen zu können, aber jetzt bin ich mir nicht sicher, ob ich das Quengeln nicht bereue.
Ich hatte wirklich nicht damit gerechnet, dass Felix sein Programm damit eröffnen würde, dass eine Frau ihm geschrieben hat, sie würde gerne Koks von seinem Schwanz ziehen. Im ersten Moment habe ich ihm wirklich nicht geglaubt, aber je mehr ich darüber nachdenke, umso plausibler wird es.
Einmal durfte ich durch Felix' Nachrichtenpostfach auf Instagram scrollen und habe ihm das Handy nach 10 Sekunden freiwillig zurückgegeben. Sowas möchte ich wirklich nicht lesen müssen.
Felix hatte nur lachend die Augen verdreht. „Das sind Fans, Maddie. Die verlieren halt manchmal den Bezug zur Realität."
Dem hatte ich vehement widersprochen. „Das da sind keine Fans, das sind Groupies. Die finden dich nicht wegen deiner Kunst gut, glaub's mir."
Felix hatte meinen Einwand verstanden, aber gleichermaßen auch mit einem Schulterzucken abgetan.
Ich seufze. Wir sind jetzt seit knapp einem halben Jahr zusammen und allmählich muss ich mich wohl daran gewöhnen, dass mein Freund von allen Seiten begehrt wird. Dass jedes Foto von ihm von einer Lawine an Flammen-, Tropfen- und Pfirsich-Emojis überrollt wird. Dass er unmoralische Angebote per DM bekommt, und das täglich.
Er hat sich damit abgefunden, nimmt es überhaupt nicht mehr ernst, und wahrscheinlich sollte ich das auch nicht tun.

Zwanzig Minuten später sind meine Gedanken um Felix' private Nachrichten wie weggeblasen. Das Programm hat mich so in seinen Bann gezogen, dass ich alles um mich herum vergesse.
Ich bekomme das Dauergrinsen nicht aus meinem Gesicht und immer, wenn die Kamera das Publikum zeigt, bildet sich ein Kloß in meinem Hals. So viele Menschen.
Kein Wunder, dass ich damals kein Ticket bekommen habe! Gegen solch eine Menschenmasse kann man ja gar keine Chance haben.
Immer wieder entfährt mir ein Auflachen, Prusten oder Schmunzeln. Felix kommt einmal kurz vorbei, um sich Wasser aus der Küche zu holen, wobei er mich nicht aus den Augen lässt.
„Na, gefällt's dir?"
Ich nicke heftig und lege schnell einen Finger an meine Lippen, mit dem ich ihm bedeute, still zu sein. Er lacht und kommt kurz zu mir, um mir einen flüchtigen Kuss zu geben und ist im nächsten Moment auch wieder verschwunden.

Der Felix auf dem Bildschirm vor mir fängt an, von seinem Besuch im vietnamesischen Restaurant zu erzählen. Ich bin mit meinem Kopf noch so stark bei der vorherigen Geschichte über Gregor, dass ich mich gar nicht richtig auf das neue Bit konzentrieren kann, doch als Felix von seinem Kellner erzählt, der „Dat" hieß wie er sich lautstark vorstellt, wie es wäre, wenn sein Spitzname „Daddy" wäre, richte ich mich auf.
Mein Herz schlägt auf einmal bedeutend schneller und ich ziehe überrascht die Augenbrauen hoch. Ungläubig beobachte ich Felix auf dem Bildschirm dabei, wie er „Daddy" ins Mikrofon stöhnt. Mehrfach.
Sehr laut, sehr genussvoll und sehr... authentisch.
Schnell presse ich die Beine zusammen und schüttele den Kopf, als könnte ich dem Geschehen dadurch Einhalt gebieten.
Theoretisch könnte ich einfach nach der Fernbedienung greifen und auf „Pause" drücken, aber ich kann nicht. Es ist, als wäre ich versteinert. Mir steigt die Hitze in die Wangen.
„Äh... Felix???" Meine Stimme klingt ein bisschen höher als sonst, fast schon panisch.
Es dauert keine 5 Sekunden, bis er den Kopf zur Tür reinsteckt. Er grinst vom einen Ohr zum anderen. „Ja, Madeleine?"
Ich schnappe nach Luft. „Was... was machst du da?" Er lacht und kommt ein paar Schritte auf mich zu.
„Ich hab keine Ahnung, wovon du redest."
Ich greife nach einem der Sofakissen und werfe es in seine Richtung, dann deute ich mit dem ausgestreckten Zeigefinger auf den Bildschirm.
„Na, davon! Was zur Hölle MACHST DU DA???"
„Auftreten", sagt er grinsend. Mir entfährt ein amüsiertes Auflachen und ich schüttele den Kopf.
„Oh nein", sage ich und erwidere sein Grinsen. Er lässt sich neben mir nieder und legt den Arm um mich. Seine Finger streicheln beruhigend über meine Taille, doch ich beachte ihn gar nicht. Erneut schnappe ich nach Luft.
„Hast du den Leuten ernsthaft auf der Bühne einen Softporno vorgespielt? JEDEN VERDAMMTEN ABEND?!"
Felix bricht in schallendes Gelächter aus und verdreht die Augen. „Jetzt übertreib mal nicht."
Fassungslos schaue ich ihn an. Er grinst so breit, dass auch ich jetzt nicht mehr anders kann, als ebenfalls zu lächeln. Seufzend lehne ich den Kopf an seine Brust.
Felix streichelt mir übers Haar. „Das Programm ist schließlich nicht ohne Grund ab 18", flüstert er mir ins Ohr. Mir entfährt ein Prusten.
„Du hättest am Eingang mal besser Kondome verteilt. Allein von diesem Stöhnen könnte man schon schwanger werden."
Felix lacht, noch lauter als vorhin. „Kannst du jetzt einfach mal die Klappe halten und weiterschauen? Du verpasst die ganzen guten Bits."
„Das wichtigste hab ich glaub ich mitbekommen, aber danke für deine Besorgnis."
Felix atmet hörbar aus und schüttelt den Kopf.
Dann greift er nach meiner Wolldecke. „Rück mal."
Ich nehme meine Beine vom Sofa und setze mich so hin, dass er es sich auch gemütlich machen kann.
„Ich bleib jetzt hier. Ist vielleicht doch besser."
„Allerdings", murmele ich. Felix rutscht ein Stück nach hinten, um sich in die hinterste Ecke des Sofas zu setzen, sodass ich mich jetzt zwischen seine Beine setzen kann. Er zieht mich ganz nah an sich, legt von hinten seine Arme um meine Brust und stützt seinen Kopf auf meiner Schulter ab.

Bis zum Ende des Programms bleiben wir so liegen, mit einer Wolldecke über uns.
Als der Abspann fertig durchgelaufen ist, macht keiner von uns Anstalten, aufzustehen, bis Felix sich auf einmal doch regt.
„Ehrliches Feedback deinerseits bitte jetzt."
Ich rücke ein Stück vor, um ihn über meine Schulter hinweg anschauen zu können und grinse ihn schwach an. „Was soll ich schon sagen? Es war extrem lustig, aber auch tiefgründig."
Ich kann ein Gähnen nicht unterdrücken. „So, wie man's von dir gewohnt ist eben. Ach, und du hast fantastisch ausgesehen damals."
Felix lacht und hebt fragend eine Augenbraue. „Ach, und jetzt nicht mehr?"
„Doooooch", sage ich grinsend. „Aber damals halt besonders gut. Bei der Frisur solltest du bleiben."
Er fährt sich mit einer Hand durch die Haare und grinst. „Wenn man ständig zu wechselnden Friseuren geht, ist das nicht ganz so einfach, aber ich versuch's."
Er räuspert sich. „War's das?"
„Was?"
„Na, an Feedback."
„Achso." Ich denke kurz nach. „Ja, das war's glaube ich."
Felix nickt zufrieden. „Gut." Kurz zögert er, ehe das Grinsen sich zurück auf sein Gesicht stiehlt.
„Und? Hat's geholfen?"
Verständnislos schaue ich ihn an. „Was?"
„Na, das Daddy-Bit." Sein Grinsen wird breiter. „Wie geht's dir, jetzt, nachdem du es endlich gesehen hast?"
Ich lache hell auf und piekse ihm mit dem Zeigefinger in den Bauch. „Du Spinner!"
„Das ist keine Antwort." Er hebt eine Augenbraue, ohne, dass das Grinsen aus seinem Gesicht verrutscht. „Hat's was mit dir gemacht, ja oder nein?"
Ich merke, wie mir das Blut ins Gesicht schießt, doch ehe Felix bemerken kann, dass ich vollständig erröte, wende ich schnell meinen Blick ab. Doch so schnell lässt er nicht locker.
„Hey, Erde an Maddie."
Frustriert stöhne ich auf. „Vieleinbischn."
„Wie bitte?" Obwohl ich ihn gerade nicht anschaue, weiß ich genau, dass er noch immer grinst. „Ich hab dich nicht gehört. Kannst du das bitte nochmal wiederholen?"
Ein genervtes Seufzen, dann ein Schnalzen mit der Zunge. Erst dann schaue ich ihn wieder an, nicht, ohne dabei die Augen zu verdrehen. Ich zwinge mich dazu, ihm in die Augen zu schauen.
„Ich hab gesagt: vielleicht ein bisschen."
Felix lacht und klatscht einmal triumphierend in die Hände. „Das reicht mir schon. Also? Hast du Lust?"
Grinsend stehe ich auf und halte ihm eine Hand hin, die er schnell ergreift, ehe er ebenfalls aufsteht.
„Auf jeden Fall."

Honestly (Felix Lobrecht) (Heavenly #2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt