9. Aren

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Schweigend und in meinen Gedanken hängend betrat ich den Speisesaal meiner Familie. Wie jedes Mal, wenn ich mich zum Mittagessen anmeldete waren alle meine Brüder bereits anwesend und standen neben ihren Sitzplätzen und hatten ihre Blicke gesenkt. 
Ohne ein Wort trat ich zu meinem Platz am Kopf des Tisches, an dem, zumindest in der Theorie, auch meine Frau nun neben mir sitzen würde.
Kurz bleib ich neben vor meinem Platz stehen und ließ meinen Blick schweifen.
Eigentlich war es doch eine eher unsinnige Tradition. Meine Braut wäre sicherlich entsetzt, denn ich hatte bereits gehört, dass Menschen meist mit ihrer Familie doch sehr anders umgingen. Es wäre sicherlich interessant auch ein solches Essen zu erleben, doch würde dies nicht passieren. Dazu hatte unser Vater uns das alles viel zu genau eingeprügelt. 
,,Seid gegrüßt, Brüder", sagte ich wie jedes einzelne Mal zuvor, seit ich König war.
,,Eure Hoheit", echoten meine Brüder.
Ich setzte mich auf meinen Platz und wie einstudiert taten meine Brüder es mir nach.
Die Tür zum Nebenraum wurde geöffnet und die Bediensteten brachten unsere Vorspeise.
Rasch verschwanden sie wieder aus dem Raum und ließen und allein.
Wir konnten uns trotzdem nicht der Illusion hingeben, dass wir nicht beobachtet wurden und nicht jedes Wort von einem von und nach draußen getragen werden könnte oder zumindest im Personal seine Runden zog.
Leise fingen wir an zu essen. 
Obwohl es sicher genug Themen gab über die man reden könnte, sagte keiner von uns ein Wort.
Das Ende des Krieges, unsere neuen politischen Verbindungen zu den Menschen, meine Frau, alles Themen, die sicher nicht nur einem meiner Brüder auf der Zunge brannten. Doch hatten alle eine bewusst neutrale Mine aufgesetzt. Na ja, fast alle, wie mir ein kurzer Blick in die Runde verriet. Luvon biss sich merklich auf die Zunge und erwiderte fast bettelnd meinen Blick etwas sagen zu dürfen. Ich schüttelte nur den Kopf. 
Ich konnte mir durchaus denken in welche Richtung seine Frage gehen würde, meine Frau. 
Ich seufzte innerlich auf, aber verkniff es mir doch diese Reaktion nach außen.  
Der Saft der Nachtblume hatte selbstverständlich schon angeschlagen als meine Braut zum ersten Mal in echt vor mir stand oder doch schon viel mehr gehalten wurde. 
Sie konnte sich jetzt gerade vermutlich nicht mal an mein Gesicht erinnern. 
Vermutlich würden jetzt gerade die Damen, die ich als ihre Begleiterinnen ausgewählt habe, ihr die ganze Situation erklären.  
So wie ich Menschen bisher erlebt habe würde sie wohl wahlweise wütend werden oder extrem verängstigt. Was genau es werden würde, war in meinen Augen immer schwierig abzuschätzen. Die Emotionen von Menschen waren da durchaus eben wechselhafter als unsere. 
Für sie hoffte ich jedoch, dass die die Hilfe, die ich ihr durch die Damen zugestand, nutzen würde um ein besseres Leben als meine Mutter haben zu können. 
Denn zumindest mit diesem Aspekt hatte Corym recht gehabt. Mutter hatte sicherlich nicht ein schönes Leben gehabt, vor allem wenn man bedachte welchen Dienst sie unserem Volk getan hatte. Sie hatte unserem Königshaus nicht nur einen Erben geschenkt, sondern gleich ein ganzes Dutzend. Selbst wenn ich und die hälfte meiner Brüder irgendwelchen Anschlägen zu Opfer fallen würde, gäbe es immer noch einige um unsere Blutlinie zu erhalten. Da hatte es in unserer Geschichte schon durchaus angespanntere Zeiten gegeben, wo die menschlichen Gefährtinnen des Königs der Elfen nur ein oder zwei Kinder bekommen hatten. Aber irgendwie hat es dann doch immer funktioniert und meine Ahnen regierten schon seit vielen Jahrhunderten über das stolze Volk der Elfen. Gerade im Vergleich zu anderen Arten von begabten Wesen, stachen wir dadurch schon hervor. Auch wenn einige nicht in einer Monarchie lebten, konnten sie nicht verleugnen, dass es eine beeindruckende Leistung war. Die einzige Familie die ähnlich lange wie wir regierten, war der Adelsstand der Vampire und die lebten dann doch noch mal in einem anderen System als wir. 

Das Essen war zu Ende. Ich stand auf um mich gleich wieder auf den Weg zu meinem Arbeitszimmer zu machen. Immerhin musste jetzt nach dem Krieg mit den Menschen ausgehandelt werden, wie es in Zukunft weiter gehen wird. Immerhin sind wir in einer Patt Situation auseinander gegangen. Es gab keinen wirklichen Verlierer oder Gewinner. Das machte das alles nur leider überhaupt nicht einfacher. Gäbe es einen klaren Gewinner stünde fest wer die neuen Bedingungen des Zusammenlebens entscheiden würde. So musste aber alles ausgehandelt werden in Diskussionen, die sicherlich ewig andauern würden. Immerhin wollte ja ein jeder, verständlicherweise, das beste für seine eigene Partei. Dazu kam eben, dass sowohl die Mensche, als auch unser Bündnis aus begabten Wesen, viele verschiedenen Parteien hatten, die alle eigene Vorstellungen zu einem Frieden hatten. Wenn es schlecht lief könnte auch bald der Krieg und somit das Töten von neuem beginnen. 

,,Aren?", hörte ich die leise Stimme meines jüngsten Bruders hinter mir, gerade als ich die Tür zu meinem Arbeitszimmer erreichte. Ich seufzte innerlich.
,,Komm rein und mach dir Tür hinter dir zu", sagte ich schlicht und ging vor.
Luvon kam dem auch gleich nach und als er die Tür hinter sich geschlossen hatte, drehte ich mich zu ihm um.
,,Lass mich raten: es geht um meine Frau?"
Zögerlich nickte er. 
Nun, dass war schon zu erwarten gewesen.
,,D-Darf ich denn etwas mit ihr unternehmen? Spielen oder in den Garten und sowas ..."
,,An sich spricht da nichts gegen", fing ich an und sein Gesicht leuchtete förmlich vor Freude auf, ,,Aber, ich weiß nicht ob sie das auch möchte. Immerhin ist sie jetzt an einem für sie Fremden Ort und möchte vielleicht gar nichts mit uns zu tun haben. Das müssen wir dann auch respektieren. Verstehst du das Luvon?"
Er nickte energisch, doch glaubte ich ihm ehrlich gesagt nicht ganz.
,,Du weißt, ich möchte nur nicht, dass du zu sehr enttäuscht bist, wenn sie nicht will."
,,Das wäre ich nicht", sagte er, grinste kurz frech und verschwand aus meinem Arbeitszimmer.
Dieses Mal erlaubte ich es mir laut zu seufzen.
Wahrscheinlich sollte ich die nächsten Tage Corym mal auf ihn ansetzen, damit er ihn ein wenig trösten kann wenn es schief geht. Er hatte da doch die sozialere Ader. 
Wirklich Hoffnung, dass das klappen würde was Luvon sich erhoffte, hatte ich nämlich nicht. 

Des Elfenkönigs BrautWo Geschichten leben. Entdecke jetzt