Kapitel 27

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TW: Suizid, Körperverletzung

Was? Wie- Nein, nein, das darf nicht wahr sein. Nicht fähig mich zu bewegen und mit offenem Mund starrte ich auf die von Wasser überlaufende Badewanne. Es war jedoch kein klares Badewasser, das über den Rand lief. Es war rot. Ich konnte den Blick von dem toten Jungen, der in der Wanna lag, nicht abwenden.

Jeongin.

Reglos lag er im Wasser, seine Kleidung war durchtränkt. Seine Augen waren geöffnet. Sie hatten ihren Glanz verloren, doch etwas war in ihnen zu sehen. Trauer. Jeongins Blick strahlte so viel Verzweiflung und Schmerz aus, dass man diese fast selbst fühlen konnte. Ein süßlich-beißender Geruch kam aus seiner Richtung. Da ich nicht weg sehen konnte, brannten meine Augen jedes Detail der Leiche in meinen Kopf.

Seine aufgequollten Finger, die Augen, die starr in meine Richtung schauten, sein schmerzverzerrtes Gesicht, das Handgelenk, auf dem ein vertikaler Schnitt zu sehen war, das nun regungslos im Wasser lag. Meine Atemzüge wurden schneller, Panik schlich sich in meinen Körper. In meinen Augen bildeten sich Tränen während ich auf die Szene vor mir starrte.

Wie paralysiert, nicht in der Lage, mich von diesem Anblick zu befreien. Die Versuche, nicht in Tränen auszubrechen schlugen schließlich fehl und so fing ich an zu weinen. So sehr, dass meine Sicht verschwamm und ich nicht mehr klar sehen konnte. Mein Hals schnürte sich zu was dazu führte, dass meine Atmung heftiger wurde. Meine Hände versuchten vergeblich, die lauten Schluchzer zu dämpfen. 'Nein, das kann nicht sein. Wie konnte das passieren? Was soll ich jetzt tun?' Inzwischen zitterten meine Beine so stark, dass ich nicht mehr stehen konnte und nach vorne auf die Knie fiel. Die Gedanken benebelten mein Gehirn. 'Ich hatte früher kommen sollen, dann wäre das nicht passiert. Nein, nein, nein, NEIN!'



Stunden waren vergangen. Ich saß auf einem Stuhl, gegenüber ein Polizist, der mir etliche Fragen stellte. Ich konnte mich jedoch kaum darauf konzentrieren. Wie denn auch? Einer meiner engsten Freunde hatte sich das Leben genommen und obwohl ich wusste, dass ich keine Schuld trug, fühlte es sich so an, als wäre ich verantwortlich. Irgendwann hatte ich es geschafft, die Polizei zu rufen, die daraufhin Jeongins Eltern informierten. Diese waren gerade auf dem Weg zur Wache und ich fürchtete mich davor, ihnen in die Augen zu sehen. Immerhin hatte ich ihren toten Sohn gefunden.


~Tage später~

Die Ermittlungen liefen im vollen Gange. Da ich ihn gefunden hatte, musste ich direkt mit auf die Wache und eine Zeugenaussage machen. Ehrlich gesagt viel mir das super schwer. Wem auch nicht, immerhin war mein Freund gestorben. Ebenfalls habe ich seinen Eltern erzählt, was passiert ist. Es tat mir wirklich weh, ihnen soetwas schreckliches genau schildern zu müssen und aus diesem Grund war ich die letzten Tage nicht zur Schule gegangen. Oft habe ich die ganze Nacht nur geweint oder lag stumm da und starrte an die Decke. Weil ich weder zu Minho, noch zu den Jungs kontakt hatte, war ich sehr einsam, was alles schwerer machte. Ich konnte einfach mit niemandem darüber reden.

Zugegebenermaßen bin ich gestern auch wieder rückfällig geworden. Das ganze war einfach zu viel. Mein Herz schmerzte so stark, dass ich nicht damit umgehen konnte. Die Bilder in meinem Kopf und die Sorgen wegen meinen Freunden ließen mich nicht schlafen.
Innie hatte sich doch nicht meinetwegen umgebracht? Wegen der Situation in der Mensa? Nein, das durfte einfach nicht sein. Er trug doch gar keine Schuld.

Würde ich darauf je eine Antwort finden? Ihn konnte ich ja schlecht fragen... Ich wusste nicht wie ich weiter leben sollte, es fraß mich langsam auf. Jisung hatte Recht. Vielleicht war alles meine Schuld. Mein Hals schnürte sich zu, als die Gedanken überhand nahmen. "Aber wahrscheinlich hast du das nie gelernt weil du nie Freunde hattest!", "Du hast es verdient, dich zu verletzen."
Hatte er recht damit? Hatte ich es wirklich verdient? Ich fand meine Narben so hässlich und konnte sie nicht ausstehen aber Jisungs Worte taten unglaublich weh. So griff ich wieder zur Klinge. Ich konnte einfach nicht anders.

So schwer mein Leben auch immer gewesen war, so eine Herausforderung wie jetzt war es noch nie.

Ich fuhr hoch, als mein Handy erklang und eine Nachricht ankündigte. Nach einem Blick auf die Uhr wurde mir klar, dass es schon mitten in der Nacht war. Meine Augen weiteten sich, als ich las, wer mir gerade geschrieben hatte.

Felix
Hey Kenji...ich weiß echt nicht wie ich anfangen soll. Es tut mir leid, was letztens passiert ist und auch wenn ich etwas sauer auf dich bin, weil du Ji in gewisser Weise hintergangen hast, weiß ich, dass du das nicht beabsichtigt hast. Bitte verstehe, dass Seungmin und ich zu ihm halten müssen weil wir uns einfach schon länger kennen. Das bedeutet aber nicht, dass du nicht auch wichtig bist.

Tränen sammelten sich in meinen Augen.

Felix
Ich hoffe, dass sich alles bald beruhigt und du uns in Ruhe alles erklären kannst. Jisung braucht nur etwas Zeit. Wie auch immer, wir haben mitbekommen was passiert ist...Kenji es tut mir so schrecklich leid, dass du ihn so finden musstest. Du solltest wissen, dass Innie dich sehr gemocht hat, auch wenn er kaum geredet hat. Bei uns war er auch nicht gesprächiger. Trotzdem war er ein toller Freund und ein Mitglied unserer Gruppe.

Wir sind genauso getroffen und traurig wie du, das ist alles so furchtbar! Wieso haben wir denn nie bemerkt, wie es ihm wirklich ging...ich fühle mich so schuldig...
Naja also ich wollte sagen, dass ich hoffe, dass es dir einigermaßen okay geht weil du nicht mehr in der Schule warst. Mein Cousin ist Therapeut und ich hab schon mit ihm darüber geredet. Ich wollte dir anbieten, dasselbe zu tun, denn du darfst damit jetzt nicht allein sein. Vielleicht bist du sauer auf mich, was ich verstehen könnte aber bitte antworte mir, ich mache mir Sorgen um dich....

Ich wusste nicht, ob ich vor Freude weinte, weil jemand trotz dieser schrecklichen Situation an mich dachte und das, obwohl wir im Moment nicht miteinander redeten, oder ob dieser Text die Wunde erneuert vertieft hatte. Weil meine Hand ziemlich zitterte, brauchte ich einige Minuten um zu antworten.



Kenji
Hey Lix, danke, dass du dich bei mir meldest und trotzdem an mich denkst. Es ist gerade alles ziemlich viel und ich kann im Moment nicht zur Schule kommen. Die Bilder ver-
folgen mich in meinen Träumen...
Danke für das Angebot, ich glaube, das wäre gut. Und danke, dass du daran glaubst, dass ich es nicht mit Absicht gemacht habe, das weiß ich zu schätzen...

Felix
Okay, es freut mich, dass du dich dazu entscheidest! Komm morgen um 16 Uhr bitte zu mir, egal ob du zur Schule kommst oder nicht. Chan wird dann auch da sein. Hier ist die Adresse: xxxxxx Straße, Hausnummer x
Bis morgen Kenji und ich hoffe, du kannst etwas schlafen...gute Nacht :)

Ich las die Nachricht ohne zu Antworten. Ich konnte immer noch nicht glauben, dass Felix sich bei mir gemeldet hat. Schlafen konnte ich zwar ausschlagen aber der Gedanke, morgen endlich mit jemandem reden zu können, stimmte mich etwas positiv. Naja so viel es eben ging.

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Sorry, ich war doch erst um einiges später zuhause als gedacht. Als kleine Wiedergutmachung lade ich zwei Kapitel hoch :)

Scars (Stray Kids ff)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt