Kapitel 66

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„Kein Problem, ich hatte gerade eh Zeit", lüge ich und öffne den obersten Knopf meines Hemdes. Mir ist warm. Dass der Grund dafür mein Hirn ist, welches mir ein Gedankliches Kino liefert, was gerade im Schlafzimmer abgeht, ist klar. Aber ich darf mir genau das nicht anmerken lassen. Noch nie in meinem Leben bin ich so froh, elendig langes – und langweiliges – Mediatraining über mich ergehen lassen zu haben. Hätte ich dieses Training nicht, könnte ich vermutlich Twitter nie wieder öffnen. Oder ein Interview geben.

„Das ist schön", reißt die junge Frau, welche sich als Annabelle vorgestellt hat, mich aus meinen Gedanken, „aber für Freizeit bist du sehr schick angezogen. Sehr warm." – „Meine Freizeit hat ehrlich gesagt auch erst grade begonnen. Wir waren in der Oper, aber darum soll es jetzt gar nicht gehen", versuche ich zu verhindern, dass mir Fragen zum Stück gestellt werden. Davon habe ich schließlich nicht sonderlich viel mitbekommen, was innerhalb von Sekunden auffallen würde. „Dann freut es uns umso mehr, dass du dir die Zeit genommen hast. Die Tour ist, zumindest was den australischen Teil angeht zu Ende und soweit ich es dem Plan entnehmen kann, kommt nur noch das Abschlusskonzert in London auf dich zu?" Zustimmend nicke ich. Noch ein Gig, dann ist die Tour vorbei. Ein komischer Gedanke, nachdem man so viel Zeit in Bus, Flugzeug und Hotels verbracht hat. „Ja, wir schließen die Tour zuhause ab. Eigentlich unüblich für eine Tour, immerhin habe ich dort schon vor Monaten gespielt, aber in einem Meeting hatte Zayn die Idee und ich fand sie super." – „Das klingt doch toll. Aber bis dahin hast du noch ein wenig Zeit, wie verbringst du diese denn?"

Indem mein Freund und ich uns quer durchs Bett vögeln.

„In Australien ist morgen tatsächlich der letzte volle Tag, danach geht es für die Rasselbande wieder ab nach England. Groß etwas geplant haben wir alle nichts mehr, außer am Pool zu liegen und die Sonne zu genießen. Harry, mein Freund, hat mich heute durch halb Sidney geschleppt und jetzt habe ich glaube ich alles gesehen." Das bringt meinen Gegenüber zum Lachen und auch auf meinen Lippen bildet sich ein Lächeln ab. „Das klingt, als hättest du einen vollen Tag gehabt" – „Hatte ich, aber man kann schließlich nicht jeden Tag einen Koala auf dem Arm halten" – „Ah, dann hast du sicherlich auch erfahren, dass –" – „Koalas Geschlechtskrankheiten übertragen können? Da wurde ich ausführlich drüber informiert. Ausfühlich." Erkläre ich belustigt. Annabelle nickt, dann senken ihre Augen sich unter die Kamera. Wahrscheinlich liegt dort der Zettel mit den Fragen.

„Wir haben einige Fragen vorbereitet. Was hältst du davon, wenn du so viele wie möglich in drei Minuten beantwortest?" Nicht viel, mein Hirn ist ausgeschaltet. Wenn es nach mir ginge würde ich nur noch mit meinem Penis denken. „Klingt gut", grinse ich, während meine rechte Hand durch meine Haare fährt, um sie mir aus den Augen zu streichen. Sobald ich wieder in London bin, sollte ich dringend zum Friseur gehen. „Na dann würde ich sagen, dass es losgehen kann." Zustimmend nicke ich.

„Was ist dein Liebstes Lied zum Performen?" – „Silver Tongues", kommt es mir wie aus der Pistole geschossen „weil ich da zu den Fans runter gehe" Auf der Bühne spüre und höre ich ihre Energie natürlich auch, aber es ist nicht damit zu vergleichen, auf Augenhöhe mit ihnen zu sein. In die Gesichter der Fans zu blicken und ihnen jede Emotion ablesen zu können. Es gibt nichts Besseres bei den Konzerten. Dem Geräuschpegel zu trauen sowohl für die Fans als auch mich. Zufrieden nickt Annabelle und ich fahre mir erneut durch die Haare. Aus dem Schlafzimmer höre ich wieder etwas auf den Boden fallen. So lang kann er sich aber wirklich nicht umziehen.

„Spielst du irgendwann selbst Gitarre auf der Bühne?", werde ich leider aus meinen Gedanken gerissen. Ah ja, ich gebe ja ein Interview. „Nein." Ich weiß es tatsächlich nicht. Grade ist jedoch nichts dergleichen geplant.

„Dein Ideales Date?" Die Frage überrumpelt mich ein wenig, weshalb ich mich in meinem Sitz zurücklehne und kurz überlege. „Ehrlich gesagt habe ich darüber noch nie so richtig nachgedacht. Ich bin kein großer Freund von extrem glamourösen Zeug und so, deshalb wäre ein Besuch im Fußballstadion, nach dem es in den Pub geht oder man zusammen was kocht das Erste, was mir grade in den Kopf kommt. Immerhin geht es nicht darum, was Teures oder so zu erleben, sondern Zeit mit der Person zu verbringen, die man liebt." – „Das ist das erste Mal, dass ich sowas hier höre", erwidert Annabelle, woraufhin meine Augenbrauen in die Höhe schnellen. Was antworten die anderen denn bitte? Koks aus dem Arsch ihres Dates schnupfen? Ich hoffe, nicht. Nicht, dass ich Probleme damit hätte, in die Nähe des Arsches meines Dates zu kommen, aber... das hat einen anderen Kontext.

take it ⎜l.s. auWo Geschichten leben. Entdecke jetzt