Kapitel 8

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Nialls Blick bringt mich förmlich um, als mein Freund und ich sein Zimmer am frühen Vormittag verlassen. Anstatt etwas zu sagen, kichert Harry nur und zieht mich an dem Braunhaarigen vorbei in die Küche, wo er sofort damit beginnt uns Frühstück zu machen. Der Ire scheint aber nicht ganz so böse über die morgendliche Geräuschkulisse zu sein, denn als er realisiert, dass wir Frühstück machen, kommt er in die Küche gelaufen und setzt sich auf den Küchentisch. „Morgen" grinse ich Scheinheilig und beiße mir, um ein Lachen zu verhindern, auf die Unterlippe. Er hebt nur seine Augenbraue. „Guten Morgen euch beiden." Mir entkommt doch ein Lachen, wegen welchem er mich nur stumm mustert und den Kopf schüttelt. Die leicht in die Höhe zuckenden Mundwinkel verraten aber, dass er uns beiden nicht böse ist. Seine Augen ruhen auf mir und er scheint in Gedanken zu sein, ehe seine Augen sich erhellen und er sich etwas aufrechter hinsetzt.

„Du bist doch reich Louis", mir bleibt die Spucke im Hals stecken und auch Harry dreht sich zu seinem besten Freund um. Ehe auch nur ein einziger von uns etwas sagen kann, fährt Niall mit seinem Satz fort, „Kannst du mir nicht Ohropax kaufen?" – „Kann ich dir was kaufen?" will ich ungläubig von ihm wissen. Seit wann interessiert er sich eigentlich dafür?! Und warum? „Mir Ohropax kaufen, wenn ihr so laut rumvögelt, muss ich wenigstens nicht nebenan liegen und mir die Scheiße anhören. Oder ich stelle mich nächstes Mal an die Tür und kommentiere", wiederholt er und sieht mich herausfordernd an. Das traue ich Niall zu. Eins zu eins so. Etwas sprachlos nicke ich bloß und wende mich Harry zu, welcher seinen besten Freund noch immer erstaunt ansieht.  Um ihn endlich aus seiner Starre zu erlösen stehe ich auf, schlinge meine Arme um seine Hüfte und presse meine Lippen auf seine. Erst keucht er überrascht, dann schmilzt er förmlich in meinen Armen und erwidert den Kuss. Seine freie Hand findet ihren weg in meinen Nacken, in der anderen hält er noch immer den Pfannenwender.

Ich lasse meine Hand seine Kehrseite hinabfahre und bekomme prompt etwas an den Hinterkopf, was sich verdächtig nach Pfandflasche anfühlt und -hört. Ich löse mich langsam von Harry, streiche eine in sein Gesicht gefallene Haarsträhne wieder hinter sein Ohr und drehe mich zu seinem Mitbewohner um. „Ohropax" grinst Niall bloß, lehnt sich auf dem Tisch zurück und lässt seine Füße baumeln. Ich lasse mich neben ihm Fallen und beobachte meinen Lockenkopf beim Herumwerkeln an Herd und Pfanne. Er holt drei Teller aus dem Schrank, belädt den ersten mit essen und reicht ihn Niall, welcher ihn auf dem Tisch abstellt und sich auf einem der Stühle fallen lässt. Ich bekomme den nächsten Teller, setze mich neben Niall und warte, dass Harry neben mir Platz nimmt. Sobald er sich neben mich setzt, lege ich wie automatisch meine Hand auf seinen Oberschenkel und spieße mit der Gabel in der anderen Hand etwas vom Rührei auf. Und wenn ich das sage, meine ich wirkliches Rührei. Nichts, was mir am Ende des Tages wieder das Kinn hinabläuft. Das Einzige, was wir am Tisch hören, ist das Klappern von Besteck und Geschirr und das genüssliche Seufzen, das immer mal wieder einem von uns entkommt.

Verlassen tun Harry und ich die Wohnung nicht, wir können es de facto nicht, aber es ist dennoch schön die Zeit mit ihm zu genießen. Nur er und ich, keine Presse, keine Handys, keine anderen Menschen, die mir meinen Harry wegnehmen oder ihn beanspruchen. Im Verlaufe des Tages hat Harry sich irgendwann ans geöffnete Fenster gesetzt und sich ein Buch genommen, aus dem er mir vorliest, während ich an die Wand gelehnt in seinem Bett sitze. Zum Kuscheln ist es im Zimmer zu warm, weshalb wir uns darauf beschränken, dass ich meinen Kopf an seine Knie lehne und mit meinen Fingern die Haare an seinen Beinen Zwirble, bis seine Beine wegzucken. „Lou" meckert er, stößt mit seinem Fuß gegen mein Becken und wirft das Buch aufs Bett, um sich dann in meinen Schoß fallen zu lassen. Er legt seine Arme um meinen Nacken, küsst meine Wange und streicht mit seinen Fingern in meine Haare. „Du warst beim Friseur" merkt er mit zusammengezogenen Augenbrauen an. Ich nicke nur zustimmend. In Mailand sind mir meine Haare so auf den Sack gegangen, dass ich sie habe schneiden lassen, sodass sie an den Seiten wieder kurz sind und mir nicht mehr so sehr ins Auge fallen. „Nicht gut?" frage ich, als er mich noch immer intensiv betrachtet. Er legt seinen Kopf schief, packt eine Handvoll meiner Haare und grinst dann. „Ist noch genug, um mich darin festzukrallen, wenn du mir einen Bläst." Würde ich noch sitzen, wäre ich hintenübergekippt. Empört und überfordert mit dieser Direktheit verpasse ich ihm einen Klaps auf den Oberschenkel.

Ich habe kein Problem damit, mit Harry zu schlafen, ihm einen zu blasen oder andere Dinge zu tun, aber die Leichtigkeit, mit der er darüber spricht, überrumpelt mich noch immer. Wenn wir miteinander schlafen, habe ich auch keine Probleme damit ihm zu sagen, was ich möchte. Dass er sich gut um mich herum anfühlt, dass ich mehr brauche und wie wunderschön er ist, aber einfach so darüber sprechen kann ich nicht. Worüber man sprechen könnte, weiß ich aber auch nicht. Dass man sex haben will? Okay, aber, fuck er sagt das mit dem Blowjob so einfach. So, als wäre es was ganz Normales. Was es ist, aber es ist für mich nicht normal, darüber zu sprechen. Als meine Freunde in der Schule angefangen haben, Sex zu haben und sich darüber zu unterhalten habe ich danebengesessen und genickt. Nie erzählt, immer nur zugehört, weil ich kein Teil dessen war, worüber sie sprachen. Ich hatte keine Freundinnen, keinen Sex, keine Küsse, keine heißen Nächte nach dem Club in Doncaster. Nichts. Sobald mein YouTube Kanal mehr Aufmerksamkeit bekommen hat und die erste Plattenfirma mit einem Vertrag auf mich zugekommen ist war mir bewusst, dass es das lange nicht für mich geben wird. Dass meine Sexualität nicht von Bedeutung ist und ich sie nicht ausleben kann. Und ich hatte Recht, ich konnte erst beginnen daran zu denken als ich schon knietief in einer gefälschten Beziehung gesteckt habe, die mein bester Freund und Persönlicher Assistent für mich eingefädelt hat. Und jetzt hatte ich mit demselben, unfassbaren Freund Sex, verdammt guten nach meiner Beurteilung nach. Diesmal ist er aber wirklich mein Freund. Wirklich rumprobiert haben er und ich allerdings nicht, wenn man vom an den Haaren ziehen und vielleicht mal etwas rauer miteinander umgehen absieht.

„Lou?" reißt Harry mich aus meinen Gedanken und sieht mich intensiv an. Seine grünen Augen funkeln noch immer, aber in ihnen wiegt eine solche Sorge mit, dass ich sofort meinen Kopf senke. Er hebt meinen Kopf eine Sekunde später mit seinen Händen und sucht mit seinen Augen meinen Blick, weshalb ich seufze, meine Arme enger um seine Mitte schließe und mein Gesicht in seiner Halsbeuge vergrabe. Eine ungewohnte Enge breitet sich in meiner Brust aus, die es mir unmöglich macht zu sagen, worüber ich nachgedacht habe. Stattdessen entscheide ich mich etwas zu sagen, was stimmt, aber nicht genau das ist, was mir gerade durch den Kopf geht. „Ich hab dich vermisst Haz", flüstere ich und drücke ihn noch ein wenig näher an mich. Er seufzt, beginnt meinen Kopf zu kraulen und verteilt liebevolle Küsse auf meiner Schläfe. „Ich dich auch Lou, aber Ende des Monats wird nicht besser." Genervt seufze ich. „Erinnere mich bloß nicht daran" Er lacht, küsst meine Wange und lehnt sich in meinem Schoß zurück. „Meinst du wir sollten Niall Ohropax kaufen?" – „Wenn du willst" erklärt er, küsst meine Wange und lässt seine Lippen über meine streifen. Mein Herz macht einen Sprung, ich lehne mich ihm mehr entgegen und dringe mit meiner Zunge in seinen Mund ein. Harry presst sich an mich, aber ich schaffe es, die Knutscherei nicht in eine zweite Runde ausarten zu lassen. Stattdessen zwinge ich Harry dazu, mir Essen zu kochen, ehe es für mich nach Hause geht.

So sehr ich es auch herausgezögert habe, wusste ich auch, dass ich waschen und einkaufen muss. Also habe ich genau das gemacht, sobald ich durch die Tür hineingekommen bin. Ich werfe alles in die Wäsche, springe das zweite Mal heute unter die Dusche und lasse mich dann mit Boxershorts bekleidet ins Frisch bezogene Bett fallen. Mit dem Gedanken daran, dass ich übermorgen schon wieder beim Management für das nächste Meeting antanzen muss, verdrehe ich meine Augen, ziehe die Decke über mich und greife nach meinem Handy.

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Hi Freunde der Sonne,

Niall verpasst unseren Turteltauben einen kleinen Schock und Louis hat ein paar komische Gedanken... naja, aber es ist alles gut. Was meint ihr, was für ein Meeting wird am Montag stattfinden? Und könnte es etwas mit Harry zu tun haben?

love, j x

take it ⎜l.s. auWo Geschichten leben. Entdecke jetzt