Kapitel 46

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Ich glaube dieses Kapitel verdient ein paar Livereaktionen...

„Lou?" Widerwillig blinzle ich meine Augen auf, grummle leise und richte meinen Körper auf, bis mein Kopf nicht mehr auf seiner Schulter ruht. Der helle Bildschirm vor mir verrät, dass die Landung keine Zehn Minuten mehr entfernt ist. Ich kann es kaum erwarten, das Flugzeug wieder zu verlassen. Mein Hintern ist nicht gemacht, auf diesen Sitzen zu verweilen und so oft ich auch im Flugzeug sitze, finde ich es nie sonderlich gut. „Lou?", wiederholt er dringlicher, was mich dazu verleitet, mich komplett aufzusetzen. Noch etwas verschlafen schiebe ich mir die Haare aus dem Gesicht und nicke. „Hm, ja?" Das Flugzeug brummt leise vor sich hin, aber ich bekomme es kaum mit. Als meine Aufmerksamkeit liegt auf Harry. Irgendwas an ihm ist anders als sonst. Vielleicht spielt mir mein müdes Hirn einen Streich? Nein. Seine Augen sehen aus, als würde er mir etwas Weltbewegendes mitteilen. Ermutigend drücke ich seine Hand. „Louis", wiederholt er sich, dreht seinen Oberkörper und verdeckt damit das Fenster. Liebevoll lächle ich ihn an. Er sieht mich aufmerksam, fast kalkuliert an und schüttelt dann seinen Kopf. „Warum sagt diese Mail, dass du mit niemand anderem Sex hattest?" Mein Lächeln fällt. Automatisch sehe ich mich um, aber niemand sieht überhaupt in unsere Richtung.

Als ich wieder zu meinem Freund gedreht bin, ist sein Gesichtsausdruck unlesbar. „Harry?" Er nimmt einen tiefen Atemzug, dreht den Kopf zur Seite und überkreuzt seine Beine. Sofort bekomme ich eine Gänsehaut an den Stellen, an denen et mich vor wenigen Sekunden noch berührt hat. Ein Zittern erfasst meinen Körper, während ich Harry bange betrachte. Mein Kopf ist wie leergefegt. Ich bin mir bewusst, was in dem Formular steht, ich habe es ausgefüllt. Und ich weiß, welche Sexualpartner ich hatte. Mit Harry ist die Liste nun mal nicht sonderlich lang. „Haz", versuche ich es erneut, weiche aber zurück, sobald er energisch den Kopf schüttelt. Er ist sichtlich sauer und ich habe nicht die leiseste Ahnung, wieso. „Harry", ziehe ich ihn aus seiner Starre. Das Grün seiner Augen durchfährt mich, entledigt mich jeder Möglichkeit wegzusehen oder mich zu wehren. Ihm schutzlos ausgeliefert erwidere ich den Blick, während der Sitz um mich herum entweder größer wird oder ich schrumpfe. Es rumst einmal kräftig und unser Augenkontakt wird durch die Bewegung unserer Körper unterbrochen.

Wir sind zurück in England, wortwörtlich am Boden der Tatsachen, auf dem Harry mich vorwurfsvoll ansieht. Um uns herum stehen Menschen auf, Klappen werden geöffnet und Aktentaschen, Rucksäcke und Kuscheltiere herausgezerrt, während um den Platz im Gang gekämpft wird. Ich bekomme all das kaum mit. Mein Blick liegt auf Harry, während mein Herz vor sich hin rast. Vorsichtig ziehe ich den Kragen meines Shirts von meinem Hals weg und Schlucke. Mir wird unangenehm warm und der Stoff beginnt an meiner Haut zu kleben. „Entschuldigen sie bitte, sie müssen das Flugzeug nun verlassen." Unterbricht eine Flugbegleiterin die Stille. Schnell nicke ich, springe auf und nehme den Rucksack entgegen, den sie mir hinhält. Der Gang zur Kofferausgabe ist unerträglich. Harry sieht mich zwar an, mit einer Mischung aus entsetzen und Zorn, sagt jedoch nichts. Ich fühle mich winzig. Quietschend beginnt das Rollband sich in Bewegung zu setzen, womit zeitgleich das Chaos unter den Reisenden beginnt. Sie stürmen an uns vorbei, um ihre Koffer entgegenzunehmen.

„Wir waren betrunken." Verwirrt sehe ich Harry an. „Als wir das erste Mal Sex hatten" fügt er leise hinzu. Zustimmend nicke ich. Worauf er hinaus will? Keine Ahnung. „Wie viele Partner hattest du davor?" drängt er weiter auf Antworten. „Warum ist das von Bedeutung?" – „Weil in deinem Fragebogen steht, dass dort keiner war", entgegnet mein Freund. „Du hast meinen Bogen gelesen?" erwidere ich unnötiger weise. Es ist offensichtlich, dass er es getan hat. What the fuck?„Warum hast du meinen Bogen gelesen Harry?!" – „Das ist doch hier gar nicht von Bedeutung" zischt er leise, um keine Aufmerksamkeit auf uns zu ziehen. Nicht mehr als sowieso schon. „Natürlich ist es von Bedeutung, deine Nase hat nichts in meinem Fragebogen zu suchen" Seine Augen verengen sich gefährlich, ein Schnauben entkommt ihm und er schüttelt seinen Kopf. Einen tiefen Atemzug nehmend drehe ich meinen Kopf und entdecke im Augenwinkel unsere beiden Taschen. Mit beiden in der Hand gehe ich zu meinem Freund, der mich nicht mal eines Blickes würdigt als er mir seine Tasche abnimmt. „Ich war einfach glücklich wegen der Ergebnisse, Louis. Also habe ich es nochmal gelesen. Weil mich das, was dort steht glücklich gemacht hat." Egal wie zornig ich in diesem Moment bin, kommt mir ein Lächeln über die Lippen und ich trete einen Schritt näher an ihn, was er zu meiner Überraschung zulässt.

„Und was hat sich geändert?" – „Die Tatsache, dass du... fuck, warst du vor mir Jungfrau?!" Die Wucht, mit der mich seine Frage trifft, überwältigt mich vollkommen. Natürlich war ich es, es gibt keinen Grund das zu verleugnen, aber der Ausdruck, der in seinen Augen mitschimmert, lässt mich diese Annahme überdenken. So sehr ich es aber auch probiere, mir fällt kein Grund ein, warum er sauer sein könnte. Es ist doch nicht von Relevanz, mit wie vielen Partnern ich schon Sex hatte. Oder eben nicht. Ich frage ihn schließlich auch nicht danach, mit wem er vor mir was hatte. Es geht um unsere Erfahrungen, nicht das was vorher war. „Haz", beginne ich, stocke aber als er mich wütend anfunkelt. „Kein Haz, Louis. Du verstehst wirklich nicht, warum ich es scheiße finde, dass du mir nicht gesagt hast, dass es dein erstes Mal war?" – „Es hätte doch nichts verändert" argumentiere ich genervt. Diese gesamte Diskussion ist nervtötend und schlichtweg unnötig. „Natürlich hätte es das, Lou, ich – ich hätte nicht mit dir geschlafen."

Mein Brustkorb zieht sich zusammen und ich versuche zitternd einzuatmen. Ich hätte nicht mit dir geschlafen. What the fuck. Ich weiß beim besten Willen nicht, was ich darauf erwidern soll. Oder was es bedeutet. Dass er bereut, mit mir geschlafen zu haben? Bereut er den Rest auch? Die letzten Wochen? Die Gedanken prassen auf mich ein als gäbe es kein Ende und mit jedem einzelnen wird der Druck auf meine Brust größer. Niemand nimmt Kenntnis von uns, aber ich habe das Gefühl tausend Augenpaare wären auf mich gerichtet. Eines davon gehört zu meinem Freund, welcher mich aufmerksam mustert. Seine Augen funkeln noch immer voller Gefühle, überwiegend Wut, aber mit jeder Sekunde gesellt sich Sorge hinzu. Noch immer nichts sagend will er einen Arm um meinen Oberkörper legen, aber ich schüttle den Kopf und setze mich in Bewegung. Er folgt mir auch bis zum Auto stumm. Meine Emotionen kochen über als ich den Kofferraum öffne und meinen Koffer mit so viel Wucht hineinbefördere, dass er gegen die hinteren Sitze kracht. Schwungvoll drehe ich mich zu Harry um und bedeute ihm, dass er seine Tasche auch reinlegen soll. Er tut es, wenn auch zögerlich. „Louis" – „Was?! Bereust du es jetzt auch mit mir noch Auto fahren zu müssen?" fauche ich hitzig und gehe zur Fahrerseite.

Eilige Schritte folgen mir, eine Hand legt sich an meine Hüfte und dreht mich, bis mein Rücken ans Aluminium des Autos gepresst ist. „Ich bereue es weder, mit dir in Italien gewesen zu sein noch dich zu lieben" stellt er klar, seine Brust sich mit tiefen Atemzügen heben und senkend. Ungewollt zucken meine Augen zu ihm, aber ich sehe immer wieder weg. Ich weiß nicht, was ich fühlen soll, geschweige denn was ich sagen soll. Verdammte Scheiße! „Was willst du, Harry", stoße ich schließlich hervor, lege meine Hand an seine Brust und schiebe ihn ein wenig von mir weg. Alles bricht über mich hinein, die letzten 24 Stunden. Die letzten Wochen. Meine Hand rutscht von Harrys Brust bis ich ihn an keiner Stelle mehr berühre. Ich hasse es. So sehr. Aber ich hasse das, was er impliziert hat noch mehr. Dass er es bereut. Unfreiwillig kommen meine Gedanken nicht mehr zum Stopp. Ich sehe jeden Moment des letzten halben Jahres vor meinem inneren Auge, vom Moment, in dem er vor meinem Haus saß, unsere Zeit in Bilbao, unser Kennenlernen und die Zeit in der es überhaupt zur Frage Stand, ob ich mich Oute. Dass es Konsequenzen hat, wenn ich es tue. Ist das hier der Moment, in dem ich realisiere, dass ich einen riesigen Fehler gemacht habe? Hatte Fredrick doch Recht? Verdammte scheiße, ich kann diesen Bullshit grade nicht gebrauchen.

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Freunde der Sonne,

damit habt ihr nicht gerechnet, oder? Was haltet ihr von Harrys Reaktion? Könnt ihr das Nachvollziehen, oder seid ihr eher Team Louis? Ich kann ihn auf jeden Fall verstehen!

Wir hören voneinander

love, j x

take it ⎜l.s. auWo Geschichten leben. Entdecke jetzt