Kapitel 1

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Tooru Oikawa
Lexichanx3

Auf dem Marktplatz des Königreichs Seijoh schlich ich umher. Versteckte mich vor den Wachen, weil sie mich sonst wieder ins Schloss zurückbringen würden. Nur hatte ich wirklich keine Lust auf Schwerttraining, immerhin hatten wir nicht umsonst Ritter auf dem Hofe des Schlosses. Also wieso sollte ausgerechnet ich, der Prinz, ein Schwert in die Hand nehmen müssen? Außerdem hielten meine Eltern mich als Omega für alles zu unfähig, warum sollte ich mir die Mühe machen und ihnen beweisen wollen das ich sehr wohl ein guter König wäre? Lieber verhätschelten sie Takanori, meinen jüngeren Bruder. Er war ihr Liebling und ein Alpha, somit der geeignete König. Mit seinen sechzehn Jahren war er angeblich in allem besser als ich. Schwachsinn! Sie konnten mich nicht ausstehen, das war das Problem!

“Hier bist du!”, grob wurde ich an der Schulter gepackt und herumgewirbelt. Kyotani, die Leibwache meines Bruders und mir stand mit knirschenden Zähnen hinter mir. Die goldbraunen Augen verengt, sah er mich eindringlich an und teilte mir streng mit: “Der König will dich sehen!”
Schön für den König, ich wollte ihn aber nicht sehen. Was mir blühte, wusste ich - eine Standpauke, weshalb ich erneut mein Schwerttraining schwänzte. Konnte ich auf eben diese verzichten? Ja!
“Wenn du nicht freiwillig mitkommst, dann werd' ich dich zum Thronsaal zerren!”, brummte der Blondhaarige. Mir blieb nichts anderes übrig, als mitzugehen, denn gegen seine Kraft kam ich nicht an. Außer dass er einen Prinzen vor dem Volk lächerlich aussehen ließ, wenn er ihn hinter sich her schliff oder gar trug.
“Ist gut, ich folge dir…”, jammerte ich beleidigt und folgte ihm auf Schritt und Tritt bis zum Schloss.

Kurz vor unserem Ziel hörte ich, wie etwas zu Boden fiel und Kyotani knurren: “Passen sie gefälligst auf!”
Ich beugte mich weiter nach links um erkennen zu können, was denn überhaupt los war. Eine ältere Dame, in einem löchrigen und verschmutzten Kleid aus Leinen, sammelte am Boden fallengelassene Lebensmittel auf, die von Kyotani teils verärgert weggetreten wurden.
“Warten Sie, ich helfe Ihnen”, eilte ich der Frau zur Hilfe. Egal ob Arm oder Reich, das machte für mich keinen Unterschied, was meine Hilfsbereitschaft anging. Ich verstand sowieso nicht, warum man dem ärmeren Volk nicht mehr Unterstützung bot, anstatt sie dem Tod auszuliefern. Schließlich waren es genauso Menschen wie jeder andere auch.
“E-Eure Hoheit!! Sie müssen mir doch nicht helfen!”, verbeugte sie sich, so dass ihre Stirn den Pflasterstein berührte.
“Ich möchte Ihnen aber helfen”, sagte ich und räumte die Lebensmittel zurück in den Korb. Anschließend half ich der Guten auf die Beine, sie bedankte sich noch mehrere Male und setzte ihren Weg fort. Genauso wie Kyotani und ich, der sich mit einem Schnaufen von mir abgewendet hatte. Er würde es meinem Vater berichten und dann konnte ich mir etwas anhören. Doch… es war mir egal.

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Im Thronsaal stand ich nun vor meinen Eltern. Kyotani flüsterte meinem Vater etwas zu, der genervt seufzte und sich die Nasenwurzel kniff. Mit einer wedelnden Handbewegung forderte er die Leibwache auf uns alleine zu lassen.
“Tooru, du hast dich wieder einmal nicht beim Schwerttraining blicken lassen, schleichst dich aus dem Schloss und hilfst dann auch noch einer alten Dame aus dem niederen Volk? Mit diesen Menschen geben wir uns nicht ab!”, maßregelte Vater mich. Immer sagte er das Gleiche und warum war er so verbittert gegenüber den armen Leuten? Das wollte ich endlich in Erfahrung bringen, weshalb ich ihn fragte: “Warum hasst du die Armen so sehr, Vater?”
“Weil sie alle krank sind und auch noch ihre tödlichen Krankheiten verbreiten!”, blaffte er. Sie konnten sich weder Arzt noch Medikamente leisten, deshalb musste man ihnen helfen, damit diese schweren Krankheiten ein Ende nahmen.
“Aber-”
“Genug! Ich habe dich wegen etwas anderem herbringen lassen”, fiel er mir ins Wort. “Du weißt, dass wir im Krieg mit dem Königreich Shiratorizawa stehen. Ich habe mit dem König ein Abkommen abgeschlossen. Und zwar wirst du zu ihm ins Königreich reisen und ihn heiraten!”
WIE BITTE? Ich sollte diesen Abschaum von König heiraten? Nie im Leben! Lieber erkrankte ich an einer tödlichen Krankheit!
“Das kann nicht dein Ernst sein, Vater! Ich will diesen Mann nicht heiraten!”
“Und ob du das wirst! Es ist beschlossene Sache, du wirst heute noch abreisen.”
Heute? Das… Das konnte er mir nicht antun! Wieso ich? Wieso nicht Takanori? Und viel wichtiger: “Aber ich bin der nächste in der Thronfolge! Lasst Takanori ihn doch heiraten!”
Mein Vater brach in Gelächter aus, während meine Mutter weiterhin stillschweigend da saß.
“Dein Bruder wird, wenn die Zeit gekommen ist, zum König gekrönt. Ein Omega wie du einer bist, ist viel zu unfähig alleine ein Königreich zu regieren, du brauchst einen mächtigen Alpha an deiner Seite! Außerdem sollte deine oberste Priorität das höhere Volk sein und nicht diese Krankheitsübertragenden Würmer! Du wirst Ushijima heiraten. Schluss!”, er schlug seine geballte Faust auf die vergoldete Armlehne des Thrones. Damit war das letzte Wort gesprochen und ich hatte unverzüglich den Thronsaal zu verlassen.

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Sobald ich mein Gepäck mit einem der Dienstmädchen gepackt hatte, wurde die Kutsche beladen und die Abreise stand bevor. Meine Mutter und Takanori standen hinter mir, während ich zusah, wie Kyotani die letzte Truhe auf den Wagen lud. Er würde mich in das Königreich Shiratorizawa begleiten und den Tag nach der Hochzeit wieder abreisen. Immerhin war er dann nur noch für Takanori zuständig. Vermissen würde ich ihn nicht. Ich mochte es nicht ständig von einer grimmig dreinblickenden Leibwache begleitet zu werden. Einer der Gründe, weshalb ich mich gerne aus dem Schloss schlich.

Kyotani öffnete die Tür der Kutsche und wartete darauf, dass ich einstieg und wir losreiten konnten. Vorher wollte ich eines wissen: “Ihr begleitet mich also nicht?” Ein winziger Hoffnungsschimmer war noch da, dass wenigstens meine Mutter mich genauso liebte wie meinen jüngeren Bruder. Aber dieser verflog in Windeseile, als sie mit neutraler Miene sagte: “Nein, wir haben Pflichten, die erledigt werden müssen.”
Klar. Pflichten. Wäre es Takanori, würden sie ihn umgehend begleiten. Ihren Pflichten für diesen Tag nicht nachkommen. Würden bei der Hochzeit ihres Zweitgeborenen dabei sein und sich riesig für ihn freuen. Aber nein! Niemals würden sie ihren liebsten Sohn dazu zwingen, jemanden zu heiraten, den er kaum kannte oder nicht einmal leiden konnte.
“Verstehe… und Vater wird wahrscheinlich nicht jeden Augenblick durch die Schlosstüren treten um mich zu verabschieden?”, fragte ich, den Tränen nahe.
“Nein.”
Ein weiterer Stich ins Herz, obwohl ich eben genau wusste, wie unwichtig ich ihm war. Ich warf ihnen einen letzten Blick über die Schulter zu, versuchte meine monotone Fassade aufrechtzuerhalten und verabschiedete mich mit einem kurzen “Lebt wohl.”

Die blonde Leibwache stieg auf sein Pferd und ritt neben dem Kutscher und mir her. Als ich nochmal einen kurzen Blick zu meiner Familie warf, waren sie bereits auf dem Weg die Treppe zum Schloss hinauf.
Wie furchtbar sollte mein Leben noch werden? Meine Familie zeigte kein Interesse an mir, liebte mich nicht und zweifelte an meiner Fähigkeit, ein Königreich allein zu regieren. Und nun zwangen sie mich, einen Mann zu heiraten, den ich verabscheute. Die Ehe sollte symbolisieren, dass der Krieg zwischen unseren Königreichen beendet war und wir ein Bündnis eingingen. Doch meine eigenen Gefühle spielten dabei keine Rolle. Ich fühlte mich wie eine Marionette ohne eigenen Willen, gezwungen, den Anweisungen zu folgen. Das war nicht das Leben, sondern eher die Hölle, und ich sah mich darin gefangen, vermutlich für den Rest meines Lebens.










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